Der Atem des chinesischen Drachen beschert Hongkong inzwischen eine gesellschaftspolitische Rekordhitze. Beließ es der Präsident Xi Jinping während der Proteste der Demokratiebewegung im vergangenen Jahr noch bei militärischen Drohgebärden und Undercovereinsätzen chinesischer Sicherheitsorgane, endet derzeit die letzte Rücksichtnahme auf die Demokratie in der Sonderverwaltungszone.
Mahnwachen und Demonstrationen zum 31. Jahrestag der blutigen Niederschlagung der chinesischen Demokratiebewegung auf dem Platz des Himmlischen Friedens am 4. Juni in Peking wurden von der Polizei verboten, Oppositionspolitikern wird der Prozess gemacht.
Das im genauen Wortlaut noch nicht bekannte "Sicherheitsgesetz" stellt Hochverrat, Abspaltung, Aufruhr, Subversion gegen die Pekinger Regierung und Einmischung aus dem Ausland unter Strafe. Zudem sollen Chinas Sicherheitsorgane eigene Institutionen in Hongkong aufbauen dürfen.
Demokratiebewegung beklagt das Ende des freien Hongkong
2003 scheiterte die Einführung eines Vorläufers des Sicherheitsgesetzes noch an einer einzigen Massendemonstration der Demokratiebewegung. 2019/2020 demonstriert China Härte. Mithilfe handverlesener Politikerinnen und Politiker in Regierung und Parlament von Hongkong setzt es nun dazu an, trotz Hunderter teils sehr großer Demonstrationen das Sicherheitsgesetz 2.0 durchzupeitschen.
Während Hongkongs katholische Regierungschefin Carrie Lam in Treue fest verbunden zur kommunistischen Führung in Peking steht und das Gesetz bedingungslos unterstützt, beklagt die Demokratiebewegung das Ende des freien Hongkong. Mit großer Sorge sehen auch die Katholiken die Gefahr aus dem Riesenreich. Mit dem emeritierten Hongkonger Bischof Kardinal Joseph Zen als Galionsfigur sind sie ein fester Bestandteil der Opposition.
Kardinal Zen kritisiert Gesetzesvorhaben
Der für seine deutliche China-Kritik bekannte Kardinal Zen lässt kein gutes Haar an den Bestimmungen des Gesetzesvorhabens. "Die sind dumm. Sie schaden nicht nur Hongkong, sondern auch der Volksrepublik China selbst. Sie braucht Hongkong", sagte Zen telefonisch aus Hongkong im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Dass auch Katholiken unter dem Sicherheitsgesetz leiden werden, macht Zen mit einem Satz klar: "Die Chinesen hassen uns."
Bereits im Januar beförderte Präsident Xi politische und ihm loyal ergebene Hardliner zu neuen Leitern der für Hongkong zuständigen Behörden. Seit Januar ist Luo Huining Chef der Vertretung Chinas in Hongkong. Luo hatte sich in der Provinz Qinghai, die etwa die Hälfte von Tibet umfasst, einen Namen als kompromissloser Unterdrücker tibetischer Kultur und Religion gemacht.
Krise trifft auch Christen
Mit Xia Baolong steht seit Februar ein Mann an der Spitze der für Hongkong und Macao zuständigen Behörde, der als Parteisekretär der wirtschaftlich wichtigen Küstenprovinz Zhejiang Kreuze von Kirchen abmontieren ließ. Zhejiang ist ein Brennpunkt des Christentums in China und seine Hauptstadt Wenzhou wird oft als das "Jerusalem des Ostens" bezeichnet.
Die Krise in Hongkong betrifft auch die katholische Hierarchie. Seit dem Tod von Bischof Michael Yeung Ming im Januar 2019 ist der Bischofsstuhl vakant. Viele Katholiken sähen gerne den chinakritischen Unterstützer der Demokratiebewegung Weihbischof Joseph Ha Chi-shing als Oberhirten. Darauf wetten will jedoch angesichts der schwierigen diplomatischen Beziehungen und der anstehenden Neuverhandlungen des Abkommens zwischen dem Vatikan und China niemand.
Parlamentswahl am 6. September
Die deutschen Expats in Hongkong sind durch Chinas Vorgehen verunsichert. "In der Klasse meiner Tochter in der deutschen Schule waren vor kurzem noch 20 Schüler. Jetzt sind es nur noch 13", sagt Roland Rohde telefonisch aus Hongkong. Dann fügt der Vorsitzende der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde hinzu: "Expats wandern ab. Die Stimmung ist schlecht."
Alles spricht dafür, dass die Spannungen in Hongkong bis zur Parlamentswahl am 6. September weiter zunehmen werden. Beobachter erwarten ein sehr gutes Abschneiden der demokratischen Oppositionsparteien - wenn die Wahl nicht unter einem Vorwand wie der Corona-Pandemie verschoben wird.