Führende Vertreter der Kirchen riefen mit Blick auf die Terroranschläge zu Mut und Entschlossenheit auf. Es sei verständlich, dass die Menschen Angst hätten, sagte der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, bei der Karfreitagsprozession durch die Münchner Innenstadt. "Aber wenn wir zulassen würden, dass die Angst unser Leben bestimmt, dann würde der Terror siegen."
Was in Istanbul und in Brüssel geschehen sei, betreffe und treffe alle, sagte Marx, der auch Vorsitzender der katholischen Deutschen Bischofskonferenz ist. "Die unfassbare Gewalt in Syrien und auch im Irak macht uns hilflos. Die Not der Menschen auf der Flucht trifft unser Herz." Die Europäische Union müsse angesichts der Krisensituationen stärker als bisher zu einem gemeinsamen Handeln finden, nahm Marx die politisch Verantwortlichen in die Pflicht.
"Hass ist Nährboden für Unterdrückung und Angst"
Im Namen Gottes dürfe es niemals Gewalt geben, sagte Marx weiter. "Religion wird jedoch immer dann missbraucht, wenn sie zum Vorwand wird, andere Menschen zu unterdrücken oder gar zu töten." Hass sei der Nährboden für Unterdrückung, für Angst, für Not und vor allem für noch mehr Gewalt. Dagegen wollten die Christen gerade am Karfreitag und an Ostern "ein Zeichen des Lebens, der Liebe und der Verbundenheit miteinander setzen".
Der Erzbischof von Köln, Rainer Maria Kardinal Woelki, sagte, Jesus gehe seinen Kreuzweg weiter in allen Menschen, "die Not und Leid tragen, die arm und krank sind und die wie er ungerecht verurteilt wurden". Durch Jesus sei der Kreuzweg zu einem Weg der Hoffnung geworden. Jesus sei für die Sünder gestorben und habe für Gott gelebt.
"Terrorismus ist geist- und herzlos"
Der Mainzer Kardinal Karl Lehmann erklärte, am stärksten sei die Liebe Jesu durch die Hingabe seines Lebens für alle, auch für die Feinde. Dies sei das Herz des Christentums, an dem auch Christen immer wieder zweifelten, besonders dann, wenn sie die Zerstörungswut des Menschen sähen. "Aber die Liebe hat den längeren Atem", betonte der Kardinal.
Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick bezeichnete den Terrorismus als menschenverachtend. "Er hat mit Gott überhaupt nichts zu tun, er ist geist- und herzlos", sagte er im Bamberger Dom.
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bayerns Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, sagte, die Christen überließen als Nachfolger Jesu nicht der Angst das Feld, sondern seien Botschafter der Versöhnung.
"Die Lösung ist mehr Europa"
An der Stadtgrenze zwischen Bottrop und Oberhausen zogen Hunderte von Christen aus dem Ruhrgebiet entlang der 15 Kreuzwegstationen auf die Berge-Halde Haniel. Die Stationen wurden von der Künstlerin und Ordensfrau Tisa von der Schulenburg, dem Oberhausener Künstler Adolf Radecki und Auszubildenden des Bergwerks Prosper-Haniel geschaffen. Sie verbinden den Leidensweg Jesu mit der Arbeitswelt der Bergleute.
Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck warnte beim 22. Kreuzweg auf der Halde Haniel vor einem neuen Nationalismus. "Nicht weniger Europa ist die Lösung", so Overbeck. "Die Lösung ist mehr Europa." Die Flüchtlingskrise zeigt nach den Worten des Bischofs «die Zerbrechlichkeit und Schwäche der politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen unserer westlichen Lebensweise».
Overbeck wandte sich gegen die "Fratze der Polterer und Protestierer", die andere Menschen abqualifizierten. "Die Überlegung zum Schießbefehl an den Grenzen entlarvt sich selber", sagte er unter Anspielung auf AfD-Parteisprecherin Frauke Petry. Er lobte den "humanitären Akt", mit dem Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Herbst der Not der Flüchtlinge begegnet sei.
"Menschenrecht vor Mehrheitswillen"
Münsters Bischof Felix Genn kritisierte den Umgang der "globalisierten Welt" mit den Tausenden von Flüchtlingen, die aus Not ihre Heimat verlassen hätten. Viele von ihnen landeten "im Mittelmeer wie in einer großen Müllhalde". Auch Jesus sei am Karfreitag "hinausgeworfen, entsorgt, wie Müll weggeworfen" worden, sagte er im Münsteraner Dom.
Der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann rief zu aktiver Flüchtlingshilfe auf. Die Aufforderung in Jesu Todesstunde laute vom Kreuz her: "Sieh mich in meiner größten Erniedrigung an!"
Der Gekreuzigte steht dem Trierer Bischof Stephan Ackermann zufolge auch für Ausgestoßene. "Denken wir nur an die Männer, Frauen, Kinder, Kranke und Behinderte an der griechisch-mazedonischen Grenze, die keiner haben will", erklärte Ackermann. Zudem stehe das Kreuz auch für eine Haltung. "Wir dürfen in dem Gekreuzigten nicht nur den Menschen sehen, der schicksalhaft dem Leid unterworfen ist", betonte er. Vielmehr gehe es auch um den, "der sich bewusst für die anderen einsetzt, der sich in diesem Sinne festnageln lässt" und der es aushalte ausgegrenzt, belächelt oder beschimpft zu werden.
Rund 1.000 Menschen nahmen am ökumenischen Lübecker Kreuzweg teil, der als einer der ältesten Kreuzwege in Deutschland gilt. Er geht auf das 15. Jahrhundert zurück und ist 1.650 Meter lang, so lang wie die "Via Dolorosa" in Jerusalem. Hamburgs evangelische Bischöfin Kirsten Fehrs mahnte die Unantastbarkeit der Menschenwürde an. Es sei zwar wichtig auf das Volk zu hören, aber es gebe eine Grenze, so die Bischöfin. "Wenn Menschen gequält oder verfolgt werden sollen, dann geht Menschenrecht vor Mehrheitswillen." Jesus sei "das Bild der Barmherzigkeit", sagte Hamburgs katholischer Erzbischof Stefan Heße.