DOMRADIO.DE: Diesen Donnerstag haben die Vereinten Nationen erstmals zum Gedenktag für die Opfer religiöser Verfolgung ausgerufen. An wen denken Sie da als erstes?
Prälat Prof. Dr. Helmut Moll (Historiker, Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für das Martyrologium des 20. Jahrhunderts): Ich denke an alle Menschen auf allen fünf Kontinenten, die wegen Diskriminierung Opfer religiöser Gewalt geworden sind. Der Fokus richtet sich freilich in der Regel auf Ostasien. Und zwar deswegen, weil in China die Katholiken des Landes immer wieder neu in die Enge getrieben werden, sie öffentlich nicht auftreten können, Kreuze von Kirchendächern abgerissen werden und sie wie Menschen zweiter Klasse behandelt werden. Aber auch in anderen asiatischen Ländern wie etwa in Vietnam, Malaysia, Indien und Pakistan haben gerade Christen viel zu leiden.
DOMRADIO.DE: Sind das im weitesten Sinne auch Märtyrer?
Moll: Wenn Sie die drei Kriterien erfüllt haben, dass sie eines gewaltsamen Todes gestorben sind, wenn sie Zeugnis für Christus abgelegt haben und wenn sie bereit waren, für ihren Glauben zu sterben, dann sind sie Märtyrer und können in ein nationales Martyrologium aufgenommen werden.
DOMRADIO.DE: Was meinen Sie, warum nimmt die Verfolgung aufgrund von Religion zu, wenn zugleich viele Gesellschaften immer säkularer werden?
Moll: Die Tatsache, dass viele europäische Staaten völlig verweltlicht sind, führt dazu, dass der Glaube keine Bedeutung mehr hat. Er ist nur noch eine relative Größe, die man bei bestimmten Gelegenheiten braucht, aber dann abwirft. So kommt eine neue Welle der Gewalt gegen Christen auf, weil die Menschen meinen, auch als säkulare Menschen leben zu können. Und das führt dazu, dass am Ende auch die Religionen in einen "clash of civilizations" geraten – in ein Durcheinander und einen Konflikt der Religionen. Das führt zu Gewalt religiöser Art gegen die Christen.
DOMRADIO.DE: Tut die Politik genug zum Schutz religiöser Minderheiten?
Moll: In Europa fast gar nicht mehr. Man gibt sich zwar tolerant und jeder kann seiner Überzeugung nachfolgen. Aber wir wissen, dass insbesondere die Christen immer mehr in die Defensive gedrängt werden – sei es in der Öffentlichkeit, in der Presse, im Fernsehen, in Schulen, am Arbeitsplatz. Von dort aus gerät der christliche Glaube immer mehr in eine Ecke hinein.
DOMRADIO.DE: Dieser 22. August ist in diesem Jahr erstmals der Gedenktag für die Opfer religiöser Verfolgung. Kommt das nicht alles ein bisschen spät?
Moll: Ich bin dennoch froh, dass es überhaupt kommt. Es ist das erste Mal, dass die UN sagt, wir wollen einen Gedenktag für Opfer religiöser Gewalt einführen. Das will sagen, die Menschen können nicht machen, was sie wollen. Sie können nicht einfach sagen, du gehörst einer Sekte an und deshalb werden wir dich umbringen. Es ist ein Zeichen in die richtige Richtung, dass nun ein erster Gedenktag für Opfer religiöser Gewalt stattfindet.
Das Interview führte Carsten Döpp.