Christenverfolgung und die politische Verantwortung

"Religionsfreiheit muss öffentlich ausgelebt werden dürfen"

Über 200 Millionen Christen werden laut des christlichen Hilfswerks Open Doors aufgrund ihres Glaubens verfolgt – doppelt so viele wie vor einem Jahrzehnt. Was das für die Politik bedeutet, erläutert der Bundestagsabgeordnete Heribert Hirte.

Seinen Glauben in Freiheit leben – für viele ein nicht selbstverständliches Recht / © Francis R. Malasig (dpa)
Seinen Glauben in Freiheit leben – für viele ein nicht selbstverständliches Recht / © Francis R. Malasig ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wie beurteilen Sie die Schätzung von Open Doors, dass doppelt so viele Christen verfolgt werden wie vor 10 Jahren?

Prof. Heribert Hirte (Bundestagsabgeordneter der CDU und Vorsitzender des Stephanuskreises, der sich für verfolgte Christen in aller Welt einsetzt): Sicher ist möglich, dass sich die Zahl der verfolgten Christen erheblich erhöht hat. Wir bekommen immer wieder Berichte von Konvertiten, die wegen ihres Glaubens in erheblicher Weise verfolgt und bedrängt werden. Was konkrete Zahlen angeht, würde ich mich nicht ganz so festlegen wie Open Doors das gemacht hat, denn das ist immer mit gewissen Messungenauigkeiten behaftet. Wie misst und zählt man, ob jemand verfolgt ist? Das setzt entsprechende Rückmeldungen voraus. Das Entscheidende ist das Signal: Insgesamt steigt die Zahl derer, die wegen ihrer Religion diskriminiert und verfolgt sind. 

DOMRADIO.DE: Der Bericht von Open Doors beschreibt, dass die Situation der verfolgten Christen sich weiter verschlechtert hat. Wie hoch ist denn die Angst der Menschen, die ihren Glauben nicht offen leben können?

Hirte: Die Angst ist riesig – das ist das, was wir immer wieder aus Berichten hören. Dass man, wenn man seinen Glauben ausleben will – vor allen Dingen öffentlich und in Gemeinschaft ausleben will – von den jeweiligen Staaten in besonderer Weise, aber auch von Mitbürgern und Familienangehörigen bedrängt wird.

DOMRADIO.DE: Spielt das Thema Christenverfolgung für die Sondierungsgespräche eine Rolle?

Hirte: Indirekt spielt es natürlich eine Rolle. Wir (Anm. d. Red.: CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag) haben gefordert, dass wir einen Beauftragten für Religionsfreiheit einsetzen wollen, so wie wir das mit Jan Figel auf der Ebene der Europäischen Union schon haben. Eine ähnliche Institution wollen wir auch auf Regierungsebene bei uns verankern. Deshalb haben wir diesen Punkt auch in die Sondierungsgespräche eingebracht.

Ich bin zuversichtlich, dass wir da einen deutlichen Schritt weiterkommen. Wir haben auch in der letzten Legislaturperiode einen Bericht über die Lage der Religionsfreiheit weltweit vom Auswärtigen Amt erwirkt. Das wird sicher auch Gegenstand der Gespräche in der Zukunft sein, ist es bereits im Moment mit der SPD.

DOMRADIO.DE: Immer weniger Bundestagsabgeordnete bekennen sich zu einem Glauben. Was bedeutet das?

Hirte: Das ist das Zeichen, das ich immer wieder mit dem Wort "Entchristlichung" beschrieben habe: Dass wir nicht mehr in dem Maße in einer Gesellschaft leben, die ihre christliche Wurzeln offen nach außen trägt. Religion und insbesondere das Christentum, von dessen Wurzeln wir zehren, wird nicht mehr öffentlich zur Schau gestellt. Das ist ein Punkt, der uns einen Anlass zur Sorge geben sollte.

DOMRADIO.DE: Fehlt insgesamt das Fingerspitzengefühl, wie man mit verschiedenen Religionen und miteinander umgehen sollte?

Hirte: Ja, das ist ein Teil des Problems. Insofern sitzen alle Religionen in diesem Punkt möglicherweise sogar in einem Boot. Die Zahl derer – da nimmt Deutschland vielleicht sogar eine negative Vorreiterrolle ein –, die Religion insgesamt eher kritisch gegenüber stehen und sie nur als Privatsache ansehen, steigt doch deutlich.

Religionsfreiheit für mich, für unser Grundgesetz und für die Charta der Menschenrechte, ist ein Recht, das öffentlich ausgelebt werden darf und was auch die Gemeinschaft öffentlich ausleben darf und muss – ein Recht, das sich eben auch dadurch kennzeichnet.

Das Gespräch führte Dagmar Peters.


Prof. Heribert Hirte / © Gregor Fischer (dpa)
Prof. Heribert Hirte / © Gregor Fischer ( dpa )
Quelle:
DR
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