DOMRADIO.DE: Wie kam es zu dieser Kooperation zwischen dem Stadtkirchenverband, den Veranstaltern des Stadionsingens, dem Fußballverein und den Impfteams? Das waren ja ganz schön viele Leute.
Rainer Müller-Brandes (Stadtsuperintendent im evangelisch-lutherischen Stadtkirchenverband Hannover): Das stimmt. Also, man kennt sich in Hannover. Das ist wahrscheinlich so ähnlich wie in Köln. Wir hatten ökumenisch überlegt, so ein Stadionsingen erstmals zu machen - nicht so wie in Köln, wo es das schon länger gibt, in Hannover gab es das noch nicht -, aber ganz bewusst für einen guten Zweck.
Dann haben wir uns vor drei Wochen tief in die Augen geschaut. Ich habe Martin Kind (Geschäftsführer von Hannover 96, Anm. d. Red.) angerufen, ob das geht und der hat sofort zugesagt. Vor drei Wochen dann - ich war eigentlich der letzte Verfechter für das Singen - war klar, das passt einfach nicht in die Zeit. Daraufhin habe ich ihn noch mal angerufen und er hat gesagt, ihr könnt das Stadion haben. Und dann habe ich eigentlich nur drei Stunden telefoniert und sofort waren alle dabei. Alle haben sofort zugesagt, dass sie mitmachen.
DOMRADIO.DE: Wie viele Leute sind zum Impfen gekommen?
Müller-Brandes: Vom hiesigen Gesundheitsamt hatten wir zunächst 1.000 Impfdosen bekommen und dann, als die Online-Anmeldung losging, merkten wir, dass es deutlich mehr werden. Dann habe ich die örtliche Kinderklinik noch angerufen. Es waren dann am Ende über 600 Kinder zwischen fünf und elf Jahren. Insgesamt waren es ca. 2.000 Menschen. Wir mussten die Impfdosen deutlich erhöhen und hatten dann 23 Impfstraßen.
DOMRADIO.DE: Aber da freut man sich ja, dass man erhöhen muss.
Müller-Brandes: Das stimmt. Ich hatte naiv gedacht, lass uns das doch draußen unterm Dach machen. Aber es war viel zu kalt gewesen und deshalb waren wir räumlich ein bisschen limitiert. Aber es hat gut geklappt.
DOMRADIO.DE: Eigentlich hätten ja gestern Weihnachtslieder gesungen werden sollen. Wurde denn trotzdem für die weihnachtliche Stimmung gesorgt?
Müller-Brandes: Das war uns ganz wichtig. Wir hatten eine lange Schlange, die war 500, 700 Meter weit und da haben wir dann Kaffee, Kakao und Punsch kostenlos ausgegeben. Wenn man dann langsam Richtung Stadion reinkam, da hatten wir eine kleine Bühne aufgebaut. Es waren viele Profis aus der Kirchenmusik dabei, zum Beispiel eine Gospel-Kirche, die haben Musik gemacht. Aber wir haben auch klassische Weihnachtslieder gesungen.
Gleichzeitig wurden die Monitore über dem Spielfeld im Stadion mit einer Lasershow und weihnachtlichen Bildern bespielt. Im Eingang stand ein großes Wohnmobil mit einem Glücksrad für die Kinder, bei dem sie ein kleines Liederheft "Weihnachten zu Hause" von der Evangelischen Kirche bekommen haben. Das Liederheft lag heute auch sämtlichen Tageszeitungen in Norddeutschland bei. Also insofern war das, glaube ich, eine schöne Stimmung,
DOMRADIO.DE: Hatten Sie Kontakt mit den Menschen, die sich haben impfen lassen oder in der Schlange standen und noch gewartet haben?
Müller-Brandes: Ja. Wir hatten eine Etage für die Kinderklinik reserviert, das war ganz schön. Oben gibt es die VIP-Lounges, von denen aus man direkt auf das Stadion guckt, da waren die ganzen Kinder. Ich habe zum Beispiel mit einem vielleicht sechs Jahre alten Jungen gesprochen, der kam tatsächlich von 100 Kilometer entfernt angereist und sagte: "Ich bin ganz stolz. Ich freue mich auch, weil dann bin ich der erste in meiner Klasse, der geimpft ist."
DOMRADIO.DE: Der Hannover 96-Geschäftsführer,Martin Kind,hat die Aktion im Stadion ebenfalls unterstützt. Er hat gesagt, er finde es toll, dass der weihnachtliche Gedanke aufgenommen werden solle. Was hat denn das Impfen mit dem Weihnachtsgedanken zu tun?
Müller-Brandes: Ich glaube, in diesen Zeiten brauchen wir dringend eine frohe Nachricht. Ich werde morgen auf den Kanzeln stehen und davon erzählen. Das, was ich erzähle, zu tun, das hat gestern stattgefunden. Wir brauchen dringend einen Lichtblick in dieser Zeit und das war ein Lichtblick für ganz viele. Also wenn es uns gelingt, möglichst viele Menschen zu impfen, dann ist die Pandemie auch endlich mal schneller im Griff. Und dazu beizutragen ist genau richtig.
Wir als Kirche wollen bei den Sorgen, bei den Nöten der Menschen sein. Und das sind gerade die Nöte. Wir predigen nicht nur, sondern tun auch.
Das Interview führte Michelle Olion.