Der Direktor der Evangelischen Akademie Frankfurt, Thorsten Latzel, fordert einen fairen Lastenausgleich in der Corona-Krise, "damit wir als Gesellschaft nicht weiter auseinanderdriften". Von den Auswirkungen der Pandemie seien sozial Schwächere wirtschaftlich stärker betroffen, aber auch Kulturschaffende oder Selbstständige, sagte der 50-jährige Theologe dem Evangelischen Pressedienst (epd). In der Schule spiele die Frage der sozialen Herkunft eine noch größere Rolle. Auch das Problem der Einsamkeit und häusliche Gewalt nähmen zu. Die Krise sei jedoch auch eine Chance,"unseren Lebensstil ökologisch zu überprüfen".
Stellenwert der Seelsrge in der Pandemie
Bei der Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland in der kommenden Woche kandidiert Latzel für die Nachfolge von Präses Manfred Rekowski. Weitere Bewerber um das Spitzenamt der zweitgrößten deutschen Landeskirche sind der Theologieprofessor Reiner Knieling (57), Leiter des Gemeindekollegs der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), und die Superintendentin des Evangelischen Kirchenkreises An Sieg und Rhein, Almut van Niekerk.
In der Pandemie sieht Latzel die Kirche vor allem mit Seelsorge als "Muttersprache des Glaubens" gefragt: "Wir sind an der Seite der Kranken, Sterbenden, Trauernden, gerade auch in der Diakonie." In der Gesellschaft beobachte er Tendenzen einer sozialen und kommunikativen Spaltung, ein Grund sei die Blasenbildung in sozialen Medien. "Hier müssen wir Räume schaffen, um Begegnung und Dialog mit Andersdenkenden zu ermöglichen", sagte der frühere Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
"Vernetzt und innovativ"
Falls er an die Spitze der rheinischen Kirche gewählt wird, will sich Latzel für eine "weltoffene, gottvertrauende Kirche nahe bei den Menschen" einsetzen, "die sich stärker vernetzt, exemplarisch handelt und innovativ offen ist". Geistliche Kompetenz, Mitgliederorientierung und öffentliche Verantwortung müssten zusammengedacht werden, um den absehbaren Umbruch von Kirche aktiv zu gestalten.
Junge Menschen sollten nach Latzels Ansicht mehr Verantwortung erhalten und auch auf die Kanzeln geholt werden: "Allgemein lässt sich von Laien lernen, anders vom Glauben zu sprechen und aus Binnenmustern auszubrechen." Es gelte, neu von Jesus Christus zu reden, Strukturen weiter zukunftsfähig umzubauen und neue Formen von Beteiligung und Gemeinschaft zu entwickeln. Außerdem sollten Kirche und Diakonie "konsequent an der Seite derjenigen stehen, die sich für eine offene, gerechte Gesellschaft einsetzen".