DOMRADIO.DE: Um was geht es denn bei dieser Initiative zur Erinnerung an die Flucht der Heiligen Familie in Ägypten?
Bernhard Raspels (Redakteur der Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln): Für die ägyptischen Christen ist die Gegenwart Jesu in ihrem Land identitätsstiftend für ihr Christsein.
Sie sind der Überzeugung, dass dies eine Aussagekraft hat für alle Ägypter, jenseits ihrer Religionszugehörigkeit, dass alle Ägypter stolz darauf sein können, dass Jesus, der Sohn Gottes – oder für einen Muslim der Prophet Jesus – in ihrem Land gewesen ist und dort gewirkt hat.
DOMRADIO.DE: Jetzt sind die koptischen Christen in Ägypten in der Minderheit. Gibt es für sie irgendeine Unterstützung von staatlicher Seite?
Raspels: Nein, es gibt kein Geld vom Staatswesen, so wie wir es hier bei uns kennen . Es gibt eine Duldung, es gibt ein Wohlwollen im besten Falle. Nein, das muss alles aus privaten Mitteln gestützt werden.
Nun muss man aber sagen, dass die koptische Minderheit, die bis zu 10 % der Bevölkerung sein kann, in den verschiedenen Regionen oftmals zu der Mittelschicht oder zu den Besserverdienenden in Ägypten gehören.
Dementsprechend geben sie auch sehr reichlich und sehr gerne an ihre Klöster, an ihre Bischöfe und an ihre Kirchengemeinden.
DOMRADIO.DE: Bekommen die koptischen Christen Ägyptens denn bei ihrem Vorschlag, einen neuen nationalen Feiertag einzuführen, Hilfe staatlicherseits?
Raspels: Man sieht ja daran, dass es bis dato nicht umgesetzt wurde, dass es dort keine weitere Unterstützung gibt.
Aber es gibt natürlich den Tag des koptischen Weihnachtsfestes, den 7. Januar, der ein staatlicher Feiertag ist seit einiger Zeit. Der wird auch von den Kopten sehr gerne angenommen und begangen.
Viele von ihnen besuchen an diesem Weihnachtstag die Stationen, an denen Jesus in Ägypten gewesen ist, weil sie dann eben einen freien Tag haben – so wie auch viele koptischen Christen an muslimischen Feiertagen in die Klöster und Kirchen gehen, um sich an einem freien Tag dem Gemeindeleben zu widmen.
DOMRADIO.DE: Wenn die koptischen Christen und Christinnen die Stationen besuchen, dann gibt es quasi eine Fluchtroute der Heiligen Familie. Kann man das so sagen?
Raspels: Die gibt es sicherlich. Sie führt etwa von Alexandria am Mittelmeer hoch, das ganze Nildelta und seine verschiedenen Verästelungen entlang, dann über Alt-Kairo bis hin zur Mitte Ägyptens, Assiut, da wo der Süden Ägyptens beginnt, die verschiedenen Seitentäler, da wo die Wadis (Talähnliche Trockenbette von Wüstenflüssen, Anm. d. Red.) sind, wo die Klöster sich gegründet haben, da soll das Christuskind mit der Familie gewesen sein.
Dort gibt es dann natürlich auch entsprechende Pilgerstätten.
DOMRADIO.DE: Wie lange könnte die heilige Familie damals wohl unterwegs gewesen sein?
Raspels: Man spricht von drei Jahren. Das ist ganz einfach zu berechnen: Ungefähr 4 v. Chr. ist Herodes der Große gestorben.
Wenn man dann bedenkt, dass Jesus nach neueren Berechnungen um 7 v. Chr. geboren sein soll, kommt man ungefähr auf diese Zeitspanne.
DOMRADIO.DE: Mit einem alten Lastentier waren sie mutmaßlich unterwegs.
Raspels: Oder sogar in einem Kahn über den Nil und ansonsten sehr viel zu Fuß.
DOMRADIO.DE: Was mir aufgefallen ist bei Ihrem Artikel: ein Foto mit zwei koptischen Frauen, die beide einen Schleier tragen. Warum tragen Christinnen einen Schleier?
Raspels: In Ägypten trägt jede Christin einen Schleier, wenn sie in die Kirche geht. Sie tragen ihn aus Ehrfurcht vor Gott. Genauso wie ja in unseren Kirchen auch Frauen ein Hut tragen können. Da besteht kein Unterschied zu Muslimen.
Genauso wie ein Kopte niemals mit Schuhen in einen Kirchenraum oder einen Gebetsraum gehen würde. Sie ziehen immer erst draußen die Schuhen aus. Sie können daran, ob viele Schuhe vor der Tür stehen, erkennen, ob eine Kirche gut besucht ist.
Und bitte, wenn Sie dorthin gehen, nach Ägypten, in die Kirchen, dann ziehen Sie frische Socken an, saubere und gepflegte Socken und Schuhe, die sie leicht an und ausziehen können.
DOMRADIO.DE: Jetzt spielt bei uns die Szene rund um die Futterkrippe eigentlich die Hauptrolle zu Weihnachten. Das Jesuskind liegt in der Krippe, Ochs und Esel daneben und die Hirten kommen. Anders sieht es bei den Kopten aus.
Raspels: Natürlich sind auch bei den Kopten Krippendarstellungen gern gesehen. Aber die Fluchtszene – Josef, der den Esel führt und Maria mit dem Christuskind, die seitlich im Sitz auf diesem Esel sitzt – ist das Hauptmotiv, das man allerorten findet.
Und der Esel ist ja bis heute das Lasttier und Transportmittel auf dem Land. Ähnlich wie zur Zeit vor 2000 Jahren sieht man das immer wieder.
Das Interview führte Tobias Fricke.