DOMRADIO.DE: Mit welchen Hoffnungen und Erwartungen für die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt und auch für die Anerkennungsleistungen sehen Sie Ihre Aufgabe als Sprecher des Betroffenenbeirats im Erzbistum Köln entgegen?
Peter Bringmann-Henselder (Sprecher des Betroffenenbeirats im Erzbistum Köln): Wir führen eigentlich das weiter, was wir jetzt schon begonnen haben, dass wir die Aufarbeitung weiter nach vorne bringen. Ich sage immer, wir müssen das Fundament schaffen, um alles Weitere aufzubauen. Dazu zählen auch die Anerkennungsleistungen. Daran arbeiten wr auch, wie man die Betroffenen weiter begleitet. Unsere Forderung war ja gleich nach dem Gutachten: Hier muss was für die Betroffenen geschehen, was jahrzehntelang nicht gemacht wurde, dass man die Betroffenen wirklich in den Fokus stellt und sagt: Wir helfen euch jetzt mit diesem Leid, das ihr hier in den kirchlichen Einrichtungen erlitten habt.
DOMRADIO.DE: Thema Anerkennungsleistungen: Sie schlagen eine dezentrale Bearbeitung vor in den einzelnen Bistümern. Warum?
Bringmann-Henselder: Wenn die Deutsche Bischofskonferenz das zentral alles macht - ich kenne es aus dem Bund, von einer anderen Geschichte her - sind die Wartezeiten zu lang. Es geht zu der zentralen Stelle. Da muss man die Anerkennungsleistungen beantragen. Von dort aus geht es zurück zu dem Bistum, woher der Betroffene kommt. Und das Bistum schickt das ganze wieder zurück und dort entscheidet man, wie hoch und welche Leistung gezahlt wird. Dass das nicht so schnell vonstatten geht, ist in unseren Augen logisch. Macht das jedes Bistum selber nach den Vorgaben, wie es die unabhängige Kommission bei der DBK ja ausgearbeitet hat, sind diese Anträge wesentlich schneller zu erfüllen, als wenn es über die DBK läuft.
DOMRADIO.DE: Es wird auch eine zentrale staatliche Aufarbeitungskommission gefordert, so eine Kommission lehnen Sie eher ab. Warum?
Bringmann-Henselder: Matthias Katsch von der Vereinigung Eckiger Tisch sagt: Die Kirche schafft das nicht. Ich habe gesagt: Der Bund schafft das auch nicht. Also die staatlichen Stellen schaffen es auch nicht. Man sieht das immer wieder, dass die staatlichen Stellen ihre eigenen sexuellen Missbräuche in staatlichen Einrichtungen nicht bearbeitet bekommen. Wie will denn eine eine staatliche Stelle dann noch die kirchlichen Sachen bearbeiten?
DOMRADIO.DE: Sie sind jetzt schon seit längerem im Betroffenenbeirat des Erzbistums Köln. Nun wird die Bistumsleitung in Sachen Aufklärung sexualisierter Gewalt von vielen kritisiert. Wie erleben Sie denn die Zusammenarbeit mit der Bistumsleitung?
Bringmann-Henselder: Ich habe es schon immer so gehandhabt, auch bei der Aufarbeitung der ehemaligen Heimkinder: Ich muss mit den Verantwortlichen zusammen an dieses Thema herangehen. Und wenn man sachlich bleibt und mit den Leuten auch redet, kommt man wesentlich besser vorwärts, als wenn man hingeht und schimpft: Ihr habt, ihr habt, ihr habt. Da komme ich keinen Schritt weiter, da blockiert die andere Seite. Man kann nur miteinander reden und miteinander Vorschläge nach vorne bringen. Bisher sind unsere Vorschläge, die wir nach dem Gutachten gebracht haben, auch angehört worden und sogar in die Wege geleitet worden, ohne dass die Presse überhaupt davon Wind bekam. Das geht dann im Stillen nach vorne. Man kann mit den Sachen erst nach draußen gehen, wenn es durchgeboxt ist.
DOMRADIO.DE: Sie sind nun Sprecher des Betroffenenbeirats im Erzbistum Köln. Wie kann es denn auch gelingen, da Brücken zu bauen? Denn in der Vergangenheit hat es ja durchaus auch sehr kontroverse Auseinandersetzungen gegeben. Man muss ja wieder zusammenfinden, irgendwie.
Bringmann-Henselder: Es gibt bestimmte Medien, die - wie wir immer so schön sagen - schlagen drauf, egal was gemacht wird, egal ob es etwas Gutes ist. Man nimmt die negativen Sachen, die früher gewesen sind, und schlägt drauf. Ich bin der Meinung, man muss Transparenz zeigen. Das werden wir auch machen. Wir sind ja schon seit Herbst am arbeiten. Ich persönlich bin mit verschiedenen Pfarreien schon zu Gange gewesen, habe mit Jugendlichen gesprochen, die nicht mehr wussten: Was ist jetzt los? Stimmt das, was die Medien sagen? Oder sieht es anders aus? Oder können wir überhaupt noch etwas glauben? Und da gehe ich als Betroffener mit den Verantwortlichen, die mit Jugendlichen arbeiten, auch nach vorne und stehe denen Rede und Antwort auf die Fragen, die sie haben. Und da bin ich mir auch nicht zu fein zu sagen: Jawohl, da ist Mist gebaut worden. Aber gibt es in jedem Großbetrieb. Da geschehen so viele Fehler und die kann man nur dann ausmerzen, wenn man die selber erkennt und auch bearbeitet.
DOMRADIO.DE: Also miteinander reden, reden, reden, das ist die oberste Devise.
Bringmann-Henselder: Ja, genau. Ich finde es besser, als wenn man nach vorne geht und immer oben drauf schlägt und sagt: Sie haben, sie haben, sie haben. Da komme ich keinen Schritt weiter. Sondern für mich ist es wichtig, mit den Verantwortlichen diese Missstände aufzuarbeiten und daraus auch etwas zu entwickeln, was gemacht werden soll.
DOMRADIO.DE: Die katholische Kirche steckt in einer Krise, es geht auch um Macht. Wie kann es denn gelingen, diese sehr ernste Sache der Aufklärung sexualisierter Gewalt davon fernzuhalten?
Bringmann-Henselder: Für die Betroffenen ist das eine Abartigkeit, wenn diverse Gruppen den sexuellen Missbrauch für ihre politischen Zwecke benutzen. Sie nehmen den sexuellen Missbrauch, missbrauchen ihn noch mal für diese Zwecke. Die haben damit nichts zu tun. Sie sollen mal die Gruppen, die jetzt schon existieren - und das sind nicht wenige - endlich mal arbeiten lassen. Da muss erst einmal ein Jahr oder zwei Jahre vergehen, damit man sieht, was ist davon umgesetzt, was fruchtet, was fruchtet nicht? Was muss sich ändern innerhalb des Erzbistums? Die sollen uns endlich mal in Ruhe arbeiten lassen. Die Leute, die massiv auf die Kirche draufhauen, sind auch diejenigen, die diese Arbeit stark behindern und verhindern, dass es überhaupt nach vorne geht.
Das Interview führte Johannes Schröer.