In seiner vor kurzem unter dem Titel "Hoffe" veröffentlichten Autobiografie räumt Papst Franziskus den Erinnerungen an seine Familie viel Raum ein. Dankbar zeigt er sich für das harmonische Zusammenleben in seiner engeren Familie mit seinen Eltern und den vier Geschwistern.
Besonders liebevoll denkt er an seine Großmutter Rosa zurück, die ihm ihre piemontesische Muttersprache beibrachte und ihn in den christlichen Glauben einführte. Doch er verschweigt nicht, dass es auch in seiner Familie Konflikte und Zerwürfnisse gab: "Onkel, Cousins und Cousinen lagen im Streit miteinander, Zwistigkeiten zwischen verschiedenen Landstrichen Argentiniens oder zwischen Argentinien und Italien."

Besonders eingeprägt hat sich ihm die Erinnerung an einen Tag, an dem seine Eltern miteinander stritten. Das kam, wie er schreibt, zwar selten vor, doch an diesem Tag flogen die Fetzen. Danach legte sich sein Vater hin, seine Mutter nahm Tasche und Mantel und ging aus dem Haus. Der kleine Jorge war in diesem Augenblick fest davon überzeugt, dass die Mutter sie verlassen hatte. Er lief in den Garten und begann untröstlich zu weinen. Sein Schluchzen alarmierte die Nachbarin, der es nur mit Mühe gelang, ihn zu trösten.
Nicht vor den Kindern streiten
Dies ist der biografische Hintergrund für die Familienkatechesen des Papstes. Jungen Ehepaaren rät er, dass sie ruhig streiten können oder auch einen oder zwei Teller zerdeppern, wenn sie glauben, das helfe. Doch sie sollten dies nicht vor den Kindern machen und sich versöhnen, bevor der Tag zu Ende gehe. Denn die eigentliche Gefahr sei der "kalte Krieg" am Tag danach.

Dem Thema der Liebe in der Familie ist Franziskus' Apostolisches Schreiben "Amoris laetitia" aus dem Jahr 2016 gewidmet. Dem lateinischen Titel entsprechend geht er von der Freude der Liebe aus, die in Familien gelebt werde. Das Wohl der Familie sei entscheidend für die Zukunft der Welt und der Kirche; die Familie sei die erste Schule der menschlichen Werte und der Glaubensweitergabe.
Doch realistisch geht er auch hier auf die Schwierigkeiten und Herausforderungen ein, die sich Familien in der Welt von heute stellen. In Deutschland wird jede dritte Ehe geschieden. Dabei gibt es für den Papst Fälle, in denen die Trennung unvermeidlich, ja sogar moralisch geboten ist. Er betont, dass Geschiedene, die eine neue Verbindung eingegangen sind, weiterhin Teil der Kirche und auch nicht vom Empfang der Sakramente ausgeschlossen sind.
Kinder leiden im Stillen
Die besondere Sorge des Papstes gilt den Kindern, die keine Last der Trennung spüren dürfen. "Auch wenn die Kirche Verständnis hat für die Konfliktsituationen, welche die Ehen durchmachen müssen, darf sie doch nicht aufhören, Stimme der Schwächsten zu sein: der Kinder, die leiden, oft im Stillen."

Hier klingen wieder seine eigenen Kindheitserinnerungen durch, die Franziskus in seiner Autobiografie als Keimzelle für seine Idee einer "Kultur der Begegnung" bezeichnet: "Die Kultur der Begegnung verlangt von uns, dass wir nicht nur geben, sondern auch empfangen können, dass wir aus uns heraustreten, um zu Pilgern zu werden. Wenn wir unser Augenmerk auf die Begegnung zwischen den Menschen richten, auf das gemeinsame Gehen, dann können wir uns auch heftig streiten, wenn wir dabei respektvoll bleiben. Dann wird es uns aber auch leichtfallen, unsere Differenzen loszulassen und zu überwinden."