Ein lebendiges Zeichen des Wirkens des Heiligen Geistes ist, dass Gott auch heute junge Männer und Frauen zum Ordensleben und zu Priestern beruft. Wie in jedem Beruf bedürfen sie der Ausbildung und Begleitung. Dafür zuständig sind die Verantwortlichen in den Priesterseminaren und den Noviziaten.
Jesus selber hat viel Zeit in die Ausbildung seiner Jünger und Jüngerinnen investiert. Immer wieder berichten die Evangelien, wie er sie um sich versammelte und sie lehrte. Am wichtigsten war ihm, dass sie sich in den Dienst der Menschen und vor allem der Armen, der gesellschaftlich Ausgegrenzten und Stigmatisierten stellten. Sie sollten keine Herrscher, sondern Diener sein. Sie sollten Menschen heilen, sie aufrichten und von psychischen Belastungen befreien. Dies setzte voraus, dass sie selber gesund und menschlich reif waren.
Ganzheitliche Reifung der Person
Papst Franziskus unterstrich diese menschliche Dimension in einer Ansprache an die Teilnehmer eines Kurses für Rektoren und Ausbilder lateinamerikanischer Priesterseminare im Juni 2022. Wie alle christlichen Gläubigen hätten auch die Seminaristen und künftigen Priester ihre menschlichen Bedürfnisse und Schwächen.
Deshalb sei die menschliche Reife in der priesterlichen Ausbildung "nicht nur eine Schule der Tugend, des Wachstums der Persönlichkeit oder der persönlichen Entwicklung". Sie bedeute auch und vor allem eine ganzheitliche Reifung der Person, die durch die Gnade Gottes gestärkt werde.
Menschenfischer und gute Hirten
Weiter erinnerte Franziskus die Ausbilder daran, dass ihre Aufgabe nicht darin bestehe, "Übermenschen" auszubilden, die behaupten, alles zu wissen und sich selbst zu genügen. Sie bestehe vielmehr darin, "Menschen auszubilden, die in Demut den Weg gehen, den der Sohn Gottes gewählt hat, nämlich den Weg der Menschwerdung". Die wichtigste Rolle der Ausbilder bestehe darin, "mehr durch ihr Leben zu lehren als durch ihre Worte".
Die zweite Dimension in der Ausbildung künftiger Priester und Ordensleute ist die pastorale. Jesus hat seine Jünger dazu berufen, Menschenfischer und gute Hirten zu sein. Das bedeutet in erster Linie, die Menschen zu lieben und barmherzig mit ihren Schwächen und Grenzen umzugehen. Dabei geht es darum, die Menschenfreundlichkeit Gottes nachzuahmen, die ihren höchsten Ausdruck in der Fußwaschung beim letzten Abendmahl gefunden hat.
Festes und starkes Rückgrat
Die dritte Dimension ist die spirituelle. Jesus hat seine Jünger und Jüngerinnen angeleitet, im Gebet in einer lebendigen Beziehung mit Gott zu stehen. Dazu bedarf es Zeiten der Stille und der Zurückgezogenheit. Schließlich ist die vierte Dimension in der Ausbildung von Priestern und Ordensleuten die gemeinschaftliche. Auch für sie gilt das Wort der Bibel: "Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei". Gemeinschaft schafft Räume des Austauschs, des Vertrauens und gegenseitiger Stärkung und Ermutigung.
Pedro Arrupe, der frühere Generalobere der Jesuiten, wurde einmal gefragt, was er einem jungen Mann raten würde, der Jesuit werden wolle. Seine Antwort: "Komm, wenn der Wunsch, Christus zu dienen, im Zentrum deines Lebens steht. Komm, wenn du ein festes und starkes Rückgrat hast. Komm, wenn Du einen klaren Verstand, einen offenen Geist und ein Herz hast, das größer als die Welt ist. Komm, wenn Du einen Witz erzählen und mit anderen darüber lachen kannst... und gelegentlich auch über dich selbst."