Die Position der katholischen Kirche zur Todesstrafe ist ein Beispiel dafür, wie sich die kirchliche Lehre entwickelt und verändert hat. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts gab es kaum Zweifel an der grundsätzlichen Berechtigung der Todesstrafe.
Geschichtliche Entwicklung
Papst Innozenz III. verkündete im Jahr 1208 gegen die Waldenser als katholische Lehre: "Was die weltliche Gewalt betrifft, so erklären wir, dass sie ohne Todsünde ein Bluturteil vollstrecken kann, solange sie zum Vollzug der Strafe nicht aufgrund von Hass, sondern aufgrund eines richterlichen Urteils, nicht unvorsichtig, sondern überlegt schreitet." Auch Thomas von Aquin verteidigte die Todesstrafe als legitimen, sozialen Selbstschutz der Gesellschaft.
Der Weltkatechismus von 1992 ging im Zusammenhang mit dem Recht auf Notwehr auf die Todesstrafe ein: "Der Schutz des Gemeinwohls der Gesellschaft erfordert, dass der Angreifer außerstande gesetzt wird zu schaden. Aus diesem Grund hat die überlieferte Lehre der Kirche die Rechtmäßigkeit des Rechtes und der Pflicht der gesetzmäßigen öffentlichen Gewalt anerkannt, der Schwere des Verbrechens angemessene Strafen zu verhängen, ohne in schwerwiegendsten Fällen die Todesstrafe auszuschließen."
Nein zur Todesstrafe
Doch drei Jahre später behandelte Papst Johannes Paul II. in der Enzyklika "Evangelium vitae" das Thema Todesstrafe weitaus restriktiver. Sowohl in der Kirche als auch in der weltlichen Gesellschaft werde eine zunehmende Tendenz festgestellt, "die eine sehr begrenzte Anwendung oder überhaupt die völlige Abschaffung der Todesstrafe fordert". Wie der Weltkatechismus erwähnt die Enzyklika in "schwerwiegendsten Fällen" die Todesstrafe als letztes Mittel zum sozialen Selbstschutz der Gesellschaft. Aber dann heißt es: "Solche Fälle sind jedoch heutzutage infolge der immer angepassteren Organisation des Strafwesens schon sehr selten oder praktisch überhaupt nicht mehr gegeben."
Daran anschließend veränderte Papst Franziskus mit der ihm eigenen Konsequenz 2018 den entsprechenden Abschnitt im Weltkatechismus. Die Kirche lehrt nun "im Licht des Evangeliums", "dass 'die Todesstrafe unzulässig ist, weil sie gegen die Unantastbarkeit und Würde der Person verstößt'". Außerdem setzt sie sich "mit Entschiedenheit für deren Abschaffung in der ganzen Welt ein".
Auch in seiner Enzyklika "Fratelli tutti" von 2020 über die menschliche Geschwisterlichkeit äußert Papst Franziskus ein entschiedenes Nein zur Todesstrafe. Er geht noch einen Schritt weiter und lehnt die lebenslange Freiheitsstrafe als "versteckte Todesstrafe" ab. Deshalb ruft er alle Christen und Menschen guten Willens auch dazu auf, für eine Verbesserung der Lebensbedingungen in den Gefängnissen zu kämpfen.
Gute Gründe gegen die Todesstrafe
Unter den zahlreichen Argumenten gegen die Todesstrafe unterstreicht er die Möglichkeit des Justizirrtums und den Gebrauch, den totalitäre Regime von ihr machen. So wurden in den USA im 20. Jahrhundert mit Sicherheit 32 Menschen unschuldig hingerichtet. Totalitäre und diktatorische Regime setzen die Todesstrafe als Mittel zur Unterdrückung politischer Opposition oder zur Verfolgung religiöser und kultureller Minderheiten ein.
Aus gläubiger Sicht ist das stärkste Argument gegen die Todesstrafe die unveräußerliche Würde jeder menschlichen Person, die in ihrer Gottebenbildlichkeit begründet liegt: "Nicht einmal der Mörder verliert seine Personenwürde, und Gott selber leistet dafür Gewähr." Jesus hat jeder Form von bewaffneter Gewalt eine Absage erteilt und dem mit ihm gekreuzigten Verbrecher das Paradies verheißen.