Woher die unterschiedlichen Martinsbräuche kommen

Das "I" macht den Unterschied

Die einen ziehen Sankt Martin hinterher, die anderen sprechen von Martini. Was ist der Unterschied zwischen den beiden Martins? Und warum ziehen manche Kinder von Tür zu Tür und bekommen Süßigkeiten?

Sankt Martin zu Pferd / © Rolf Vennenbernd (dpa)
Sankt Martin zu Pferd / © Rolf Vennenbernd ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wir haben Martini und Martin. Geschichtlich betrachtet: Wo liegen jeweils die Ursprünge?

Vera Döhner (Religionslehrerin am Bertha von Suttner-Gymnasium Andernach): Der ältere Martin ist der katholische Sankt Martin, der Anfang des 4. Jahrhunderts dem Bettler seinen Mantel gab und danach in der Nacht den Traum hatte, dass der Bettler Jesus war. Damit ist Martin zum Vorbild der Nächstenliebe geworden.

Der andere Martin kam erst im 18. Jahrhundert als das protestantische Gegengewicht zum römisch-katholischen Nikolaus-Kult ins Spiel. Ein weiterer Ursprung geht auf das 19. Jahrhundert zurück, als der evangelische Martin Luther ins Zentrum dieses Brauchtums gerückt wurde. Ausschlaggebend war die 300-Jahr-Feier der Reformation. Zentrum der Reformation war ja, dass er das Papsttum nicht anerkannt hatte. So kam es zu diesen beiden Martins, dem katholischen Sankt Martin und dem evangelischen Martin Luther.

DOMRADIO.DE: Sie selbst haben die Jugend in Ostfriesland und im Emsland verbracht. In Norddeutschland sind die Menschen häufig eher evangelisch und pflegen das Martini-Brauchtum. Was passiert in diesen Regionen dann am 10. November?

Döhner: Es gibt keinen Martin auf dem Pferd mit Mantel und der nachgemachten römischen Rüstung. Die Laternenumzüge finden aber statt. Die Kinder gehen herum, singen, gehen an die Haustüren oder auch in Läden und singen auch dort und bekommen dann Süßigkeiten. Das habe ich auch im eigentlich katholischen Papenburg erlebt, das im Grenzgebiet zwischen Emsland und Ostfriesland liegt. Papenburg ist streng genommen Sank-Martin-Region. Letztlich war dort aber Martini die Hauptfigur.

Ich habe auch ganz andere Martinslieder kennengelernt wie "Martinus Luther war ein Christ". Das würde man hier auf dem Martinszug wahrscheinlich nicht singen. Oder "Horch durch das Wintersturmgebrause" kennt hier auch kein Mensch. Als ich in Andernach meine ersten Martinszüge erlebt habe, war das dann doch ganz anders.

DOMRADIO.DE: Woher kommt dieser Brauch mit dem Ziehen von Haus zu Haus und den Süßigkeiten?

Döhner: In Ostfriesland wurden die Landarbeiter und das Dienstpersonal der bessergestellten höheren Herrschaften in die Winterpause entlassen. Das bedeutete, dass sie ab dem ersten Tag auch kein Einkommen mehr hatten. Sie haben dann ihre Kinder betteln geschickt, die mit Laternen von Haus zu Haus gezogen sind.

Sie haben dann Pfeffernüsse, ein herbstliches oder vorweihnachtliches Gebäck, und Äpfel bekommen. Diese Laternen hießen und heißen immer noch "Kipp Kapp Kögel". Wie es dazu kommt, weiß ich nicht, aber es ist auf jeden Fall ein schönes Wort.

DOMRADIO.DE: Die Coronavirus-Pandemie macht weiterhin Probleme, trotzdem finden viele Martinszüge statt. Wie ist das in Andernach? Auf was können sich Kinder und Eltern dort freuen?

Döhner: Bei uns in der Kernstadt zog schon am 7. November der Martinszug durch. In den Ortsteilen werden vom 10. bis 13. November die Züge durch die Straßen ziehen. Das ist der klassische Zug mit dem Martin auf dem Pferd und Musikgruppen, der einen bestimmten Weg lang geht. Dabei wird gesungen und hinterher bekommen die Kinder die Martinsbrezeln. Die habe ich auch erst in Andernach kennengelernt.

Das Interview führte Carsten Döpp.


Quelle:
DR