Das ist der Stand des Osnabrücker Missbrauchsgutachtens

"Wir sind auf aktive Meldungen angewiesen"

Vor vier Monaten veröffentlichte die Universität Osnabrück ihren Zwischenbericht über den Umgang mit sexuellem Missbrauch im Bistum Osnabrück seit 1945. Wie geht es nun weiter? Das erklärt der Koordinator der Forschungsgruppe.

Blick auf den Osnabrücker Dom / © Christian Se (shutterstock)
Blick auf den Osnabrücker Dom / © Christian Se ( shutterstock )

KNA: Wie viele Menschen haben sich seit der Veröffentlichung Ihres Zwischenberichts am 20. September und Ihren darauf folgenden Aufrufen gemeldet?

Jürgen Schmiesing, Koordinator der interdisziplinären Forschungsgruppe "Sexualisierte Gewalt im Bistum Osnabrück seit 1945" an der Universität Osnabrück / © Matthias Petersen/Kirchenbote (KNA)
Jürgen Schmiesing, Koordinator der interdisziplinären Forschungsgruppe "Sexualisierte Gewalt im Bistum Osnabrück seit 1945" an der Universität Osnabrück / © Matthias Petersen/Kirchenbote ( KNA )

Jürgen Schmiesing (Koordinator der Forschungsgruppe "Sexualisierte Gewalt im Bistum Osnabrück"): Bisher waren es rund 25 Personen als Betroffene oder sogenannte Bystander aus dem Umfeld der Tatvorwürfe. Die Kontaktaufnahmen laufen unterschiedlich, oft per E-Mail oder telefonisch.

Für das eingehende Gespräch suchen wir nach Möglichkeit den persönlichen Kontakt. Einige legten Wert darauf, dass ihr Umfeld oder auch ihre Familie nichts davon erfahren. Es kostet Überwindung, sich zu melden; in einem kleinen Ort etwa ist das besonders schwierig.

KNA: Wer waren die Personen?

Schmiesing: Zu einem Großteil handelte es sich um Menschen, die direkt von sexuellen Übergriffen betroffen sind. Einzelne meldeten sich auch für ihre alten oder schon gestorbenen Angehörigen und erzählten, was sie von denen wussten. Einige stammten aus dem erweiterten Umfeld und berichteten, wie sie einen Fall, den Umgang und die Diskussion darüber erlebt haben.

KNA: Mit welchen Anliegen?

Schmiesing: Hier stoßen zwei Ebenen aufeinander. Es kann sein, dass Personen ihre Mitteilungen an uns mit einem praktischen Anliegen verbinden. Als Forschende können wir aber eben nur anbieten, dass wir zuhören und so besser verstehen, wie es zu diesen Taten gekommen ist.

Viele Meldende möchten auch ausdrücklich einen solchen Beitrag zur Forschung leisten.

KNA: Gibt es Schwerpunktregionen, aus denen Sie Rückmeldungen erhalten?

Schmiesing: Eigentlich aus fast allen Regionen des früheren großen Bistums Osnabrück, also vom Emsland bis Mecklenburg.

KNA: Wie gehen Sie weiter vor?

Akten in einem Archiv / © Julia Steinbrecht (KNA)
Akten in einem Archiv / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Schmiesing: Neben intensivem Aktenstudium wartet unser Team auf Rückmeldungen auf unsere Aufrufe. Gleichzeitig überlegen wir, wie und wo wir noch weitere Aufrufe sinnvoll platzieren können. Es ist schwierig, Menschen in bestimmten Orten gezielt anzusprechen. Anhand von diözesanen Akten können wir das nicht tun, einerseits aus Gründen des Datenschutzes, andererseits wegen forschungsethischer Bedenken.

Wir sind daher auf aktive Meldungen angewiesen.

KNA: Mit wie vielen Personen rechnen Sie? Wie viele müssten es sein?

Schmiesing: Das lässt sich zahlenmäßig nicht ausdrücken. Wir sind dankbar für jede Meldung. Wir werben um Vertrauen, streuen Infos zum Angebot. Aber wir können und wollen niemanden zwingen, sich bei uns zu melden.

KNA: Gibt es aus den weiteren Gesprächen schon neue Erkenntnisse?

Schmiesing: Selbstverständlich. Mitunter ergeben sich für uns aus solchen Kontakten auch neue Fragestellungen. Etwa: Wie war es, wenn ein Priester neu in eine Gemeinde kam, aus der sein Vorgänger wegen Missbrauchsvorwürfen entfernt wurde? Wurde der Nachfolger informiert? Begegnet er Misstrauen, wenn Vorwürfe oder Gerüchte gegen Vorgänger bekannt waren?

KNA: Wann können wir mit der Gesamtstudie rechnen?

Schmiesing: Die Gesamtstudie soll nach Abschluss des Projekts veröffentlicht werden, voraussichtlich im August 2024. Ein weiterer Zwischenbericht ist im Moment nicht vorgesehen, eventuell werden aber vorab Teilergebnisse veröffentlicht.

Das Interview führte Roland Juchem.

Studie: Pflichtverletzungen des Bistums Osnabrück bei Missbrauch

Auch im Bistum Osnabrück haben Bischöfe und andere Verantwortliche jahrzehntelang nicht angemessen auf Hinweise zu sexuellem Missbrauch reagiert. Dies belegt eine Studie der Universität Osnabrück, die nun vorgestellt wurde. Zudem seien die Rechte Betroffener bis in die jüngste Zeit oft verletzt worden.

In den vergangenen Jahren habe es aber nur noch wenige Verstöße gegen Pflichten des Bistums gegeben.

Sonnenschein am Dom zu Osnabrück / © Nicolas Ottersbach (DR)
Sonnenschein am Dom zu Osnabrück / © Nicolas Ottersbach ( DR )
Quelle:
KNA