Warum Homosexuelle Priester werden können

"Das ist nichts Sensationelles"

Ist Homosexualität ein Auschlusskriterium für Priesteramtskandidaten? Das Erzbistum Paderborn sieht das nicht so. Vielmehr komme es auf die Einhaltung des Zölibats an. Eine Sensation? Mitnichten, sagt einer, der es wissen muss.

Sexuelle Lebensweise wichtiger als die sexuelle Orientierung / © Cristian Gennari (KNA)
Sexuelle Lebensweise wichtiger als die sexuelle Orientierung / © Cristian Gennari ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wie bahnbrechend ist denn der Paderborner Vorstoß?

Hartmut Niehues (Regens des Priesterseminars in Münster und Vorsitzender der Deutschen Regentenkonferenz): Das, was jetzt durch die Medien geht und was von Paderborn berichtet wird, ist gar nichts Neues und schon gar nichts Sensationelles! Ein Problem ist, dass es leider nicht gelingt, in manchen Medien die Dinge differenziert darzustellen. Die plakativen Überschriften, die dann durchs Land gehen, verkürzen leider bis hin zur Missverständlichkeit.

DOMRADIO.DE: Die Bildungskongregation im Vatikan fordert allerdings den Ausschluss von Männern mit "tief sitzenden homosexuellen Tendenzen". Wie definiert man denn sowas?

Niehues: Ich bin fest davon überzeugt, dass die Kollegen in allen Bistümern in Deutschland auf der Grundlage der Rahmenordnung für die Priesterbildung und damit auch in Übereinstimmung mit der Rahmenordnung, die von Rom vorgegeben ist, arbeiten. Der Begriff der "tiefsitzenden Tendenzen" stammt ursprünglich aus der "Instructio" von 2005 und ist dann 2016 in der neuen Rahmenordnung für die Priesterbildung in der ganzen Welt wiederholt und zitiert worden.

Dieser Begriff der "tiefsitzenden Tendenzen" ist auf jeden Fall erklärungsbedürftig. Ich gehe davon aus, dass das auch von den Autoren selber so beabsichtigt war, dass es da eine Deutung braucht. Zunächst einmal stellen wir fest, dass es Menschen gibt, die homosexuell empfinden, genauso wie es auch heterosexuell empfindende Menschen gibt. Und so, wie das für heterosexuell empfindende Menschen eine Frage ist, ob die Orientierung sie so prägt und so bestimmt, dass sie ihre Orientierung praktizieren wollen und müssen, so stellt sich diese Frage auch für Menschen, die homosexuell empfinden. Es geht also dabei um die Interpretation des Begriffes "tiefsitzend" und damit um die Unterscheidung von Orientierung und Praxis.

Priester in der katholischen Kirche verpflichten sich zum Zölibat, das ist ganz klar. Und damit ist die Frage, ob einer zölibatär leben kann und will, die entscheidende Frage.

DOMRADIO.DE: In Paderborn gibt es in der Priesterausbildung regelmäßige Gespräche mit den Bewerbern über die sexuelle Orientierung. Ist das ein Standard in jedem deutschen Bistum?

Niehues: Das ist auf jeden Fall Standard in jedem deutschen Bistum, das kann ich sicher so sagen. Es ist ja auch noch einmal Thema geworden im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit der Missbrauchsthematik, die Frage nach der menschlichen Reife der Kandidaten. Da sind wir sehr aufmerksam und da müssen wir natürlich auch weiter daran arbeiten. Das ist überhaupt keine Frage. Aber ich gehe davon aus, dass wir tatsächlich auch da einen gemeinsamen Standard haben in Deutschland, dass die Frage nach der sexuellen, psychosexuellen und affektiven Reife der Kandidaten immer wieder thematisiert wird.

Schon im ersten Gespräch, wenn ein Interessent kommt und sich meldet, spreche ich dieses Thema an. Ich frage nicht nach der Orientierung im Sinne von: "Wie sind Sie orientiert?". Sondern ich stelle die Frage: "Haben Sie sich schon mit ihrer Orientierung auseinandergesetzt?" Und dann ist klar, dass dieses Thema auf dem Tisch liegt. Damit will ich sofort signalisieren - und ich mache das dann auch offen -, dass bei uns in der Priesterausbildung in jedem Fall die Frage nach der Auseinandersetzung mit der Sexualität kein Tabuthema ist, sondern von unserer Seite immer wieder neu ins Spiel gebracht wird.

DOMRADIO.DE: Ein Bekenntnis zur eigenen Sexualität ist in vertraulichen Gesprächen etwas anderes als ein öffentliches "Coming out". Würden Sie denn Priestern angesichts der etwas diffusen Lage in der Kirche nach wie vor von sowas abraten?

Niehues: Ich habe da keine Empfehlung zu geben, aber ich fände es komisch. Als heterosexuell orientierter Mensch oder als homosexuell orientierter Mensch muss ich meine Orientierung nicht auf der Stirn tragen. Das ist nicht notwendig. Ich glaube, dass das auch nicht hilfreich ist. Und deswegen würde ich eher sagen, nein, das ist nicht angebracht an dieser Stelle.

DOMRADIO.DE: Papst Franziskus äußert sich immer wieder unterschiedlich zur Homosexualität. Einmal will er Homosexuelle nicht verurteilen, ein anderes Mal bezeichnet er Homosexualität als Modeerscheinung. Wie sehen Sie den Kurs des Papstes?

Niehues: In dem kürzlich erschienenen Interviewbuch des Papstes kann man schon deutlich nachlesen, dass Papst Franziskus feststellt, dass es unter den Priestern - und er bezieht sich ja auch ausdrücklich auf Ordensleute allgemein - homosexuell empfindende Menschen gibt. Er schärft dann in diesem Zusammenhang ausdrücklich ein, dass auch für diese zölibatär Lebenden das Versprechen gilt, das sie gegeben haben, nämlich ehelos keusch zu leben. Ich verstehe den Papst so, dass das für ihn der entscheidende Punkt ist.

Das Interview führte Julia Reck.


Hartmut Niehues, ehemaliger Regens des Priesterseminars im Bistum Münster. / © Martin Schmitz (KNA)
Hartmut Niehues, ehemaliger Regens des Priesterseminars im Bistum Münster. / © Martin Schmitz ( KNA )
Quelle:
DR