Bevor die Freiheit gefeiert wird, steht das Reinemachen an: An diesem Freitag, an dem Christen Karfreitag begehen, startet das jüdische Pessachfest. Familien und Freunde setzen sich zum festlichen Mahl zusammen. Davor haben die Gastgeber das gemacht, was Daniel Lemberg "sozusagen einen Frühjahrsputz" nennt.
Das Haus oder die Wohnung wird gründlich gesäubert, in verschiedener Hinsicht. Nicht nur in Israel, auch in der jüdischen Diaspora, also auch in Deutschland. "Das Reinigen geschieht so wie in Israel auch", sagt Lemberg, der bei der orthodox geführten Einheitsgemeinde in Köln Friedhofsverwalter ist. "Nicht nur orthodoxe, auch viele liberale Juden machen das."
Befreiung aus der Sklaverei
Pessach erinnert an die Befreiung aus der Sklaverei und das Wunder des Auszugs des Volkes Israel aus Ägypten. Im Gedenken an den Zug durch die Wüste und die Eile bei der Vorbereitung werden an dem achttägigen Fest, das außerhalb von Israel in diesem Jahr bis zum 27. April dauert, nur ungesäuerte Brote (Mazzen) gegessen. Der Genuss und Besitz von allem auf Getreide basierendem Gesäuerten ist nicht gestattet.
Daher beginnen Juden schon lange vor dem Fest, sogenanntes Chamez, Gesäuertes, aus ihrem Heim zu verbannen und dieses "koscher für Pessach" zu machen. Dazu gehört gründliches Reinigen und Aufräumen, denn als Chamez gelten außer Brot auch andere Speisen und Getränke, die man häufiger im Haus hat: Cerealien, Kuchen, Kekse, Pizza, Pasta und Bier.
Wer wie eine Synagogengemeinde oder ein Lebensmittelhändler zuviel solcher Produkte besitzt, als dass er sie einfach aufessen könnte, verkauft sie an einen Nichtjuden. Wenn Pessach vorbei ist, kauft er sie dann wieder zurück. Solche Transaktionen können über einen örtlichen Rabbiner geschehen, auch per Internet.
"Vor Pessach hat jede Frau Stress"
Juden werden angehalten, spezielles Geschirr und Besteck für Pessach zu besitzen. Wer das nicht hat, benutzt Einweggeschirr und "kaschert": Kochgeschirr wird in kochendes Wasser getaucht und Öfen erhitzt, um sie frei von Gesäuertem zu machen. Am Vorabend von Pessach wird das Sedermahl begangen, bei dem die biblischen Passagen vom Auszug aus Ägypten gelesen und Speisen symbolischer Bedeutung gegessen werden.
All das klingt nach ziemlich viel Arbeit. "Vor Pessach hat jede Frau Stress", sagte Miriam Miller jüngst der "Jüdischen Allgemeinen". Sie ist Koordinatorin des "Eishet Chayil"-Programms des Rabbinerseminars zu Berlin, ein Weiterbildungs- und Vernetzungsprogramm für Ehefrauen von Rabbinern. Miller betont aber auch: "Der Mann und die Kinder sollten definitiv mithelfen."
Geht das eigentlich, in Deutschland all die Regeln und Empfehlungen zu Pessach einzuhalten? "Damit kann man sich sehr gut arrangieren", sagt Lemberg: "Man hält sich einfach mal eine Woche von Chamez fern." Und freue sich am Ende von Pessach wieder auf Nudeln und Co.
"Wir alle haben unsere eigene Sklaverei"
Christen dürfte eine solche Vorfreude bekannt vorkommen, wenn sie nämlich nach dem Ende der 40-tägigen Fastenzeit an Ostersonntag wieder Fleisch, Süßigkeiten oder Alkohol zu sich nehmen, sofern sie darauf verzichtet haben. Doch davor kommt erst noch Karfreitag. Er ist neben Aschermittwoch der einzige Tag, der in der katholischen Kirche als strenger Buß- und Fasttag gilt.
Nach den Worten des Berliner Rabbiners Jonah Sievers ist an Pessach die Kernaussage nicht nur, "dass wir die Sklaverei hinter uns gelassen haben". Eine Aufforderung laute auch, "dass man sich in jeder Generation so ansehen möge, als ob man selbst aus Ägypten ausgezogen wäre." Sievers nennt das eine große Herausforderung: "Wir leben in Freiheit, ja viele von uns sind in Freiheit geboren und haben nie wirkliche Unfreiheit kennengelernt." Daher müsse Empathie trainiert werden, die nötig für ein gemeinschaftliches Leben sei.
Im Sinne der Freiheit sieht Miller auch den aufwendigen Pessachputz: Er sei eine "spirituelle Angelegenheit". Man befreie sich von etwas, nicht nur von Materiellem. "Wir alle haben unsere eigene Sklaverei - Dinge, die uns deprimieren und mit denen wir fertigwerden müssen."
Von Leticia Witte