Jüdischer Karnevalsverein zur Kippa-Debatte

"Das kann einem überall passieren"

Ist das Tragen der Kippa in der Öffentlichkeit gefährlich? Darüber diskutiert Deutschland. Die Kopfbedeckung im Namen trägt der jüdische Karnevalsverein "Kölsche Kippa Köpp". Dessen Präsident hat eine aufrüttelnde Antwort auf die Frage.

Kölsche Kippa in der Synagoge / © Julia Steinbrecht (KNA)
Kölsche Kippa in der Synagoge / © Julia Steinbrecht ( KNA )

DOMRADIO.DE: Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, hatte gesagt, dass er Juden in Deutschland nicht empfehlen könne, jederzeit überall in Deutschland die Kippa zu tragen. Ihr Karnevalsverein trägt die Kippa im Namen. Wie sieht es bei Ihnen persönlich aus? Tragen Sie öffentlich die Kippa oder beschränken Sie das auf die Synagoge?

Aaron Knappstein (Präsident des jüdischen Karnevalsvereins "Kölsche Kippa Köpp"): Ich persönlich beschränke das auf die Synagoge. Denn die Kippa ist nun mal primär ein religiöses Zeichen. Sie wird vor allen Dingen - wenn überhaupt - von religiösen Juden in der Öffentlichkeit getragen. Dazu würde ich mich jetzt nicht so zählen. Daher trage ich sie ausschließlich in der Synagoge.

DOMRADIO.DE: Wie schätzen Sie die Warnung des Antisemitismusbeauftragten Felix Klein ein? Ist es als Jude in Deutschland gefährlich, die Kippa öffentlich zu tragen?

Knappstein: Erst einmal fand ich es ganz gut, dass er das so ausgesprochen hat. Denn ich denke, es hat einiges wachgerüttelt. Das ist schon sehr, sehr wichtig. Ich verstehe aber auch die Reaktionen aus der Politik und des NRW-Innenministers Herbert Reul.

Aber das eine ist die Politik und das andere ist die persönliche Situation der Menschen, die Kippa auf der Straße tragen. Ich weiß von Freunden und Bekannten, dass es immer wieder Probleme gibt. Natürlich soll es keine "No-Go-Areas" geben. Aber es ist so, dass man, wenn man nicht irgendwie angefeindet wird, dann doch mal schräg angeschaut wird. Oder plötzlich steht einem jemand im Weg. Daher kann ich es schon sehr, sehr gut verstehen, dass man es auch mal ganz klar benennt.

DOMRADIO.DE: Wo kommt es denn vor, dass Juden in Deutschland in Bedrängnis geraten? Gibt es da irgendwelche Schwerpunktbereiche?

Knappstein: Das möchte ich so nicht benennen. Da würde man wahrscheinlich auch den Leuten unrecht tun.

Ich denke, dass es ein grundsätzliches Problem gibt, dass sich die Menschen mehr trauen, den Antisemitismus sozusagen auch öffentlich zu leben. Das sehen wir auch in den jüdischen Gemeinden. Die Beschimpfungen, die zum Beispiel schriftlich oder per Mail ankommen, waren früher anonymisiert. Heutzutage unterschreibt da der Antisemit mit vollem Namen und gerne auch mit Titel.

Es zeigt sich, dass sich in der Gesellschaft einiges zum Negativen ändert. Das ist, glaube ich, überall in der Stadt so. Da kann man nicht sagen, dass es an der einen Stelle schlimmer ist als an der anderen. Daher kann einem das überall passieren.

Von zwei Freunden weiß ich, dass es auf der Kölner Domplatte vorgekommen ist. Und das ist keine "No-Go-Area".

DOMRADIO.DE: Was sind das für Leute, die da antisemitisch werden - Sind das Rechtsextreme? Nimmt Antisemitismus auch unter Migranten zu?

Knappstein: Es ist sicherlich so, dass es Menschen gibt, die das eine ganze Zeit in sich getragen haben. Das war zu der Zeit, wo man damit weniger nach außen treten konnte ohne sicher zu sein, wie die Menschen links und rechts von einem reagieren.

Ich glaube, dass es Menschen gibt, die schon lange in Deutschland sind oder hier geboren wurden und jetzt denken: "Oh, jetzt traue ich mich das mal. Jetzt gehe ich mal voran."

Man sollte nicht verhehlen, dass es auch unter den Migranten eine große Anzahl von Menschen gibt, die mit antisemitischen Klischees aufgewachsen sind. Ihre ganze Schulzeit und ihr ganzes Leben waren sie damit konfrontiert. Jetzt sind sie hier in Deutschland und müssen erst einmal lernen, was wir in unserer Gesellschaft wollen und was wir leben. Man sollte da in jede Richtung die Augen offen halten. Es gibt ja auch immer noch den linken Antisemitismus, der in der linken Szene stärker wird.

DOMRADIO.DE: Wie gehen Sie damit um? Der Rückzug ins Private oder das Verstecken der Kippa ist doch eigentlich eine falsche Reaktion, oder?

Knappstein: Ja, da haben Sie Recht. Ich bin auch jemand, der eigentlich ganz klar nach vorne geht und sagt: "Jetzt erst recht!"

Aber man muss auch jeden einzelnen verstehen, der vielleicht alleine mit der Kippa auf dem Kopf von der Synagoge nach Hause geht und diese Ängste ganz persönlich erlebt. Deswegen ist es leicht zu sagen: "Jetzt erst recht!" Es ist eine persönliche Entscheidung.

Vor allen Dingen ist es aber auch die Aufgabe jedes einzelnen in unserer Stadt, hinzuschauen, hinzuhören und den Mund aufzumachen. Man muss den Leuten ganz klar sagen, dass Antisemitismus gar nicht geht und hier sofort Schluss ist. Das brauchen wir noch mehr. Manchmal ist dies recht schwierig, aber da müssen noch mehr Menschen den Mund aufmachen. Ich glaube, dann wird es auch funktionieren.

DOMRADIO.DE: Der Appell geht jetzt an alle. Richten Sie den auch noch mal ganz besonders an die Katholikinnen und Katholiken im Erzbistum Köln?

Knappstein: Ich weiß von den jüdischen Gemeinden und auch durch den Karnevalsverein, wie nah uns die katholische Gemeinde in Köln steht und wie wichtig es ist, eine gute Beziehung zwischen den Katholiken und der jüdischen Gemeinschaft zu haben. Daher bin ich natürlich heilfroh für jeden einzelnen, der aufsteht und sagt: "Bis hierhin und nicht weiter!" Gerade natürlich auch unter den Katholiken.


Aaron Knappstein, Präsident des jüdischen Karnevalsvereins "Kölsche Kippa Köpp" / © Julia Steinbrecht (KNA)
Aaron Knappstein, Präsident des jüdischen Karnevalsvereins "Kölsche Kippa Köpp" / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
DR