Prozess zum Finanzskandal im Vatikan wird fortgesetzt

"Das kann sich sehr lange hinziehen"

Veruntreuung, Korruption und Amtsmissbrauch. So lauten die Vorwürfe beim größten Strafprozess in der Geschichte des Vatikans. Nach einer längeren Pause geht das Verfahren nun weiter. Was ist von dem Prozess zu erwarten?

Gerichtsprozess zum vatikanischen Finanzskandal / © Vatican Media (KNA)
Gerichtsprozess zum vatikanischen Finanzskandal / © Vatican Media ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wie weit war man damals beim Prozessauftakt im Juli gekommen?

Prof. Ralph Rotte (Professor für Internationale Beziehungen an der RWTH Aachen): Zum Prozessauftakt ging es eigentlich darum, die Anklageschrift zu verlesen und ein paar prozessuale Sachen zu klären. Zu denen gehört dann auch der Zugang der Verteidigung zu Beweismitteln. Inhaltlich wurde in der ersten Phase erst mal relativ wenig behandelt.

DOMRADIO.DE: Warum gab es überhaupt eine Pause?

Rotte: Weil der Richter offensichtlich der Meinung war, dass der Verteidigung diverse Beweismittel zur Verfügung gestellt werden mussten, die sie noch nicht hatten, was zum normalen Strafrechtsprozess dazugehört. Deswegen hat er der vatikanischen Staatsanwaltschaft eine Frist gesetzt, die die aber interessanterweise weitestgehend hat verstreichen lassen.

DOMRADIO.DE: Was passierte dann in der Zwischenzeit bis jetzt? Gar nichts?

Rotte: Die Verteidigung hat versucht, ihre Argumente zusammenzusuchen. Sie hat versucht, an diese Beweismittel ranzukommen. Da geht es schwerpunktmäßig um Aussagen von einem "Kronzeugen" aus dem Staatssekretariat.

Die Staatsanwaltschaft hat sich interessanterweise geweigert, dieser Anordnung des Gerichts Folge zu leisten und hat offensichtlich nur eine Zusammenfassung der Aussage weitergegeben. Sie hat sich dabei auf die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen berufen. Jetzt bin ich mal gespannt, wie der Richter darauf reagieren wird, dass sich die Staatsanwaltschaft mehr oder weniger über seine Anordnung hinwegsetzt.

DOMRADIO.DE: Der Präsident des Vatikanischen Strafgerichts, Giuseppe Pignatone, gilt als jemand, der sich nicht vor Mammut-Prozessen scheut. Er hat auch bei Prozessen gegen die Mafia oder korrupte Politiker schon ein eisernes Durchhaltevermögen bewiesen. Wahrscheinlich auch deshalb hat ihn Papst Franziskus extra aus dem Ruhestand zurückberufen. Als Rechtsgrundlage gilt für den Richter aber vatikanisches Recht. Kann er denn so urteilen, wie er es an einem weltlichen Gericht tun würde?

Rotte: Das ist eigentlich die Grundidee. Aber man hat hier ein gewisses strukturelles Problem. Auf der einen Seite ist die Rolle, die der Richter spielt, für ihn relativ neu. Er war nämlich lange Zeit vor allen Dingen Staatsanwalt, auch in Mafia-Prozessen. Jetzt hat er ein wenig die Seite gewechselt und muss richten.

Das andere, größere Problem ist tatsächlich das vatikanische Rechtssystem. Denn es sieht so aus, als würden die Verteidiger dieses gesamte Rechtssystem grundlegend hinterfragen. Einfach deswegen, weil es vielleicht von der Struktur des Vatikan als absolutistische Monarchie aus ihrer Auffassung keine wirkliche Rechtsstaatlichkeit gibt.

DOMRADIO.DE: An diesem Dienstag wird der Prozess jetzt wieder aufgenommen. Wie geht es denn dann weiter?

Rotte: Ich gehe davon aus, dass zunächst einmal der Richter entscheiden muss, wie er mit dieser beschränkten Kooperationsbereitschaft der Staatsanwaltschaft umgeht. Die hat sich, wie gesagt, zu gewissen Teilen über seine Anordnungen in Bezug auf die Beweismittel für die Verteidigung hinweggesetzt.

Zum anderen geht es um die Argumente, die die Verteidigung vorbringt. Das werden sicherlich diese Verfahrensfehler oder Verfahrensprobleme in Bezug auf den Zugang zu Beweismitteln und Zeugenaussagen sein.

Zudem besteht das grundlegende Problem, dass die Rechtmäßigkeit des Gerichts möglicherweise vonseiten der Verteidigung fundamental angezweifelt wird, weil man argumentiert, dass der Papst im Vorfeld des Prozesses noch schnell ein paar Gesetze geändert hat. Dementsprechend gibt es auch keine wirkliche Unabhängigkeit des Gerichts, weil - so jedenfalls die Verteidiger - die Richter ja alle auf den Papst eingeschworen sind und jetzt nicht die Möglichkeit besteht, im Rahmen einer irgendwie gearteten Gewaltenteilung davon auszugehen, dass dieses Gericht - so zumindest die Auffassung der Verteidiger - hundertprozentig unabhängig ist.

DOMRADIO.DE: Das klingt nach einem etwas festgefahrenen Verfahren. Wie lange wird es wohl dauern, bis Urteile gefällt werden?

Rotte: Das ist eine gute Frage. Der Richter besitzt ja offensichtlich ein gewisses Sitzfleisch. Das kann sich aus meiner Sicht sehr lange hinziehen. Vor allen Dingen dann, wenn die Verteidiger diese Grundsatzdiskussion aufmachen, ob denn überhaupt ein Prozess im Vatikan, ein Prozess nach normalen europäischen Standards geführt werden kann, weil es eben ein anderes politisches System ist, wo es letztlich definitionsgemäß gar keine hundertprozentig unabhängige Gerichtsbarkeit geben kann.

Das Interview führte Florian Helbig.


Quelle:
DR
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