Karfreitag in Notre-Dame

"Das Leben stärker feiern als den Tod"

Fast ein Jahr nach dem Großbrand in der Kathedrale Notre-Dame hat der Pariser Erzbischof Michel Aupetit dort am Karfreitag die Reliquie der Dornenkrone Christi verehrt. Am 15. April 2019 hatte ein Feuer Teile der Kathedrale zerstört.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Karfreitag in Notre-Dame / © Ludovic Marin (dpa)
Karfreitag in Notre-Dame / © Ludovic Marin ( dpa )

Die Reliquie, im Mittelalter Ziel unzähliger Pilger, konnte gerettet werden. "Wir sind in dieser halb eingestürzten Kathedrale, um zu erklären, dass das Leben immer noch da ist", sagte Aupetit.

"In dieser Heiligen Woche wird die ganze Welt von einer Pandemie heimgesucht, die den Tod verbreitet und uns lähmt." Die Dornenkrone sei damals am Abend des Feuers von den Feuerwehrleuten gerettet worden und sei so ein Symbol.

"Wir werden Ostern feiern, und wir werden das Leben stärker feiern als den Tod", so der Pariser Erzbischof.

Sicherungsarbeiten dauern an

Aupetit betete für die Kranken und Verstorbenen von Covid-19 und für ihre Pfleger, Betreuer und Angehörigen. Als Teil der Meditationszeremonie verlasen bekannte französische Schauspieler Texte etwa von Paul Claudel und Mutter Teresa. Die Feier wurde vom katholischen Sender KTO live übertragen.

Bei dem Brand, der mutmaßlich durch Dacharbeiten ausgelöst worden war, wurden der hölzerne Dachstuhl aus dem Mittelalter, Teile der Deckengewölbe sowie der Dachreiter aus dem 19. Jahrhundert zerstört.

Die Sicherungsarbeiten an dem Unesco-Welterbe dauern an. Seit Mitte März ruht die Baustelle wegen der Corona-Krise.

Der Wiederaufbau der Kathedrale soll 2021 beginnen. Knapp eine Milliarde Euro von 320.000 Spendern und Stiftungen sind dafür zugesagt. Der Fonds der Pariser Kathedrale hat nach eigenen Angaben bislang rund 375 Millionen Euro gesammelt.

Dornenkronen-Reliquie

Die Dornenkronen-Reliquie soll bereits 1036 in Jerusalem verehrt worden sein. Nach dem Vierten Kreuzzug (1202-1204) kaufte Frankreichs König Ludwig IX. ("der Heilige") die Krone sowie die Spitze der Heiligen Lanze 1238 vom Herrscher des Kreuzfahrerstaates in Konstantinopel, Kaiser Balduin II.

Für diese und andere Reliquien ließ Ludwig IX. in Paris die 1248 fertiggestellte Sainte-Chapelle als "Mysterien-Schrein der Christenheit" im hochgotischen Stil erbauen. Bis zur Französischen Revolution blieb die Krone dort.

Während der Revolution wurde sie zum Schutz im Vatikan aufbewahrt. Dort wurde sie in zwei Teile getrennt. Der eine Teil blieb bis heute im Vatikan. Belgiens Primas Kardinal Victor-Augustin-Isidore Dechamps (1810-1883) von Mechelen soll ein Fragment aus der Krone gelöst haben und es mit seinem Kardinalssiegel als Echtheitsnachweis versehen haben.

Die andere Hälfte der Reliquie lagerte nach der Revolution erst in der französischen Nationalbibliothek und wurde unter Kaiser Napoleon der Kathedrale Notre-Dame übergeben. Damals wurden zur Aufbewahrung neue kostbare Reliquiare gefertigt.

Als 2001 die Schätze aus der Sainte-Chapelle im Louvre gezeigt wurden, wurde die Dornenkrone jeden Freitag in Notre-Dame feierlich ausgestellt. Papst Johannes Paul II. leitete beim Weltjugendtag 1997 persönlich eine Prozession mit der Reliquie und trug sie in die Sainte-Chapelle.


 

Erzbischof Michel Aupetit (m.) auf dem Weg zur ersten Messe in der Kathedrale Notre-Dame nach dem Brand / © Guillaume Poli (KNA)
Erzbischof Michel Aupetit (m.) auf dem Weg zur ersten Messe in der Kathedrale Notre-Dame nach dem Brand / © Guillaume Poli ( KNA )
Quelle:
KNA