Vom 30. Januar bis 1. Februar stecken in Frankfurt/Main die 230 Mitglieder der Synodalversammlung die inhaltliche Arbeit für den Reformdialog in der katholischen Kirche in Deutschland ab. Ein Ziel der auf zwei Jahre angelegten Initiative, die es in dieser Form in der katholischen Kirche noch nie gegeben hat, ist es, nicht zuletzt durch den Missbrauchsskandal verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. "Man darf erwarten, dass sich Priester, Bischöfe und Laien gemeinsam Gedanken machen, wie wir in dieser schweren Umbruchzeit und Krise in die Zukunft gehen", sagt Kardinal Reinhard Marx (München), Vorsitzender der Bischofskonferenz (DBK), im Interview der Bistumszeitungen. Er betont: "Wir wollen die Kirche nicht neu erfinden. Aber wir haben das Notwendige und Mögliche zu erkennen und dann zu tun. Wir können nicht ausweichen und die Situation schönreden." (Übersicht des Programms)
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, ist sich "ziemlich sicher", dass es am Ende des Dialogs eine andere Verfasstheit der Kirche geben könne. Nicht sicher ist er sich allerdings, "ob das auf der ganzen Welt ein einheitlicher Prozess sein wird. In unseren Breitengraden wird die umfassende Herrschaft von Bischöfen zurückgehen und zumindest für die Fragen der Sozialgestalt der Kirche eine stärkere Demokratisierung Einzug halten".
Sorge vor Überfrachtung
Kurz vor der ersten Synodalversammlung, der unter anderen die 69 Orts- und Weihbischöfe aus den 27 Diözesen sowie 69 Delegierte des ZdK angehören und die das höchste beschlussfassende Gremium des Synodalen Wegs ist, liegen dem Präsidium mehr als 1.000 Eingaben von Katholiken vor. Themen darin sind neben den festgelegten vier Schwerpunkten - Sexualmoral, priesterliche Lebensform, Macht und Gewaltenteilung sowie Frauen in der Kirche - auch Anfragen zu immer größeren Pfarreien, zu zeitgemäßer Seelsorge oder zu Kirche und Umweltschutz, wie Sternberg im KNA-Interview erklärt. "Wir müssen sehen, dass wir den Synodalen Weg nicht überfrachten. Deswegen werden wir vieles jetzt noch nicht beraten können. Aber die Eingaben zeigen, wie groß bei vielen katholischen Gläubigen der Reformdruck ist", so Sternberg.
Kardinal Marx erhofft sich am Ende "eine größere Einmütigkeit und Motivation, eine größere Klarheit, wie wir weitergehen sollen". Es gelte, miteinander zu reden, aufeinander zu hören und aufmerksam zu sein. "Da können sich auch Meinungen ändern", so der DBK-Vorsitzende, Und wo kein gemeinsamer Weg gefunden werde, "können wir stehen lassen, dass eine Einmütigkeit noch nicht möglich" sei. ZdK-Präsident Sternberg verteidigt den Synodalen Weg gegen Kritik. Diese Stimmen sollten nicht überschätzt werden. Sternberg: "Wir befinden uns in einer historisch bemerkenswerten Situation. (...) Jetzt haben wir mit Papst Franziskus jemanden, der die Dinge aufwirbelt und Diskussionen anstößt." Bei dem Vorhaben gehe es nicht um einen deutschen Sonderweg. Zudem lobte er die "sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit" mit den Bischöfen, die so vor einigen Jahren noch nicht möglich gewesen sei.
Woelki will Neuausrichtung an Christus
Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki, einer derjenigen im Episkopat, die den Synodalen Weg eher skeptisch sehen, sagt im Interview der "Herder Korrespondenz" (Februar), er lasse sich jetzt "in aller Offenheit" auf den Prozess ein. Es sei gut, aufrichtig miteinander um einen Weg in die Zukunft zu ringen. Dazu gehörten auch Kontroversen.
Aus seiner Sicht sollte es vor allem um eine neue "Evangelisierung" und eine "Neuausrichtung an Christus" gehen. "Wir müssen wieder lernen, aus dem Wort Gottes und aus den Sakramenten zu leben. Wir müssen uns auch wieder neu mit der Tradition und der Lehre der Kirche vertraut machen."
Ein wichtiges Ziel sei es, die Gesellschaft auf Grund des christlichen Glaubens mitzugestalten. Im Übrigen erinnert Woelki daran, dass jeder Diözesanbischof frei entscheiden könne, ob und wie er die Beratungen und Beschlüsse des Synodalen Wegs in seinem Bistum umsetze: "Ich fühle mich hier vollkommen frei, nur meinem Gewissen und dem Glauben der ganzen Kirche verpflichtet." Beschlüsse der Synodalversammlung, heißt es in der Satzung des Synodalen Wegs, "entfalten von sich aus keine Rechtswirkung". Die "Vollmacht der Bischofskonferenz und der einzelnen Diözesanbischöfe", im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit Rechtsnormen zu erlassen und ihr Lehramt auszuüben, bleibe "durch die Beschlüsse unberührt".
Voderholzer: "Falsche Akzente"
Bischof Rudolf Voderholzer (Regensburg) sieht in der Debatte falsche Akzente gesetzt: "Wir kreisen um uns selbst." Symptomatisch dafür sei, "dass es bei der Rede von der Berufung der Laien ausschließlich um die Frage der Partizipation, der Mitwirkung am Dienst der Bischöfe und Priester geht". Diese Tendenz sei seit dem Zweiten Vatikanum (1962-1965) erkennbar und habe sich durch die Würzburger Synode (1971-1975) noch verstärkt. Als größte Herausforderung bezeichnet Voderholzer den Rückgang gelebter Glaubenspraxis und die schwindende Kenntnis der Botschaft der Bibel. Manche sähen einen Ausweg darin, Elemente des katholischen Profils beim geistlichen Amt und der Sicht des Miteinanders von Mann und Frau der Mehrheitsmeinung der Gesellschaft anzupassen. Er glaube aber nicht, "dass dies eine lebendigere Kirche, eine innigere Glaubenspraxis, eine tiefere Liebe zu Jesus" zur Folge haben werde.
Bischof Franz Jung (Würzburg) mahnt zur Geduld. Beim Synodalen Weg gehe es "zunächst um eine Meinungsbildung der Kirche in Deutschland". Noch sei offen, "welche Entscheidungsspielräume einzelnen Ortskirchen eingeräumt werden und wie viel regionale Vielfalt die katholische Einheit verträgt und ob es verschiedene Geschwindigkeiten geben könnte auf dem Weg zu einer erneuerten Kirche". Sein Amtsbruder Franz-Josef Overbeck (Essen) hofft auf einen "Neuaufbruch". Der Synodale Weg müsse mit der Einwilligung verbunden sein, "als Kirche kleiner und demütiger zu werden". Diskussionsbedarf sieht er bei den Themen Macht in der Kirche, die der Kontrolle bedürfe, und Zölibat, der für nicht wenige Priester eine schwere Last bedeute. Zudem sei es für viele Menschen nicht mehr akzeptabel, Frauen von den wichtigsten Ämtern der Kirche fernzuhalten.