Charlotte Knobloch kritisiert Auktion von Nazi-Devotionalien

"Das passt genau in die heutige Zeit"

Zahlreiche Nazi-Devotionalien wurden bei einer Auktion versteigert – darunter Eva Brauns Cocktailkleid und Hitlers Zylinder. Für die frühere Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, ist das "fragwürdig" und "verstörend". 

Ein silberner Geschenkrahmen mit einem Porträt Adolf Hitlers / © Matthias Balk (KNA)
Ein silberner Geschenkrahmen mit einem Porträt Adolf Hitlers / © Matthias Balk ( KNA )

DOMRADIO.DE: 800 Objekte waren im Angebot bei einer Auktion in München - alles Stücke aus dem Besitz von höheren und niedrigeren Nazi-Funktionären. War das in Ihren Augen in Ordnung, diese öffentlich zu versteigern?

Charlotte Knobloch (Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München, frühere Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland): Es war nicht in Ordnung. Ich fürchte, da wollen sich Leute bereichern und daraus einen Nutzen ziehen, dass diese Gegenstände in einigen Jahren mehr wert sind. Die anderen sind aus historischer Neugier sehr interessiert. Aber sonst ist für mich diese gesamte Aktion makaber, fragwürdig und das große Interesse für mich sehr verstörend.

Aber ich meine, das passt genau in die heutige Zeit. In der Bevölkerung nimmt der Judenhass wieder zu. Und dieser kommt auch in Hitlers politisch-ideologischen Programmschrift "Mein Kampf" ganz klar zum Ausdruck. Da habe ich den Eindruck, dass sich die Leute gerne die Unterlagen dafür beschaffen, ganz egal, in welcher Form.

DOMRADIO.DE: "Der mit Abstand größte Teil der Kunden, der bei uns einkauft, sind Museen, staatliche Sammlungen und private Sammler, die sich wirklich akribisch mit dem Thema auseinandersetzen", so war die Rechtfertigung des Geschäftsführers des veranstaltenden Auktionshauses, Bernhard Pacher. Reicht Ihnen das als Erklärung?

Knobloch: Nein, ich finde es völlig unangemessen, über Mörder und Verbrecher Geld zu verdienen. Wenn man diese Gegenstände verkauft, geht man das Risiko ein, dass sie in rechtsextremen Händen landen. Das kann direkt bei der Versteigerung passieren, aber das kann auch in absehbarer Zeit in die falschen Hände geraten. Ich bin absolut entsetzt und verstehe nicht, dass es keine rechtlichen Möglichkeiten gibt, so etwas zu unterbinden.

DOMRADIO.DE: Bernhard Pacher hat auch gesagt: "Wir wollten keinen Keller-Nazis hervorlocken." Nehmen Sie ihm das ab?

Knobloch: Nein, ich nehme ihm das überhaupt nicht ab. Auch wenn die Käufer unterschreiben müssen, dass sie mit diesem Objekt keine Propaganda betreiben, dann stellt sich mir die Frage: Wer überprüft das und kann das überprüfen? Da gibt es wirklich Keller-Nazis, die sich solche Gegenstände aneignen. Aber es gibt auch genug Extremisten, die begeistert sind, wenn sie so einen Gegenstand in der Hand haben und sich untereinander oder unter jungen Menschen zeigen können.

DOMRADIO.DE: Man könnte jetzt auch denken, dass es gut ist, dass sich Menschen für diese Gegenstände interessieren. So nach dem Motto "Geschichte zum Anfassen". Können Sie dem etwas abgewinnen?

Knobloch: Die historische Bedeutung der Stücke ist das eine. Es gibt eine ethische Verantwortung. Ich glaube, das hat hier nicht stattgefunden. Aber im gesellschaftlichen Kontext wäre es ein wichtigeres Zeichen gewesen, diese Versteigerung abzusagen, weil es zwingend erforderlich gewesen wäre. Und die ethische Verantwortung steht sowieso vor wirtschaftlichen Interessen.  

DOMRADIO.DE: Was wäre denn der richtige Umgang mit solchen Gegenständen?

Knobloch: Mit solchen Gegenständen macht man keine Geschäfte, sondern solche Gegenstände vernichtet man. Da ist auch der Versteigerer in der Verantwortung. Er scheint meines Erachtens auch sehr gerne mit diesen Dingen umzugehen, sonst hätte er die Versteigerung auch in dieser  Form nicht durchgeführt. Er erwartet die Kritik, die von mir und von anderen kommt. Es ist etwas, was er vorab gesehen hat. Je mehr Kritik, desto mehr Aufmerksamkeit und desto mehr Möglichkeiten, weiterhin in dieser Art und Weise zu arbeiten.

Das Interview führte Martin Bornemeier.


Charlotte Knobloch  / © Charlotte Knobloch (dpa)
Charlotte Knobloch / © Charlotte Knobloch ( dpa )
Quelle:
DR
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