DOMRADIO.DE: Warum haben Sie sich für solch strenge Regeln entschieden?
Pater Manfred Kollig (Generalvikar Erzbistum Berlin): Wir haben uns natürlich ausführlich beraten lassen. Wir haben uns beraten lassen von Medizinerinnen und Medizinern, von Menschen, die in der Pastoral tätig sind. Wir haben mit den Pfarrern geredet, mit Gremien gesprochen und die Erwartungen sind unterschiedlich. Es gibt die Erwartungen der Menschen, die sagen, dass sie nur zum Gottesdienst kommen, wenn sie sicher sein können, dass es dort nur geimpfte und genesene Personen gibt. Das sind manchmal auch Eltern, die sagen, dass sie nur mit ihren Kindern zum Gottesdienst kommen, wenn es ein Familiengottesdienst ist, wenn sie sicher sein können, dass die Erwachsenen dort geimpft oder genesen sind. Und es gibt andere Menschen, die sagen, man darf für Gottesdienste nicht solche Regelungen aufstellen, es müssen alle zum Gottesdienst zugelassen werden.
Dann haben wir uns dazu entschieden, vor der Adventszeit schon mit Blick auf das Weihnachtsfest zu sagen: Im Regelfall sollen die Gottesdienste unter 2G-Bedingungen stattfinden. In jeder Pfarrei muss es aber einen 3G-Gottesdienst geben. Das heißt, Menschen, die nicht geimpft und nicht genesen sind, müssen die Möglichkeit haben, mit einem tagesaktuellen Test auch am Gottesdienst teilzunehmen und in Kirchen, wo es zwei oder mehr Gottesdienste gibt, muss wenigstens ein Gottesdienst unter 2G- und einer unter 3G-Bedingungen gefeiert werden.
DOMRADIO.DE: Menschen, die weder geimpft noch genesen sind und die keinen tagesaktuellen Test nachweisen, denen würde man dann tatsächlich auch am Kirchenportal sagen: Es tut mir leid, du kannst heute so nicht am Gottesdienst teilnehmen.
Kollig: Genau, wie gesagt, das haben wir mit Blick auf die Situation etwa in den Krankenhäusern gemacht, aber auch mit Blick darauf, dass wir das Risiko einer Infektion minimieren müssen. Wir können keine absolute Sicherheit geben. Darüber wird ja oft diskutiert. Es wird einem dann gesagt, es gibt aber auch welche, die sogar geboostert sind und auf der Intensivstation liegen. Ja, das ist richtig. Aber wir wollen verantwortungsvoll dazu beitragen, das Risiko zu verringern.
DOMRADIO.DE: Jetzt ist es ja so, dass die Mehrheit der Deutschen und auch die Kirchen sich darüber einig sind, dass eben das Impfen nicht nur uns selber schützt, sondern auch tatsächlich ein Akt der Solidarität ist. Und dass eben diese Weigerung, sich impfen zu lassen, meistens auch ziemlich egoistisch ist, immer ausgenommen der Menschen, die es aus medizinischen Gründen nicht machen können. Und wenn Sie diese Regelungen jetzt im Erzbistum Berlin so mitnehmen, wollen Sie auch dieses Zeichen setzen?
Kollig: Ja, ich möchte nicht beurteilen, ob es egoistisch ist, ob es aus Angst ist, ob es eine falsche Einschätzung eines Risikos ist. Ich möchte über die Menschen gar nicht urteilen, das steht mir auch nicht zu. Diejenigen, die gegen Impfungen sind oder die das Risiko anders einschätzen, geringer einschätzen, manche sagen sogar, wir müssen doch als Gläubige auf Gott vertrauen. Das alles will ich gar nicht bewerten und auch nicht kommentieren. Dazu habe ich meine Meinung. Aber ich glaube, Meinungen helfen im Moment nicht weiter. Ich möchte aber ganz klar das Zeichen setzen: Wir sind solidarisch in dieser Gesellschaft. Es geht ja nicht nur um den Gottesdienst selbst. Wenn ich den Teil unseres Erzbistums nehme, der zur Hauptstadt gehört und nicht die ländlichen Regionen in den Blick nehme, kommt ja noch hinzu, dass viele Menschen zum Gottesdienst mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren. Dort gilt ohnehin die 3G-Regelung. Es ist ja nicht nur eine Gefährdung im Gottesdienst möglich, sondern auch eine Gefährdung auf dem Weg.
DOMRADIO.DE: Wie haben denn die Menschen in Ihrem Bistum auf die Entscheidung reagiert, das jetzt so zu handhaben, wie wir es gerade besprochen haben?
Kollig: Der weitaus größte Teil der Katholikinnen und Katholiken im Erzbistum trägt diese Regelung uneingeschränkt mit. Dies gilt sowohl für die Mitfeiernden im Gottesdienst, die wir mal teilweise auch befragt haben, als auch für die Pfarrer, die hier verantwortlich sind, die Hausrecht ausüben, als auch für die Menschen, und die sind für mich wichtig, die inzwischen seit 21 Monaten weitgehend ehrenamtlich die Ordnungsdienst übernehmen. Die sagen auch, dass die 2G-Regelung wesentlich einfacher zu kontrollieren ist als die 3G-Regelung, weil es so unterschiedliche Formulare gibt, die Tests bestätigen, dass es für sie nicht immer ganz einfach ist und sie machen ihren Dienst ehrenamtlich. Und es gab weniger als 100 Menschen, die sich schriftlich oder telefonisch beschwert haben oder ihr Unverständnis geäußert haben. Dass ist bei 390.000 Katholikinnen und Katholiken auch entsprechend einzuordnen.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.