Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki hat sich im Rückblick auf das Jahr 2018 noch einmal bei allen Opfern von Missbrauch in der katholischen Kirche entschuldigt. "Wir haben hier Schuld und Versagen einzugestehen", sagte Woelki in seiner Silvesterpredigt am Montagabend im Köln Dom. Die Missbrauchsstudie habe gezeigt, dass Verantwortliche in der Kirche Betroffenen nicht geglaubt hätten, sondern eher bereit waren, die Institution Kirche zu schützen.
"Das tut mir von ganzem Herzen weh und leid", betonte der Kardinal. Deshalb wolle er sich am letzten Tag des Jahres noch einmal ganz bewusst für alles "Versagen, Verschweigen und Vertuschen" entschuldigen. Er versprach, alles dafür zu tun, dass sich solche Verbrechen nicht wiederholen könnten.
Erschrocken und erschüttert äußerte sich Woelki über die Experimente eines chinesischen Genforschers, der nach eigenen Angaben mit der Gen-Schere das Erbgut von zwei Babys manipuliert hat. Der Vorfall zeige: "Wir können technisch Dinge vollziehen, deren Folgen wir nur schwer absehen können." Deshalb sei dringend ein Dialog zwischen Fachleuten, Ethikern und auch den Kirchen über den angemessenen Umgang mit dieser Technik notwendig, forderte der Erzbischof.
Mit Blick auf Europa warnte Woelki vor dem Trend zu Nationalismus und Abschottung. Das Gedenken an das Ende des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren erinnere daran, "wohin nationalistisches Denken und nationalistische Politik Menschen führen: ins Verderben". Das gemeinsame Haus Europa dagegen sichere den Frieden. "Das dürfen wir unter keinen Umständen gefährden", mahnte der Theologe.
Marx: Kirche muss neu werden
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, erklärte, die Notwendigkeit einer Erneuerung sei für die Kirche "gerade in den letzten Jahren und Monaten deutlich geworden angesichts des Versagens und der Unfähigkeit, auf Herausforderungen und Missstände angemessen zu reagieren".
Mit Blick auf "das ungeheure Geschehen des sexuellen Missbrauchs" brauche es unabhängige Überprüfung, so der Erzbischof von München und Freising.
Genn: Blick in eine Zukunft mit Krieg?
Auch Münsters Bischof Felix Genn bekundete die Hoffnung auf eine Erneuerung der Kirche "von innen her". Die Ergebnisse der von den deutschen Bischöfen in Auftrag gegebenen Studie hätten "schwere Schatten" auf die katholische Kirche geworfen. Er habe Verständnis für Menschen, die 2018 aus der Kirche ausgetreten sind. Trotzdem bitte er jeden zu prüfen, ob er nicht dazu beitragen könne, "durch seinen Einsatz und seine Solidarität die Kirche zu reinigen und zu heilen", so Genn.
Es sei auch unsicher, "ob wir tatsächlich eine krieglose Zukunft erleben" könnten, fügte Genn hinzu. Fraglich sei auch, ob der Klimawandel akzeptiert und zugunsten von Umwelt und Menschen gestaltet werde, oder ob "das Ego einer einzelnen Nation", und damit die Abschottung von anderen, letztlich den Zuschlag erhalte. Der Theologe rief dazu auf, 2019 "das Notwendige zu tun, um der Welt ein menschlicheres Gesicht zu geben und in der Kirche das reinere Licht des Evangeliums widerstrahlen zu lassen".
Kohlgraf: Zwei Sehnsüchte
In Mainz sprach Bischof Peter Kohlgraf von zwei Sehnsüchten: Zum einen würden die Menschen sich nach Stabilität sehnen. Denn die Gemeinden und Gruppen "bieten für viele Menschen noch ein letztes Stück Heimat, die ihnen an anderen Stellen wegbricht", sagte Kohlgraf laut Redemanuskript. Dabei sei die Realität alles andere als stabil. "Schauen wir uns die Entwicklungen in Kirche und Welt genau und ehrlich an, merken wir jedoch deutlich, dass vieles nicht so bleiben kann und bleiben wird."
Zum anderen habe Kohlgraf eine "hohe Erwartung auf Veränderung" beobachtet. "Dabei geht es nicht um Veränderung um jeden Preis, aber doch um den starken Wunsch, die kommenden Wege bewusst zu gestalten und nicht nur im Nachhinein zu reagieren." In diesem Sinne habe das Bistum einen pastoralen Weg in den Blick genommen, der im kommenden Jahr konkret beginnen werde, so Kohlgraf.
Missbrauch bleibt Thema
Osnabrücks Bischof Franz-Josef Bode kündigte an, die Bistumsleitung werde sich in den ersten Tagen des neuen Jahres mit der weiteren Aufarbeitung von Missbrauchsfällen beschäftigen. "Das, was wir heute erleben – nicht nur in Deutschland, sondern weltweit – ist keine kurze Episode in der Geschichte der Kirche", warnte Bode. Es werde die Kirche vielmehr noch lange begleiten. Das müsse Antrieb sein für neue Überzeugungen und Haltungen.
Daneben kritisierte der Bischof narzisstische und nationalistische Bewegungen und einen menschenfeindlichen, verachtenden Populismus. Er beklagte immer mehr Hass und Verleumdung in der Sprache und verurteilte Gewalt gegen ethnische und religiöse Minderheiten.
Auch der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick mahnte in Bezug auf die Missbrauchsfälle, Fehlverhalten zu bekennen, die Täter zu bestrafen und Wiederholung oder Rückfälle "mit allen Mitteln" zu verhindern. Nötig seien sowohl Reue, Wiedergutmachung und Bekehrung bei jedem Einzelnen, aber auch die Veränderung von Strukturen, die solche Taten begünstigten oder deckten. "Unsere Worte werden nur wirken, wenn sie durch unsere Taten gedeckt sind", betonte Schick.
Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck sprach von einer "Zeitenwende" in Folge des Missbrauchsskandals. Themen wie Priesterbild und Weiheamt, Hierarchie, Zölibat, Frauenamt und Sexualmoral dürften nicht länger zum Tabu erklärt werden, sagte er laut Redemanuskript in der Neujahrsmesse am Dienstag. Der Essener Bischof mahnte zugleich, bei aller notwendigen Umgestaltung der Kirche deren Grundfeste nicht zu zerstören.
Der Fuldaer Diözesanadministrator Karlheinz Diez bezeichnete 2018 mit Blick auf die Kirche als "ein Jahr mit vielen Dunkelheiten". Zurück blieben "Scham und Entsetzen über das, was jungen Menschen in unserer Kirche angetan wurde. Es bleiben Schuld und ein immenser Vertrauensverlust", so der vorübergehende Leiter der Diözese. Die Kirche müsse sich mit berechtigten Vorwürfen, aber auch mit bitterer Häme auseinandersetzen.
Dieser für Aufklärung und Besonnenheit im Hambacher Forst
Aachens Bischof Helmut Dieser ging insbesondere auf den Zölibat in Bezug auf die Missbrauchsfälle ein. Das Versprechen, ein eheloses und sexuell enthaltsames Leben zu führen, mache es nötig, sich weiter mit der eigenen Sexualität auseinanderzusetzen, forderte er.
Der Bischof beklagte zudem, dass Verantwortliche in der Kirche jahrzehntelang den Schutz der Institution Kirche vor den Schutz der Opfer gestellt hätten. Die Kirche müsse verdeutlichen, dass sie weiteren Missbrauch verhindern und die Vergangenheit aufarbeiten wolle. Dazu brauche sie fachliche Hilfe von außen.
Ferner kritisiert Dieser in seiner Predigt "genetische Manipulationen an den menschlichen Keimzellen und an Embryonen, Abtreibungen und Abwertungen von behinderten Menschen". Im "Kampf um den Hambacher Forst" rief er zu einem besonneneren Umgang miteinander auf. Klimaschutz und Landschaftsschutz sowie der Schutz der Ernährungsgrundlagen dürften nicht in Konkurrenz zur Ökonomie und Energieversorgung gedacht werden, sagte der Bischof. "Wer das eine schützt und das andere vernachlässigt, verliert alles."
Ackermann: Mehr Sein als Schein
Der Trierer Bischof Stephan Ackermann hat angesichts der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche zum Abschied von überkommenen Kirchenbildern aufgerufen. Es sei "gut und richtig, wenn auch die dunklen Seiten der Kirche ans Licht kommen", sagte Ackermann. Er betonte zudem, es brauche auch beim kirchlichen Leben in den Pfarreien, Gemeinden und Gruppen des Bistums Trier eine größere Wahrhaftigkeit. "Wir müssen mehr noch als bisher zugeben, dass Schein und Sein, Festtag und Alltag allzu oft dramatisch auseinanderklaffen", sagte der Bischof.
Ackermann kündigte an, am 10. Januar dem Bistum und der Öffentlichkeit die Pläne vorzustellen, wie im Laufe des Jahres 2019 und darüber hinaus die weiteren Schritte hin auf die Pfarreien der Zukunft konkret aussehen sollten. Der Bischof hatte im Dezember 2013 eine Synode eingesetzt, um über eine Neuausrichtung des Bistums Trier zu beraten. Ein Ergebnis war die Schrumpfung der rund 900 Pfarreien zu 35 "Pfarreien der Zukunft".
Wiesemann: „Wir sollen Segen gegen Hass sein“
Der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann rief die Christen zum Eintreten gegen gesellschaftliche Fehlentwicklungen auf. Gott setze darauf, "dass wir seinen Segen gegen allen Hass, gegen alle Ausgrenzung und Unmenschlichkeit von Haus zu Haus an die Türen schreiben", sagte Wiesemann.
Die Menschheit dürfe sich nicht von nationalen Egoismen und Angstmachern blenden lassen, sondern müsse "zu Trägern der Hoffnung werden – damit die Zukunft für unsere Kinder und Enkel leuchtet".
Heße: Schulschließungen haben wehgetan
Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße ging nochmals auf die im Januar aufgrund der angespannten Finanzlage des Erzbistums angekündigten Schließungen von mindestens 6 seiner 21 katholischen Schulen ein. "Das war ein großer Einschnitt, der vielen wehgetan hat und den wir sicher anders und besser hätten kommunizieren können und müssen", so Heße laut Manuskript.
Außerdem hob er den Wert von Beziehungen zwischen den Menschen und der Menschen mit Gott hervor. Nicht der Zeitenlauf und auch nicht so sehr das, was darin passiert, habe Gewicht im Leben, sagte er. Entscheidend seien die Erfahrungen des Angenommen-Seins, der Zuwendung und Geborgenheit sowie der Menschlichkeit und des Erbarmens.
Burger: Bitte auch mal Danke sagen
An "Stunden der Niedergeschlagenheit" erinnerte der Freiburger Erzbischof Stephan Burger im Freiburger Münster. Es falle nicht immer leicht, Gott Dank zu sagen "für all das Gute, Schöne und Heitere, das uns allen widerfahren ist, aber genauso für das Dunkle, das Herausfordernde und das Traurige".
Auch die negativen Erfahrungen seien nicht sinnlos: "Nicht selten erfahren wir gerade im Bedrängenden die Gegenwart und Hilfe des Herrn!"
Becker: Engagement für den Frieden stärken
Der Einsatz für Frieden auf der Welt hängt nach Ansicht des Paderborner Erzbischofs Hans-Josef Becker mit der christlichen Botschaft der Rettung und Erlösung der Menschen zusammen. "Erst wenn ich die Angst um mich selbst losgeworden bin, kann ich mich wirklich dem Anderen zuwenden", sagte Becker am Montagabend in seiner Predigt im Jahresschlussgottesdienst im Paderborner Dom. Die Verheißung, dass Gott retten werde, habe Menschen zur Neuausrichtung und Neuorientierung veranlasst. Sie mache frei für den Auftrag, Hoffnung zu verkünden und zu leben.
Es gebe keine bessere, kürzere und schönere Botschaft in der Zeit ängstlicher Erwartung, gelähmter Hoffnung oder schwarz gemalter Zukunftsperspektiven als die Botschaft, die der Name "Jesu" in sich trage: "Jahwe rettet!", sagte Becker laut Redetext. Das Engagement für den Frieden ohne den Glauben an die Rettung mache nervös und aggressiv.
Jung: Nur Mut!
Der Würzburger Bischof Franz Jung rief dazu auf, Herausforderungen mutig anzunehmen. Oft lähmten die Angst vor Veränderung und die Größe der Probleme, die man kommen zu sehen meine, erklärte Jung weiter. Als "Techniken der Verzagtheit" kritisierte er das Aussitzen von Schwierigkeiten sowie das Schönreden von Misserfolgen.
Präses Rekowski: "Gott möchte, dass wir Recht einfordern"
Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, beklagte zum Jahreswechsel den Unfrieden, den die immer größer werdende Schere zwischen Arm und Reich, zwischen Gutsituierten und Abgehängten in unserem Land stiftete. "Wie können wir Verantwortung und gegenseitigen Respekt stärken gegen eine wachsende egoistische Gier?"
Seine Neujahrsbotschaft deswegen: "Gott bietet Freiheit und Sicherheit, aber nicht grenzenlos, nicht auf Kosten anderer. Auf Gottes Zusage vertrauen, getrost sein in einer Zeit, in der viele nicht bei Trost sind - das ist Aufgabe der Kirchen. Menschen Zuversicht und Halt zu geben, das ist unser Auftrag in der Nachfolge Jesu Christi. Gott möchte, dass wir Recht einfordern, für uns und für andere die Stimme erheben."