Frage: Viele Katholikinnen und Katholiken sehen in der Weihe von Frauen zu Diakoninnen ein sichtbares Zeichen für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in unserer Kirche. Wie stehen Sie zur Weihe von Frauen zu Diakoninnen?
Pater Max Cappabianca (Dominikaner, früherer Mitarbeiter der deutschsprachigen Abteilung von Radio Vatikan und der Ostkirchenkongregation in Rom, jetzt Studierendenpfarrer der Katholischen Studierendengemeinde Berlin): Der Diakonat ist die erste Stufe des einen Weiheamts (Diakon, Priester, Bischof). Daher glaube ich, dass wir auch die anderen Ämter in den Blick nehmen müssen. Und da gibt es ein einziges Argument gegen die Weihe, das Gewicht hat, nämlich das Traditionsargument. Diakoninnen hat es gegeben; Priesterinnen und Bischöfinnen mit höchster Wahrscheinlichkeit nicht. Allerdings glaube ich aus theologischen Gründen, dass das Traditionsargument nicht stark genug ist.
Frage: Das heißt, man sollte auch die anderen Ämter für Frauen öffnen?
Cappabianca: Wie gesagt: Wenn es um die Tradition geht, könnte man schon jetzt Diakoninnen weihen, die koptisch-orthodoxe Kirche hat es vor einigen Jahren getan. Aber es wird dann die Frage kommen, warum nicht Priesterinnen und Bischöfinnen. Eine Antwort darauf kann man aber nur geben, wenn man eine vernünftige, traditions- und schriftgemäße Theologie des kirchlichen Amtes teilt; und hier sehe ich das größte Problem!
Frage: Warum ist die Amtstheologie an sich das Problem?
Cappabianca: Weil selbst die aktiven Kirchenmitglieder nicht mehr wissen, was ein Amt theologisch ausmacht. Im katholischen Verständnis ist das Dienstamt sakramental begründet und es unterscheidet sich vom – fundamentaleren – allgemeinen Priestertum der Gläubigen. Doch kaum einer weiß, was das bedeutet, außer dass der Pfarrer das Sagen hat! Vielleicht stimmt das ja gar nicht! Bisher waren Macht und Leitung wesentlich an das sakramentale Amt gebunden. Das möchte ich in Frage stellen. Aber ich möchte gleichzeitig an die Frage erinnern, warum es überhaupt geweihte Personen gibt, die Sakramente spenden, warum Laien nicht der Eucharistie vorstehen können, warum die Verkündigung des Evangeliums an eine amtliche "Vollmacht" gebunden ist. Bei Diakoninnen ist das noch das geringste Problem, weil sie keine Machtposition innehätten, sondern dem Wesen nach ein "dienendes" Amt hätten. Aber wir müssen wissen, warum wir aus Glaubensgründen das Amt brauchen! Sonst geht es wirklich nur um Macht – wie in jedem Verein – und nicht um unseren Glauben.
Frage: wäre denn so ein "Glaubensgrund"?
Cappabianca: Ich glaube, dass keiner sich den Glauben selber schenken kann. Er muss einem gesagt werden. Im Amt bildet sich der Dialog der Freundschaft zwischen Gott und den Menschen ab. Das ist in der Tat ein "Machtgefälle", aber ein Gefälle des Freimachens und des Dienstes.
Frage: Nachdem eine päpstliche Kommission zur Untersuchung der frühchristlichen Aufgaben weiblicher Diakone zu keinem einhelligen Ergebnis kam, hat Papst Franziskus nun eine neue Studienkommission zur Frage des Frauendiakonats einberufen. Welche Signale erwarten Sie aus Rom?
Cappabianca: Ich habe zehn Jahre im Vatikan gearbeitet und weiß daher, dass das große Schiff der Katholischen Kirche nur langsam reagiert. Ich weiß auch, dass Frauen in Deutschland müde sind, immer nur den Hinweis auf die Weltkirche zu hören, deren Einheit durch einseitige Schritte gefährdet würde. Andererseits lässt sich dieses Argument nicht von der Hand weisen. Durch meine Mitgliedschaft im internationalen Dominikanerorden weiß ich, wie unterschiedlich die Kirche in verschiedenen Teilen der Welt ist. Dass der kirchliche Umgang mit Frauen in unseren Breiten so anstößig ist, wird andernorts nicht nachvollzogen. Wir brauchen extrem viel Geduld, und es braucht einen Dialog mit der gesamten Kirche, bei der alle Beteiligten zum Lernen bereit sind. Man kann sich ja auch mal Gedanken machen, was das für die europäische Kirche bedeutet.
Frage: Die Frage des Frauendiakonats spielt auch beim Synodalen Weg eine große Rolle. Der neue Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, sagte: "Die Thematik Frau in der Kirche ist die dringendste Zukunftsfrage, die wir haben." Demnach sei eine Sondererlaubnis für den Frauendiakonat ein mögliches Ergebnis des Reformdialogs. Wie erklären Sie sich, dass es allein unter den deutschen Bischöfen schon sehr unterschiedliche Einschätzungen bei dieser Frage gibt?
Cappabianca: Aus den oben genannten Gründen. Die Gegner des Diakonats der Frau sehen sich – nicht nur zu Unrecht – als Sachwalter der Tradition und als Stimme der Weltkirche. Weiterkommen wir meines Erachtens nur, wenn wir tiefer in die Theologie des Weiheamtes einsteigen und diese – theologisch – weiterentwickeln. Das wird von allen ein Abrücken von der eigenen Position bedeuten.
Frage: In Deutschland engagieren sich viele katholische Frauen und Männer für die Einführung des sakramentalen Diakonats von Frauen. Der Katholische Deutsche Frauenbund e.V. (KDFB), die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd), das Netzwerk Diakonat der Frau und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) haben diese Forderung 2017 in einer gemeinsamen Erklärung nochmals bestärkt. Was glauben Sie, wie viele "Tage der Diakonin" wird es noch geben, bis eine Frau im Einvernehmen mit der Kirche zur Diakonin geweiht wird?
Cappabianca: Ich bin kein Prophet, wünschte mir aber, es wäre nicht der Sankt Nimmerleinstag. Dem Dominikanerorden – der eigentlich Predigerorden heißt – gehören ja sowohl Männer als auch Frauen an – und das seit über 800 Jahren. Und schon immer haben die Frauen im Orden ihr Charisma als amtliche "Verkündigung" verstanden. Schwestern und Brüder legen gleichermaßen ihre Profess auf die Nachfolge des Heiligen Dominikus ab. Das ist wohl der Grund, warum der "Tag der Diakonin" am Fest der Heiligen Dominikanerterziarin Katharina von Siena gefeiert wird.
Das Interview führte der Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum Berlin.