Das ZDF schickt die Weltreligionen in eine Glaubens-WG

Gelungenes TV-Experiment

Fünf Gläubige der großen Weltreligionen und eine Atheistin wohnen in "Against all Gods" für eine Woche zusammen. Dass das gut geht, liegt am interreligiösen Grundsatz der Versöhnung und der Bindewirkung der Kartoffel.

Autor/in:
Steffen Grimberg
Symbole der großen monotheistischen Religionen  / © godongphoto (shutterstock)
Symbole der großen monotheistischen Religionen / © godongphoto ( shutterstock )

Der Titel ist provokant und genauso gemeint: "Against all Gods" nennt das ZDF sein Wohngemeinschafts-Experiment. Gläubige der großen Weltreligionen leben gemeinsam mit einer bekennenden Atheistin eine Woche lang in einem Berliner Loft zusammen. 

Was leicht in eine klischeehafte Aneinanderreihung von Vorurteilen und Glaubensgrundsätzen hätte abgleiten können, entpuppt sich als spannendes, lehrreiches und zu Herzen gehendes Szenario. Bei dem aber auch jede Religionsgemeinschaft "ihr Fett wegkriegt".

Serie ab 13. September in der Mediathek

Die sechsteilige Serie mit dem Zusatztitel "Die Glaubens-WG" stammt aus der Reportagereihe "37 Grad". Ab 13. September steht sie in der ZDF-Mediathek bereit und ab dem 15. September später läuft sie im linearen Programm an.

Schon das Casting der Personen beweist gutes Gespür der Macherinnen Aurelia Kanetzky und Katharina Reinartz (Buch und Regie): Der 24-jährige Omar lebt in Berlin-Moabit. Als gewissenhafter Muslim betet er fünfmal am Tag und besucht regelmäßig die Moschee. Neben seinem Hauptjob als Erzieher hilft er bei einem muslimischen Bestattungsunternehmen aus. Seine Frau Julia ist vom Christentum zum Islam konvertiert. 

Lars (27) stammt aus der Ukraine, ist aber in Unna zur Schule gegangen und studiert Jura in Berlin. Er trägt den Davidstern und feiert die jüdischen Feiertage, ist aber eher weltlich aufgewachsen.

Gelungenes Casting

Dharmasara (30) erlebte als Kind und Jugendlicher in Berlin eine atheistische Umgebung, geriet bei einem Praktikum in Japan in eine Sinnkrise und widmet sein Leben seitdem dem Buddhismus. Sagitha (29) lebt als ledige Frau nicht mehr bei ihren Eltern, was für strenggläubige Hindi eher ungewöhnlich ist. 

Für das Christentum und die katholische Kirche zieht die 25-jährige Sorbin Gloria in die WG, die den Glauben ihre Heimat nennt und ihre Wahrheit in der Bibel findet.

Als so gar nicht gläubige Herausforderung ist zudem die Influencerin und Sängerin Josimelonie (30) mit dabei, für die alle Religionen "moderne Sekten" sind. Als Transperson fühlt sie sich von allen Glaubensrichtungen ausgegrenzt, besonders von der katholischen Kirche.

Konflikte scheinen so programmiert, und natürlich ist der Anfang etwas krampfig. Omar will den anderen aus religiösen Gründen nicht die Hand geben. Doch gerade Josimelonie übernimmt in Folge 1 ("Alle unter (s)einem Dach") das Heft des Handelns mit typisch kölschem Charme und entspannt die Situation. Dabei wird schnell klar, dass ihre neuen Mitbewohnerinnen und Mitbewohner auch sie stärker herausfordern, als sie anfangs gedacht hatte.

Entscheidung auf dem "Ja"- und "Nein"-Sofa

Die Regie konfrontiert die WG-Bewohner mit Aufgaben und Fragen, die alle dazu zwingen, sich mit ihrem Glauben und vor allem dem der anderen auseinanderzusetzen. Gleich die erste Aufgabe führt zu einer kleinen Zerreißprobe. "Ich bedauere Menschen, die meinen Glauben nicht teilen", heißt sie - und im WG-Wohnzimmer stehen ein "Ja"- und ein "Nein"-Sofa.

Dass bei der Ankündigung des Projekts bald von einem religiösen "Big Brother"-Format die Rede war, darf getrost ins Reich des Marketings verbannt werden. Es werden hier keine Sieger gekürt, vielmehr begleitet die Kamera die sechs Teilnehmer behutsam, mit Respekt und ohne jeden Voyeurismus. Das gilt auch für die "Confession Cam", in die die Teilnehmenden ganz direkt ihre Gedanken und Gefühle äußern können. 

Dabei spielt die Doku angenehm selbstironisch mit der Gravität ihres Themas: Eine der Confession Cams ist zwischen Waschmaschine und Wäscheständer installiert, und Zwischenüberschriften wie "Heiligkeit und Recht und Freiheit" oder "Deutschland, ein Schauermärchen" gliedern die einzelnen Episoden.

Schmutzige Wäsche wird aber kaum gewaschen, alle sind sich ihrer Verantwortung bewusst. Und so thematisiert "Against all Gods" hintereinander Sünde, Reue und Vergebung, das Deutschsein oder das Verhältnis zu Deutschland - und damit auch zu seiner Geschichte. Es geht um Liebe, Sex und Partnerschaft sowie um die ewigen Fragen nach dem Leben und dem Tod.

Natürlich hat die WG auch Ausgang - zum Thema Leben und Tod gehört ein Skydive als Mutprobe genau so wie ein Gang zum Friedhof. Die deutsche Geschichte wird per Stadttour in Berlin durchmessen und das Deutschsein an sich beim Festmahl, bei dem alle traditionelle Spezialitäten aus den Ursprungsregionen ihrer Religion kredenzen wollten. Dessen Ergebnis Dharmasara aber am Tag danach nüchtern-erstaunt in die magischen Worte fasst: "Es gab gestern ja fast nur Kartoffeln."

Prominente Gäste diskutieren mit

Und dann kommt auch noch Besuch. "Zeit"-Autorin Sabine Rückert diskutiert in der Folge über Sünde und Vergebung mit der WG über einen realen Kriminalfall, bei dem eine Ehefrau nach Jahren der Misshandlung ihrem Mann einen Auftragskiller schickte. Die Moderatorin Maria Popov, Spezialistin für schwierige Themen bei funk, dem jungen Netzwerk von ARD und ZDF, ist für Liebe, Sex und Partnerschaft optimal besetzt. Und in der letzten Folge klingelt der Grünen-Politiker Jürgen Trittin und wirft das Thema Krieg in Nahost auf.

Hier droht das erste und einzige Mal die Situation wirklich zu eskalieren. Doch mittlerweile kennen sich die Sechs so gut, dass die eigene Betroffenheit, Lars' Angst und Omars wütende Sprachlosigkeit ausgehalten werden können.

Und so versöhnend wie konstruktiv löst sich auch die Glaubens-WG nach einer Woche wieder auf. Beim "Check-Out" ist das Nein-Sofa bei der Wiederholung des Eingangsstatements "Ich bedauere Menschen, die meinen Glauben nicht teilen", beinahe überfüllt.

Interreligiöser Dialog

Der interreligiöse Dialog ist der katholischen Kirche ein wichtiges Anliegen. Sie versteht darunter alle positiven Beziehungen mit Personen und Gemeinschaften anderen Glaubens, um sich gegenseitig zu verstehen und einander zu bereichern. Im Dialog geben die Gläubigen Zeugnis von der Wahrheit ihres Glaubens im Respekt vor der religiösen Überzeugung des Anderen. So gehören Dialog und Verkündigung zusammen.

Der interreligiöse Dialog wird auf unterschiedlichen Ebenen vollzogen:

Symbolbild: Interreligiöser Dialog / © godongphoto (shutterstock)
Symbolbild: Interreligiöser Dialog / © godongphoto ( shutterstock )
Quelle:
KNA