DOMRADIO.DE: Warum ist das Treffen gerade jetzt so wichtig?
Matthias Kopp (Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz): Weil wir in einer Welt leben, die völlig von Konflikten zerrissen ist. Das wurde auf der Veranstaltung am Sonntag auch sehr deutlich. Dort hat die Vertreterin von Sant'Egidio aus der Ukraine von der Zerstörung ihres Gebäudes berichtet und ganz eindrucksvoll dargelegt, dass wir dringend Frieden brauchen.
Das war die junge Frau, die in dem Plenum mit 4.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern gestern den größten Applaus bekommen hat, weil es auch am emotionalsten war. Der Ukrainekrieg überschattet alles und gleichzeitig haben die vielen Redner gestern zum Auftakt auch daran erinnert, dass es viele andere Konflikte gibt, die wir nicht vergessen dürfen: im Nahen Osten, im Kaukasus, Armenien, Bergkarabach, Aserbaidschan und auch in Afrika.
DOMRADIO.DE: Europäische Regierungsvertreter waren auch da. Wie haben Sie das wahrgenommen?
Kopp: Sehr eindrucksvoll. Emmanuel Macron hat eine brillante Rede gehalten, nicht nur rhetorisch, sondern auch inhaltlich und vor allem die Frage gestellt, welchen Beitrag Religionen für den Frieden leisten können. Er hat natürlich aus einem säkular geprägten Umfeld aus für Frankreich berichtet, aber eben letztlich auch die Religionen, die ja alle vertreten waren, vom Shintoismus über den Buddhismus, Islam, Judentum, Christentum, aufgerufen, Widerstand zu leisten, wenn es um eine Gefährdung des Friedens geht.
Das war ein nachdenklicher Appell, den Macron jenseits seines Redemanuskripts entwickelt hat und zugleich ein eindrucksvoller. Genauso der italienische Staatspräsident Mattarella, der von einem Heiligen Frieden sprach. Es dürfe keinen Heiligen Krieg geben. Da war schon eine große Dynamik drin. Deshalb ist dieses Friedenstreffen von Sant'Egidio, das es seit 1986 gibt, auch in einem internationalen Kontext von großer Bedeutung.
DOMRADIO.DE: Es wird auch jetzt noch in den Foren, die heute und morgen stattfinden, viel gesprochen werden. Was erwarten Sie?
Kopp: Eine breite Diskussion über das, was Frieden möglich macht. Da geht es auch um die Frage von Klimagerechtigkeit und Frieden. Es geht natürlich um die Frage von Waffenlieferungen. Aber immer wieder wird der Ukrainekrieg in der Mitte der Beobachtung stehen.
Es ist interessanterweise in Rom auch der Vertreter des russischen Außenamtes der russisch-orthodoxen Kirche, Metropolit Antonij, da. Er war auch gestern bei der Eröffnung anwesend.
Es war sehr interessant, wann er applaudierte und wann er vor allem nicht applaudierte, besonders dann, wenn es um die Ukraine geht. Deshalb werden in Rom sicherlich in den nächsten Tagen die Fragen gestellt, was die Kirchen – auch die russisch-orthodoxe Kirche – leisten müssen, damit ein Frieden in der Region, in der Ukraine wieder gelingen kann.
DOMRADIO.DE: Inwieweit hat man die Umsetzung im Blick, nachher Ziele weiterzuverfolgen?
Kopp: Es sind sehr hochrangige Religionsvertreter hier. Der Chef der Islamischen Liga zum Beispiel, ein saudi-arabischer Prinz, der natürlich einen starken Einfluss auf seine Regierung in Saudi-Arabien hat. Wir haben Vertreter aus dem Iran, aus dem Irak hier. Die müssen die Verpflichtung haben, das, was sie hier nicht nur gehört haben, auch irgendwo in der Politik umzusetzen.
Deshalb war es so wichtig, dass gestern der Auftakt auch mit Macron, mit Mattarella und Kardinal Zuppi ein politischer war. Der Vorsitzende der Italienischen Bischofskonferenz und Erzbischof von Bologna hat genau das klar gemacht: Nicht nur reden, wir müssen auch handeln. Das wird – glaube ich – am deutlichsten morgen, wenn Papst Franziskus auch noch zu diesem Friedenstreffen kommt, das seinen Abschluss vor dem Kolosseum haben wird, um dort dann öffentlich mit Vertretern der Weltkirche, der Weltreligionen für den Frieden zu beten.
Das Interview führte Dagmar Peters.