Debatte über Familiennachzug in Politik und Kirchen hält an

Caritas-Präsident: "Debatte um Obergrenze völlig verfehlt"

Der Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus ist bis zum 16. März 2018 ausgesetzt. Die Union will diese Regelung verlängern, die SPD ist und die katholische Kirche sehen das anders. Ein Überblick.

 (DR)

Caritas-Präsident Peter Neher sieht im Streit um eine Obergrenze ein falsches Signal an die bereits zugewanderten Menschen. Im Interview der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstag) sagte Neher: "Ich halte die Debatte um die Obergrenze für völlig verfehlt. Sie ist für diejenigen, die bereits hier sind und heimisch werden wollen, die sich um eine Wohnung und Arbeit bemühen, eine Brüskierung." Diese Menschen erlebten eine Debatte darüber, dass man sie eigentlich nicht wolle. "Das ist weder ermutigend noch ein Ansporn, in dieser Gesellschaft Fuß fassen zu wollen."

Zudem gehe es um ganz unterschiedliche Menschen, betonte Neher: "Da sind welche, die persönlich verfolgt wurden und bei denen sich die Frage nach Asyl stellt. Da kann ich nur noch einmal betonen: Asyl kennt keine Obergrenze. Das Grundgesetz kennt keine Obergrenze."

Darüber hinaus gebe es Flüchtlinge, die sich hier eine bessere Zukunft erhofften. Für diese Menschen sollte es ein Einwanderungsgesetz geben. "Nicht jeder findet hier Arbeit, auch wenn er sich dies wünscht. Daher bin ich für ein Einwanderungsgesetz, das die Bedingungen klärt. Allerdings nicht so, dass wir uns nur die Besten abschöpfen." Denkbar sei etwa, "eine zirkuläre, temporäre Migration" zu fördern, so Neher. "Es könnten beispielsweise Menschen hier eine Ausbildung machen und qualifiziert werden, die später in ihre Heimatländer zurückgehen. Das wäre eine Form der Entwicklungszusammenarbeit."

Mehr Zurspuch für den Familiennachzug 

Der Osnabrücker katholische Bischof Franz-Josef Bode spricht sich für den Familiennachzug aus. "Natürlich können nicht alle gleich mit Großfamilien kommen, insbesondere wenn der langfristige Status des jeweiligen Flüchtlings noch ungeklärt ist", sagte der stellvertretende Vorsitzende der Bischofskonferenz der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstag). "Wenn wir aber jemanden aufgenommen haben, muss es auch möglich sein, dass sein nahes Umfeld, die Kernfamilie, daran teilhat."

Der Bischof wandte sich gegen "vermeintlich einfache" Lösungen. "Diese Dinge sind komplex. Man muss dazu die Lage in den Herkunftsländern betrachten, aber auch die der einzelnen Menschen." Auch der Hamburger Erzbischof Stefan Heße bekräftigte die Haltung der katholischen Kirche: "Wenn Christen den hohen Stellenwert der Familie betonen, dann darf dies keine Schönwetterveranstaltung sein", betonte der Flüchtlingsbeauftragte der Bischofskonferenz in der Zeitung "Die Tagespost".

Was sagen die Politiker der SPD?

Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig fordert die Union zu Kompromissen auf: "Der Familiennachzug war von Anfang an ein Thema, das ideologisch aufgeladen wird - aber an dieser Frage darf keine Regierung scheitern!" betont die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern im Deutschlandfunk. Die SPD sei "grundsätzlich für den Familiennachzug, weil er natürlich auch die Integration befördert".

Ihrer Ansicht nach geht es um etwa 70.000 Menschen, die zudem nicht schnell und auf einmal kommen würden. Die Wahl mit großen Verlusten für Union und SPD habe gezeigt, dass beide zu einer gemeinsamen Linie finden müssten, so Schwesig: "Wenn die Große Koalition einen Fehler gemacht hat, dann ist es der, dass es bei der Frage 'Zuwanderung, Flüchtlingsaufnahme, Integration' keine Gemeinsamkeit gab!" SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles fügte in der "Bild am Sonntag" hinzu: "Wir wollen ein geordnetes und gestaffeltes Verfahren, das den Familiennachzug grundsätzlich ermöglicht." Darüber werde jetzt verhandelt.

Und was findet die CDU?

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) betonte, er sehe Chancen für eine Einigung. Seine Partei habe dabei die eindeutige Position, den Familiennachzug weiter aussetzen zu wollen: "Über Härtefälle muss man reden und Kriterien festlegen." Ähnlich wie mit Grünen und FDP könne dies auch mit der SPD gelingen.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Stefan Müller, forderte in der "Passauer Neuen Presse" einen Kurswechsel der SPD: "Wir haben gemeinsam mit der SPD beschlossen, den Zuzug für subsidiär geschützte Flüchtlinge auszusetzen. Die Gründe von damals sind heute genauso aktuell, deswegen gibt es keine Argumente, den Familiennachzug jetzt wieder zu ermöglichen."


Caritas-Präsident Peter Neher im Gespräch / © Harald Oppitz (KNA)
Caritas-Präsident Peter Neher im Gespräch / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA