Die Thesen von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) zur deutschen Leitkultur sorgen weiter für heftige Diskussionen. Kritik kommt unter anderem von SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz: "Die deutsche Leitkultur ist Freiheit, Gerechtigkeit, und ein gutes Miteinander, so wie es im Grundgesetz steht", sagte der Parteichef der "Süddeutschen Zeitung" (Montag). Der Minister habe eine "Scheindebatte" angestoßen, um von eigenen Versäumnissen abzulenken.
Sahra Wagenknecht, Vorsitzende der Linksfraktion im Deutschen Bundestag, sagte der "Welt" (Montag): "Statt zum hundertsten Mal über Leitkultur zu schwadronieren, sollte der Innenminister sich lieber dafür einsetzen, dass von Erdogan gesteuerte Hassprediger nicht länger an deutschen Moscheen Zwietracht und Unfrieden säen."
Herrmann fordert Taten
De Maizière hatte in der "Bild am Sonntag" einen Zehn-Punkte-Katalog zur deutschen Leitkultur veröffentlicht. Unter dem Begriff der Leitkultur verstehe er eine "Richtschnur des Zusammenlebens", schrieb der Minister: "Über Sprache, Verfassung und Achtung der Grundrechte hinaus gibt es etwas, was uns im Innersten zusammenhält, was uns ausmacht und was uns von anderen unterscheidet."
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) verteidigte den Vorstoß seines Unionskollegen, verlangte aber auch konkrete Taten: "Bundesinnenminister de Maizière hat Recht, die Notwendigkeit einer deutschen Leitkultur hervorzuheben", sagte Hermann der "Welt". "Wir brauchen aber nicht nur Worte, sondern auch eine klare Umsetzung: Wer sich als Zuwanderer nicht in Deutschland integrieren will, muss in letzter Konsequenz unser Land verlassen." Der starke Flüchtlingszustrom der vergangenen Jahre habe große Teile der Bevölkerung verunsichert.
"Überfällige" Debatte
Manfred Weber, stellvertretender CSU-Vorsitzender und EVP-Fraktionschef im Europäischen Parlament, bezeichnete die Leitkultur-Debatte als "überfällig". "In einer Welt, in der Migration eine der drängendsten Herausforderungen ist, suchen die Menschen Orientierung", sagte er der "Passauer Neuen Presse" (Montag). Bayern und Deutschland seien durch ihre gewachsenen gesellschaftlichen Strukturen lebenswert. Das gelte es zu erhalten. "Eine Leitkultur verhindert Parallelgesellschaften und gibt der Integration die erfolgreiche Richtung", sagte Weber.
In seinem Zehn-Punkte-Katalog hatte de Maizière unter anderem soziale Gewohnheiten der Deutschen hervorgehoben, die Ausdruck einer bestimmten Haltung seien: "Wir sagen unseren Namen, wir geben uns zur Begrüßung die Hand", unterstrich der Minister. "Wir sind eine offene Gesellschaft. Wir zeigen unser Gesicht. Wir sind nicht Burka."