"Ich hab das Gefühl, ich werde hier abgestellt!" Der Fundamentaltheologe Magnus Striet nimmt den kurzzeitigen Ausfall seines Mikrofons mit Humor - der Freiburger Hochschullehrer wurde in den vergangenen Wochen Ziel von harter Kritik bis hin zu persönlichen Anfeindungen für seine Reformvorschläge für die katholische Kirche.
Manch einer seiner Kritiker würde ein dauerhaftes Schweigen vielleicht tatsächlich begrüßen, am Dienstagabend aber hören die zahlreichen Besucher im Festsaal der Uni Bonn bei der Diskussionsveranstaltung genau hin.
Striets theologischer Widerpart ist der emeritierte Bonner Dogmatik-Professor Karl-Heinz Menke, der den Synodalen Weg wiederholt deutlich kritisiert hat. Schon in der Begrüßung durch den Dekan der katholisch-theologischen Fakultät, Prof. Jochen Sautermeister, wird die Atmosphäre des Abends deutlich. Es geht um den Austausch von theologischen Argumenten, es wird gestritten, aber stets respektvoll. Menke und Striet duzen sich, hin und wieder lachen beide trotz der sehr ernsthaft geführten Diskussion.
Prof. Menke versucht am Anfang seines Impulsreferates erst gar nicht, bestehende Unterschiede glatt zu bügeln: "Zwischen mir und Magnus Striet geht es um Grundsätzliches". In Veröffentlichungen haben die beiden Theologen ihre Argumente schon ausgetauscht, jetzt geht es um ein direktes Gespräch.
Synodaler Weg als Streitpunkt
Menke bekräftigt seine grundsätzliche Kritik am Synodalen Weg: "Eine weder kirchenrechtlich noch demokratisch legitimierte Versammlung mit der seltsamen Selbstbezeichnung "Synodaler Weg" setzt die theologische Erkenntnislehre der katholischen Weltkirche außer Kraft. Wohlgemerkt die deutschen Katholiken, die 1,2% des Welt-Katholizismus ausmachen."
Menke entfaltet anschließend seinen Begriff von Freiheit und von Offenbarung: "Offenbarung ist zuerst Grund des Glaubens, den man als fides qua von der fides quae unterscheidet. Die fides quae ist nachträgliche Deutung einer zuvor empfangenen Gewissheit. Aber auch die fides quae ist nicht ausschließlich vom Menschen gesetzt. Der sich offenbarende Gott ist in demselben Maße Grund des Verstehens wie der ihn verstehende Mensch."
Magnus Striet spricht bei seiner Erwiderung frei, verweist auf die Bibel, die schon immer das Gottesbild korrigiert habe, so sei die Gottesvorstellung im Buch Hiob verändert worden. Doch dieser Aufklärungsprozess sei gestoppt worden: "Mein schwerer Verdacht ist, dass die Kirchenkrise, wie wir sie im Moment im katholischen Bereich erleben, hängt wesentlich damit zusammen, dass im 19. Jahrhundert diese biblisch eingeforderte, auf Dauer gestellte Aufklärungspraxis lehramtlich, iurisdiktionell totgestellt worden ist. Mit diesen Folgen kämpfen wir bis heute!"
Faire Diskussion mit wenig Annäherung
Auch wenn die Veranstaltung "Theologie und Synodaler Weg" heißt, sprechen die beiden Professoren vor allem über Theologie – die Namen von Theologen und Philosophen fliegen hin und her, beide vermeiden polemische Zuspitzungen, sondern arbeiten Unterschiede in ihrem Verständnis von Freiheit, Offenbarung und Dogma heraus.
Dabei räumt Menke ein, dass es vielleicht besser gewesen wäre, wenn zum Beispiel das Unfehlbarkeitsdogma zum Papst im 19. Jahrhundert nicht beschlossen worden wäre, Striet betont, dass mit Blick auf den Tod und dem vielen Leid nur Gott die Menschen heilen kann.
Eine argumentative Annäherung findet nicht statt, beide versuchen engagiert, ihre Thesen zu verteidigen: "Nö!" – "Doch!" – Nein!" Im Hin und Her der Argumente zeigen beide bei aller Kritik Respekt vor der Haltung des anderen.
Menschenrechte für alle?
Die bisweilen ironisch eingefärbte Moderation von Cornelia Richter, evangelische Professorin für Systematische Theologie und Hermeneutik der Uni Bonn, stellt immer wieder Zusammenhänge her, die Einwürfe vom Kultursoziologen Prof. Clemens Albrecht sorgen dafür, dass die Debatte nicht zu unkonkret wird.
Die Universalität der Menschenrechte unterstreichen Striet wie Menke, der emeritierte Dogmatiker glaubt aber, dass eine Gesellschaft mit wenig Gläubigen gefährdet sei, in Extreme abzurutschen.
Fragen aus dem Plenum sind nicht zugelassen, auffällig ist, dass viele ältere Menschen gekommen sind, Studierende der Uni sind in der deutlichen Minderheit.
Immerhin ist der Andrang ist so groß, dass Dekan Sautermeister die Veranstaltung etwas später beginnen lässt. Für Gläubige ohne Theologiestudium wirkt die Diskussion zwischen Striet und Menke an der ein oder anderen Stelle vielleicht etwas kleinteilig.
Doch der respektvolle und ernsthafte Charakter der Debatte ist ohne Frage beispielhaft dafür, wie Katholikinnen und Katholiken bei allen Gegensätzen miteinander umgehen sollten.