Debatten über den Synodalen Weg können auch fair verlaufen

Mit der Kraft des Arguments

"Verrat an der Wahrheit" oder in "Dogmen erstarrt"? Gespräche um Reformen in der Katholischen Kirche werden oft genug mit harten Bandagen geführt. Eine Veranstaltung der Uni Bonn zeigt hingegen, wie Diskussionen gelingen können.

Autor/in:
Mathias Peter
Ohne Polemik, aber mit viel Sachverstand: die Veranstaltung "Theologie und Synodaler Weg" / © Julia Steinbrecht (KNA)
Ohne Polemik, aber mit viel Sachverstand: die Veranstaltung "Theologie und Synodaler Weg" / © Julia Steinbrecht ( KNA )

"Ich hab das Gefühl, ich werde hier abgestellt!" Der Fundamentaltheologe Magnus Striet nimmt den kurzzeitigen Ausfall seines Mikrofons mit Humor - der Freiburger Hochschullehrer wurde in den vergangenen Wochen Ziel von harter Kritik bis hin zu persönlichen Anfeindungen für seine Reformvorschläge für die katholische Kirche.

Manch einer seiner Kritiker würde ein dauerhaftes Schweigen vielleicht tatsächlich begrüßen, am Dienstagabend aber hören die zahlreichen Besucher im Festsaal der Uni Bonn bei der Diskussionsveranstaltung genau hin.

Karl-Heinz Menke, emeritierter Professor für Dogmatik und Theologische Propädeutik an der Universität Bonn / © Julia Steinbrecht (KNA)
Karl-Heinz Menke, emeritierter Professor für Dogmatik und Theologische Propädeutik an der Universität Bonn / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Striets theologischer Widerpart ist der emeritierte Bonner Dogmatik-Professor Karl-Heinz Menke, der den Synodalen Weg wiederholt deutlich kritisiert hat. Schon in der Begrüßung durch den Dekan der katholisch-theologischen Fakultät, Prof. Jochen Sautermeister, wird die Atmosphäre des Abends deutlich. Es geht um den Austausch von theologischen Argumenten, es wird gestritten, aber stets respektvoll. Menke und Striet duzen sich, hin und wieder lachen beide trotz der sehr ernsthaft geführten Diskussion.

Prof. Menke versucht am Anfang seines Impulsreferates erst gar nicht, bestehende Unterschiede glatt zu bügeln:  "Zwischen mir und Magnus Striet geht es um Grundsätzliches". In Veröffentlichungen haben die beiden Theologen ihre Argumente schon ausgetauscht, jetzt geht es um ein direktes Gespräch.

Synodaler Weg als Streitpunkt

Menke bekräftigt seine grundsätzliche Kritik am Synodalen Weg: "Eine weder kirchenrechtlich noch demokratisch legitimierte Versammlung mit der seltsamen Selbstbezeichnung "Synodaler Weg" setzt die theologische Erkenntnislehre der katholischen Weltkirche außer Kraft. Wohlgemerkt die deutschen Katholiken, die 1,2% des Welt-Katholizismus ausmachen."

Menke entfaltet anschließend seinen Begriff von Freiheit und von Offenbarung: "Offenbarung ist zuerst Grund des Glaubens, den man als fides qua von der fides quae unterscheidet. Die fides quae ist nachträgliche Deutung einer zuvor empfangenen Gewissheit. Aber auch die fides quae ist nicht ausschließlich vom Menschen gesetzt. Der sich offenbarende Gott ist in demselben Maße Grund des Verstehens wie der ihn verstehende Mensch."

Magnus Striet, Professor für Fundamentaltheologie an der Universität Freiburg, spricht am 17. Januar 2023 in Bonn / © Julia Steinbrecht (KNA)
Magnus Striet, Professor für Fundamentaltheologie an der Universität Freiburg, spricht am 17. Januar 2023 in Bonn / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Magnus Striet spricht bei seiner Erwiderung frei, verweist auf die Bibel, die schon immer das Gottesbild korrigiert habe, so sei die Gottesvorstellung im Buch Hiob verändert worden. Doch dieser Aufklärungsprozess sei gestoppt worden: "Mein schwerer Verdacht ist, dass die Kirchenkrise, wie wir sie im Moment im katholischen Bereich erleben, hängt wesentlich damit zusammen, dass im 19. Jahrhundert diese biblisch eingeforderte, auf Dauer gestellte Aufklärungspraxis lehramtlich, iurisdiktionell totgestellt worden ist. Mit diesen Folgen kämpfen wir bis heute!"

Faire Diskussion mit wenig Annäherung

Auch wenn die Veranstaltung "Theologie und Synodaler Weg" heißt, sprechen die beiden Professoren vor allem über Theologie – die Namen von Theologen und Philosophen fliegen hin und her, beide vermeiden polemische Zuspitzungen, sondern arbeiten Unterschiede in ihrem Verständnis von Freiheit, Offenbarung und Dogma heraus.

Dabei räumt Menke ein, dass es vielleicht besser gewesen wäre, wenn zum Beispiel das Unfehlbarkeitsdogma zum Papst im 19. Jahrhundert nicht beschlossen worden wäre, Striet betont, dass mit Blick auf den Tod und dem vielen Leid nur Gott die Menschen heilen kann.

Eine argumentative Annäherung findet nicht statt, beide versuchen engagiert, ihre Thesen zu verteidigen: "Nö!" – "Doch!" – Nein!" Im Hin und Her der Argumente zeigen beide bei aller Kritik Respekt vor der Haltung des anderen.

Menschenrechte für alle?

Die bisweilen ironisch eingefärbte Moderation von Cornelia Richter, evangelische Professorin für Systematische Theologie und Hermeneutik der Uni Bonn, stellt immer wieder Zusammenhänge her, die Einwürfe vom Kultursoziologen Prof. Clemens Albrecht sorgen dafür, dass die Debatte nicht zu unkonkret wird.

Die Universalität der Menschenrechte unterstreichen Striet wie Menke, der emeritierte Dogmatiker glaubt aber, dass eine Gesellschaft mit wenig Gläubigen gefährdet sei, in Extreme abzurutschen.

Cornelia Richter, Professorin für Systematische Theologie an der Universität Bonn / © Julia Steinbrecht (KNA)
Cornelia Richter, Professorin für Systematische Theologie an der Universität Bonn / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Fragen aus dem Plenum sind nicht zugelassen, auffällig ist, dass viele ältere Menschen gekommen sind, Studierende der Uni sind in der deutlichen Minderheit.

Immerhin ist der Andrang ist so groß, dass Dekan Sautermeister die Veranstaltung etwas später beginnen lässt. Für Gläubige ohne Theologiestudium wirkt die Diskussion zwischen Striet und Menke an der ein oder anderen Stelle vielleicht etwas kleinteilig.

Doch der respektvolle und ernsthafte Charakter der Debatte ist ohne Frage beispielhaft dafür, wie Katholikinnen und Katholiken bei allen Gegensätzen miteinander umgehen sollten.

Theologen: Synodaler Weg muss tiefgehende Probleme mehr beachten

Aktuelle katholische Reformfragen müssen sich aus Sicht der Theologen Karl-Heinz Menke und Magnus Striet stärker auf grundlegende Probleme fokussieren. "Es geht um die Frage, welches Menschenrecht, welche Vorstellung von Freiheit darf im Raum der katholischen Kirche sein? Das ist der entscheidende Punkt", sagte Striet am Dienstagabend in der Universität Bonn bei einer Debatte zum Reformprozess der katholischen Kirche, dem Synodalen Weg. Es habe Gründe, dass der Vatikan die Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen bis heute nicht unterzeichnet hat.

Befürworter des Synodalen Weges / © Elena Hong (DR)
Befürworter des Synodalen Weges / © Elena Hong ( DR )
Quelle:
DR