Was hat ein ex-jugoslawischer Regimekritiker mit einem afrikanischen Politiker und Koffern voller Geld zu tun? Vorweg, sie sind nicht die Akteure eines Hollywood-Politthrillers. Stattdessen bestimmten sie in den vergangenen Jahren den politischen Alltag Südafrikas. Höhepunkt: Der Rücktritt von Präsident Jacob Zuma im Februar 2018.
Branko Brkic ist müde. Bis drei Uhr morgens saß der Herausgeber des "Daily Mavericks" ("Täglicher Querdenker") vergangene Nacht vor dem Laptop, um Südafrikas einflussreichste Online-Zeitung für heute vorzubereiten. Doch hinter schläfrigen Augen und Dreitagebart arbeitet ein scharfer Verstand. Die Tafelberg-Kulisse im Hintergrund, berichtet der aus Belgrad stammende Journalist von jenem Anruf eines Freundes vor zwei Jahren, der die Innenpolitik seiner neuen Heimat Südafrika auf den Kopf stellen sollte.
"Er sagte, ich solle den nächsten Flieger nach Johannesburg nehmen, sofort." In der Wirtschaftshochburg des Landes warteten zwei Informanten auf Brkic. Sie hatten explosives Material auf einer Festplatte: rund 200.000 Emails, die Korruption in die höchste Regierungsebene nachwiesen und in den kommenden Wochen weltweit als "GuptaLeaks-Skandal" die Medien beschäftigen sollten.
Hat Ex-Präsident Zuma profitiert?
Jahrelang soll Südafrikas Ex-Präsident Jacob Zuma von der indischen Unternehmerfamilie Gupta profitiert haben. Im Gegenzug hätten die drei Brüder ihr Millionenvermögen durch lukrative Verträge mit Staatsunternehmen vermehrt. Ihr Einfluss soll gar so weit gereicht haben, dass sie ihre Günstlinge als Minister einsetzten. Der damalige Innenminister erklärte die Familie kurzentschlossen zu südafrikanischen Staatsbürgern.
Einer weiteren Politikerin sollen sie angeboten haben, sie "innerhalb einer Woche" zur Ministerin für Staatsbetriebe zu machen - sofern sie ihren Geschäftsinteressen zuspiele. Mehrere Hundert Millionen Euro sollen die Brüder aus der Steuerkasse erwirtschaftet haben. Ihr perfides Korruptionsnetz baute auf der Freundschaft zum damaligen Staatschef auf. Der wurde inzwischen vom regierenden ANC abgesetzt, die Guptas flohen aus dem Land.
Brkic erinnert sich: "Als wir die Dokumente in Händen hielten, wussten wir, so etwas passiert dir nur einmal im Leben. Es war Südafrikas Watergate. Doch es war größer als ich und größer als Daily Maverick." Statt exklusiv zu titeln, holte der Herausgeber die Investigativ-Journalisten zwei weiterer führender Zeitungen für die Enthüllungen hinzu. Das entspreche dem Selbstbild der Aufdecker, erklärt Brkic: In erster Linie sei man kein Konzern, sondern eine "Dienstleistung für die Nation".
Warum es einen "Querdenker" in einer jungen Demokratie wie Südafrika brauche? "Weil wir ihren Grundwert verteidigen - die Wahrheit. In einer Zeit von Fake News und industrialisierter und staatlicher Irreführung sind Akteure wie wir gefragt." Doch die Machenschaften des ANC stehen nicht allein im Fokus der Korruptionsjäger. Täglich kommt es in der Onlinezeitung zu Enthüllungen auch über Opposition und Geschäftsleute. Brkic: "Wenn wir nicht wissen, was wirklich passiert, wie soll Demokratie da überleben?"
Wie geht es mit dem Ex-Präsidenten weiter?
Und wie geht es weiter mit Südafrikas skandalumwitterten Ex-Präsidenten? "Wir haben unseren Job getan. Jetzt liegt es bei den Behörden zu reagieren", sagt Brkic mit einem Anflug von Zynismus.
Zwar glaubt er, dass es irgendwann zur Klage gegen Zuma kommt, derzeit will in Johannesburg eine Untersuchungskommission Licht in die Skandale bringen. Doch Brkic weiß, dass auch Justiz und Polizei unter Zumas Regierung litten. "In Europa können die Menschen auf einen funktionierenden Staat vertrauen. Doch wenn man in einem Land lebt, in dem der Staat von innen her aufgefressen wurde, bis nur noch die Schale existiert, dann merkst du: Du hast ein Problem."
Gerade deshalb will Brkic mit seinen 70 Reportern weitermachen. Sie sind täglich Einschüchterungen ausgesetzt, und etlichen Konzernen ist sogar eine Werbeanzeige auf ihrer Website zu heikel. Einzige Motivation ist für sie der Erfolg: vergangenen Monat feierte der Daily Maverick sein zehnjähriges Bestehen.