In den USA ist die Stimmung am Gedenktag angespannt wie nie

Der andere 11. September

Am Samstag gedenken die Menschen in den USA zum neunten Mal der Terroranschläge vom 11. September 2001 und ihrer Opfer. Die Stimmung im Lande ist eine andere als in den vergangenen Jahren. Nicht zuletzt wegen der angekündigten Koran-Verbrennung des evangelikalen Pastors Terry Jones - die nun doch nicht stattgefunden hat.

Autor/in:
Ronald Gerste
 (DR)

Stand an diesem Datum in den zurückliegenden Jahren Trauer und Gedenken im Vordergrund, herrscht 2010 eine andere Gefühlslage: Unsicherheit und Aufgeregtheit, hier und dort auch eine aggressive Anspannung. Unverkennbar ist eines: der Begriff "Islam" ist momentan allgegenwärtig, springt dem Leser aus den Tageszeitungen entgegen, dominiert die Gesprächsrunden in den Nachrichtensendungen und zunehmend auch im Privaten, beim Gespräch in der Arbeitspause oder am Tresen einer Bar. Es scheint, als hätte sich Amerika noch nie so intensiv mit der Frage beschäftigt, wie man der Forderung muslimischer Mitbürger nach umfassender Religionsfreiheit umgeht.



Dass diese Freiheit der Glaubensausübung in den USA ein so hohes Gut ist, aber in keinem Land mit islamischer Bevölkerungsmehrheit in dieser Form garantiert ist, wird mit zunehmender Bitternis registriert. Wie wäre es denn, so fragte eine Leserbriefschreiberin am Donnerstag in der New York Times, wenn Feisal Abdul Rauf, der Imam der umstrittenen Ground Zero-Moschee, nicht von den Amerikanern Toleranz einfordern würde, sondern zum Beispiel Saudi-Arabien auffordern würde, eine dem Cordoba Center (so soll der islamische Komplex in Manhattan heißen) vergleichbare Einrichtung zu bauen? Und in diesem nicht nur Christen, Muslime und Juden ohne Restriktionen beten ließe, sondern auch Frauen erlauben würde, Fortbildungen zu besuchen und im Pool der Einrichtung (so ist es geplant) zu schwimmen?



Randereignisse sind plötzlich im Mittelpunkt

Das islamische Zentrum zwei Blocks vom ehemaligen Standort des World Trade Centers und die Ankündigung des bis dato völlig unbekannten Pastors Terry Jones und seiner kleinen Kirchengemeinde, am Samstag Ausgaben des Koran zu verbrennen, haben die Problematik des Umgangs mit Muslimen in den USA in den Vordergrund der Debatte gerückt. Randereignisse, die sonst nie über einen lokalen Nachrichtencharakter hinausgekommen wären, wie der Messerangriff auf einen Taxifahrer in New York, angeblich weil dieser Moslem ist, kommen plötzlich in die Nachrichten mit bestem Sendeplatz. Manche Sprecher muslimischer Gemeinden nehmen solche Vorkommnisse geradezu begierig auf, um über angebliche antimuslimische Hetze und Gewaltbereitschaft zu schwadronieren.



Doch es geht auch anders, mit mehr Sensibilität als sie der Bauherr und der Imam von Ground Zero zeigen. Zahlreiche muslimische Gemeinden haben sich entschlossen, die Feiern zum Eid-Fest herabzustufen. Dieses fällt in diesem Jahr auf den 10. und 11. September. In Silver Springs in Maryland etwa, wo rund 10.000 Muslime leben, findet lediglich das Gebet zum Eid statt. "Keine Feierlichkeiten, kein Fest", erklärt Rashid Makhdoom, einer der Direktoren des dortigen Muslim Community Center - Singen und Tanzen fallen in diesem Jahr aus. "Die Leute achten darauf, dass es keine Festtagsstimmung am 11. September gibt, weil dies ein Tag der Tragödie ist und wir sensibel sein müssen. Das ist nun einmal die Stimmung unter den Muslimen, sehr bedrückt."



Meinungsumfragen geben jenen Muslimen, die sich um die Gefühle ihrer amerikanischen Mitbürger sorgen, durchaus Grund zur Besorgnis. Nach einer neuen Umfrage sind nicht nur zwei Drittel der Amerikaner gegen die Ground Zero-Moschee. Derzeit haben 49 Prozent der Befragten eine negative Meinung zum Islam. 2002 äußerten dies dagegen nur 39 Prozent.