Polizisten feuerten Tränengas auf Tausende Demonstranten und zogen ihre Knüppel. Am Dienstag kam es nach Augenzeugen zu den bislang größten Protesten gegen Senegals Präsident Abdoulaye Wade, der bei der Wahl am Sonntag eine dritte Amtszeit erringen will. Wie schon zuvor wurden die meist jungen Demonstranten in der Hauptstadt Dakar brutal niedergeknüppelt. Auch der Sänger Youssou N"Dour, ein abgewiesener Präsidentschaftskandidat, wurde nach eigenen Angaben verletzt.
Mindestens sechs Menschen kamen in dem westafrikanischen Land ums Leben, seitdem vor einigen Wochen ein hitziger Wahlkampf in Straßenkämpfe mit brennenden Barrikaden umschlug. Wades Regierung selbst musste einräumen, dass die Polizei übermäßig gewalttätig vorgeht - etwa vergangenen Freitag, als sie eine voll besetzte Moschee während des Mittagsgebets mit Tränengas ausräucherte. Die einflussreiche Tidiane-Bruderschaft, der die Moschee gehört, war empört.
Nun soll der ehemalige nigerianische Präsident Olusegun Obasanjo versuchen, zwischen den Lagern zu vermitteln und mit einem Beobachterteam faire Wahlen zu garantieren. Wie ihm das quasi in letzter Minute gelingen soll, weiß niemand.
Wade ist siegessicher
Denn die Fronten sind verhärtet. Wade gibt sich bereits als Sieger aus. Sein Wahlkampfmanager, Premier Souleymane Ndéné Ndiaye, sagt: "Ich glaube nicht, dass irgendjemand Wade besiegen kann." Zumindest im ersten Wahlgang dürfte Wade vorne liegen, denn die Opposition ist zerstritten. 13 Kandidaten bietet sie auf, von denen sich der ehemalige UN-Funktionär Ibrahima Fall und die Politveteranen Idrissa Seck und Macky Sall am ehesten Hoffnung machen dürfen, die zweite Runde zu erreichen. So geschlossen die Opposition Wade ablehnt, so uneins ist sie in der Frage, wer ihn ersetzen soll.
Dreiste Manipulationsversuche
N"Dour, der mit seiner Prominenz ein Oppositionsbündnis hätte erstreiten können, wurde vom Verfassungsgericht aus formalen Gründen abgelehnt: Angeblich waren zu viele Unterschriften auf seinem Wahlantrag ungültig. Die gleichen Richter hatten zuvor bestätigt, dass Wade trotz einer Verfassungsklausel, die nur zwei Amtszeiten zulässt, ein drittes Mal Präsident werden darf - weil die Klausel erst während seiner ersten Amtszeit eingeführt wurde. Wade hatte für umgerechnet 150.000 Euro aus dem Staatsetat eigens ein Rechtsgutachten in den USA eingeholt, das seine Rechtsauffassung unterstützt.
Obwohl er Ende Mai seinen 86. Geburtstag feiert, will Wade auf jeden Fall weiterregieren. In Interviews erklärt er, er wolle seine Prestigeprojekte - den neuen Flughafen von Dakar und eine Autobahn nach Saint Louis im Norden und in die Casamance im Süden - noch selber einweihen. Dass den Bürgern andere Probleme auf den Nägeln brennen - die hohen Lebensmittelpreise, die Arbeitslosigkeit von geschätzt 50 Prozent und die Perspektivlosigkeit der Jugendlichen, im Senegal mehr als die Hälfte der zwölf Millionen Einwohner - ficht Wade nicht an. Schon seit einigen Jahren werfen Kritiker ihm vor, jeden Bezug zur Realität verloren zu haben.
Die Wahl und die Dreistigkeit, mit der Wades Apparat sie zu manipulieren versucht, ist denn auch nicht der Grund, sondern eher der Anlass der Proteste. Die populärsten Anführer sind nicht Wades 13 Gegenkandidaten, sondern senegalesische Rapper wie Thiat und Mala Talla, die die Bewegung "Y"en a marre" ("Wir haben es satt") gegründet haben. Thiat wird bereits mit dem tunesischen Rapper Hamada Ben Amor verglichen, der die Hymne der Jasminrevolution sang. Senegals Jugendliche wollen nicht nur einen anderen Präsidenten, sie wollen ein anderes Land. Vielen von ihnen ist die Wahl so egal, dass sie nicht einmal die zur Stimmabgabe nötige Wahlkarte beantragt haben. Andere sind noch zu jung, um wählen zu gehen. Auch deshalb scheint es möglich, dass Wade trotz der großen Ablehnung im ersten Wahlgang gewinnt. Für diesen Fall, so haben die Anführer von "Y"en a marre" bereits angekündigt, würden sie das Land unregierbar machen.
Der 85-jährige Abdoulaye Wade will Präsident des Senegal bleiben
Ein Greis trotzt dem Gegenwind
Tränengas, Polizeiknüppel und brennende Barrikaden: Im Senegal waren die Fronten bis zum Schluss verhärtet. Jugendliche gingen vor der Wahl zu Tausenden auf die Straße - gegen Arbeitslosigkeit, Teuerung und Korruption.
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