Er will den Kapitalismus weiterentwickeln. "In unserer heutigen Gesellschaft ist der Mensch deformiert", begründet Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus sein Konzept des "social business". Das kapitalistische Wirtschaftssystem müsse nicht zwangsläufig nur auf Gewinne abzielen. Es könne auch einen sozialen Zweck erfüllen, argumentiert er. Am 28. Juni wird der Wirtschaftswissenschaftler aus Bangladesch 80 Jahre alt.
Yunus' grundlegende Idee: Nur wenige Dollars entscheiden über Elend oder selbstbestimmtes Leben. Mit Kleinstkrediten lässt sich Armut durch Eigeninitiative bekämpfen. "Das bestehende Bankensystem funktioniert nur für die Reichen, aber nicht für das einfach Volk."
Kleinkredite für Frauen
1983 erhielt er die staatliche Genehmigung für seine Grameen Bank, die "Bank auf dem Land". Sie vergibt Kleinkredite an Einzelne, vor allem Frauen - 20, 30 oder 50 US-Dollar, etwa für eine eigene Nähmaschine oder für ein Fahrrad, um die Ernte zum Markt zu bringen. Die Kredite werden nur unter der Voraussetzung angeboten, dass sich kleine Gruppen zusammenschließen und füreinander bürgen. Millionen Menschen haben seitdem solche Mikrokredite erhalten.
Sklavenähnliche Abhängigkeiten
Yunus wurde am 28. Juni 1940 in Bangladesch geboren. Fünf seiner 14 Geschwister starben noch als Kinder. Er studierte mit einem Stipendium in den USA und kehrte 1972 in seine Heimat zurück. Während einer Hungersnot 1974 zog der Professor über die Dörfer, um zu erfahren, was die Ärmsten brauchten. "Eines Tages traf ich eine sehr arme Stuhlmacherin. Das passte nicht zusammen, diese wunderbaren Stühle und das ärmliche Haus, in dem sie sie herstellte", so hat Yunus den Beginn seiner Erfolgsgeschichte beschrieben. Die Frau verdiente nur zwei Cent am Tag, weil sie bei einem Händler Geld für Bambus leihen musste. Sie bekam das Geld nur, wenn sie ihm ihre Stühle zu einem sehr niedrigen Preis verkaufte. "Mein Gott, es sieht aus wie ein geschäftlicher Deal, aber sie ist eine Sklavin", dachte sich Yunus.
Nachhaltiges und umweltbewusstes Wirtschaften
Seitdem wurde er zum "Bankier der Armen". 2006 erhielt er dafür den Friedensnobelpreis. Und das Konzept wurde von zahlreichen Organisationen kopiert. UNO, Entwicklungspolitiker, Kirchen und die Weltbank haben seine Idee gefördert. Und Yunus ging noch weiter; er gründete soziale Unternehmen, die sich um günstige Krankenversorgung, Ausbildungen von Krankenschwestern oder bezahlbare medizinische Behandlung kümmerten. Es handele sich um Unternehmen, die "darauf ausgerichtet sind, soziale Probleme zu lösen, ohne dass die Eigentümer persönlichen Profit erzielen wollen. Dabei wirtschaften sie nachhaltig und umweltbewusst", sagte er kürzlich in einem "Zeit"-Interview. Gewinne werden reinvestiert, die Mitarbeiter angemessen bezahlt.
Der Erfolg rief auch Neider auf den Plan. Und Nachahmer, die nur ihren Profit im Auge haben. "Manche benutzen den guten Namen der Mikrokredite, um als Kredithaie zu agieren", versucht sich Yunus abzugrenzen. Auch seriöse Kritik gibt es: Diskutiert wird, ob Kleinkredite wirklich Armut lindern. Schließlich habe Bangladesch noch keinen Weg aus dem Elend gefunden.
Nicht nur Befürworter
Zu seinen Gegenspielern gehörte auch die als korrupt geltende Regierung von Bangladesch. 2011 drängte sie Yunus aus seiner Bank, auch mit der Begründung, er sauge den Armen das Blut aus. "Sie sagen, Grameen sei eine Staatsbank, also müsse ich wie ein Staatsbeamter mit 60 in den Ruhestand", berichtet er und spricht von einem Vorwand, um ihn loszuwerden. Yunus ging vor Gericht - vergeblich.
Zeit für Systemwandel
Nach wie vor tourt der Wirtschaftswissenschaftler um die Welt. Der Klimawandel und eine wachsende Kluft zwischen Arm und Reich bedrücken ihn. "Das gegenwärtige Wirtschaftssystem hat die schwierigste Situation für die Welt geschaffen - und dieses Jahrzehnt ist die letzte Chance, das System zu transformieren", sagt er.
Trotzdem zeigt er sich optimistisch: Noch könne die Entwicklung aufgehalten werden. "Am Klimawandel sind nicht etwa schlechte Menschen schuld, sondern ein schlechtes Wirtschaftssystem, das diejenigen belohnt, die ihre Profite um jeden Preis maximieren", sagte er der "Zeit". Wäre das Geld gleichmäßiger verteilt, könnten mehr Menschen nach kreativen Ideen für eine bessere Welt suchen.