Kurienreform geht bereits ins siebte Jahr

Der begrenzende Faktor Geld

"Zeit ist wichtiger als Raum", lautet einer der Leitsätze von Papst Franziskus. Was damit gemeint sein kann, zeigt sich bei seiner Kurienreform, für die er sich mehr Zeit nimmt, als mancher ihm einberaumen will. Dazu kommt die finanzielle Situation.

Autor/in:
Roland Juchem
Symbolbild Kirche und Geld / © Roberto Binetti (shutterstock)
Symbolbild Kirche und Geld / © Roberto Binetti ( shutterstock )

Als es Anfang 2019 hieß, der Entwurf der neuen Kurienverfassung sei nahezu fertig, nahm manch einer das bedeutungsvolle Datum "29. Juni" in den Mund. Zu "Peter und Paul" werde der Nachfolger Petri seinen großen Wurf präsentieren.

Doch nichts dergleichen geschah. Mehr noch: Ein weiteres halbes Jahr später, Anfang Dezember, war nach der mittlerweile 32. Sitzung des Kardinalsrates nicht einmal die Rede davon, dass die verblieben sechs Kardinäle sich besonders eingehend mit dem Entwurf der angekündigten Apostolischen Konstitution "Praedicate evangelium" befasst hätten. Zudem seien wenige Tage zuvor noch Rückmeldungen eingegangen, ließ das vatikanische Presseamt wissen.

Nicht systematisch und strukturiert genug

Zu Rückmeldungen aus der Kurie hieß es, die Detailkritik einzelner Dikasterien sei umfangreicher als der Entwurf. Manche Kuriale hätten an dem, was Franziskus und seinem Beraterstab vorschwebt, einiges auszusetzen, wohl auch handwerklich. Anderen - vor allem weit weg von Rom - gingen die Reformideen noch nicht weit genug, heißt es.

Doch allem Drängen ist entgegenzuhalten: Die Kurienreform findet bereits statt, seit Jahren. Franziskus liebt es, Prozesse anzustoßen und zu schauen, wie die Dinge laufen - das alte Diktum von der "ecclesia semper reformanda" übersetzt er anscheinend mit "trial and error". Mit dem Effekt, dass solche Reformen oft nicht gerade systematisch, strukturiert oder gar hieb- und stichfest herüberkommen.

Die Hauptarbeit am Text der Konstitution machen derzeit die beiden Sekretäre: Bischof Marcello Semeraro von Albano und der ihm beigeordnete Kirchenrechtsexperte Marco Mellino, der jedoch bei der jüngsten K6-Sitzung krankheitsbedingt fehlte. Sie arbeiten anscheinend mit Erfolg: "Der zweite Entwurf ist viel besser als der erste", sagte unlängst ein Kurienkardinal. Allerdings wird sich der Kardinalsrat erst bei seiner Februar-Sitzung wieder eingehender mit der "bozza", wie der Entwurf in Rom kurz genannt wird, befassen.

Veränderungen in den Finanzen

Für die Reform hänge sehr viel davon ab, was der Papst entscheidet, mahnte ein Kurienkardinal - nicht nur was Strukturen betrifft, sondern auch das Personal. Und da gab es zuletzt einige Veränderungen, vor allem rund um das zunehmend wichtigere Thema Finanzen.

Einige verließen entnervt den kaum zu steuernden Tanker Vatikan. Unter ihnen Rene Brülhart, Präsident des Aufsichtsrates der Finanzaufsicht AIF sowie zwei weitere Mitglieder des Gremiums: AIF-Direktor Tommaso Di Ruzza ist seit der fulminanten Razzia am 1. Oktober einstweilen suspendiert, wichtige Dokumente sind beschlagnahmt, ohne dass über Vorwürfe und beschlagnahmtes Inventar informiert wurde. Auch die Büroleiterin beim Präfekten des Wirtschaftssekretariates, die Wirtschaftsprüferin Claudia Ciocca, ist gegangen. Offizielle Informationen gab es nicht; über Gründe wird spekuliert: War sie frustriert, weil man ihr in der Nachfolge von Kardinal Pell jemand anderen vor die Nase setzte, obschon sie selber gute Chancen hatte, gar auf einer Dreierliste stand? Oder war sie zu teuer im vatikanischen Gehaltsgefüge, das dringend benötigten, hochkarätigen Experten wie ihr zu wenig bieten kann?

Pells Nachfolger Juan Antonio Guerrero soll nach einiger Zeit in seinen Jesuitenorden zurückkehren. Die anderen Schwergewichte, die Franziskus angeheuert hat, sind der ehemalige römische Staatsanwalt und frühere kalabresische Mafia-Jäger Giuseppe Pignatone (70) als neuer Gerichtspräsident sowie der bisherige Finanzaufseher bei der italienischen Zentralbank Carmelo Barbagallo (63) als Brülharts Nachfolger.

Tagle neuer Leiter der vatikanischen Missionsbehörde

Zuletzt dann die Top-Personalie des Jahres: Manilas Kardinal Luis Tagle wird neuer Chef der "Propaganda fide": ein Asiate leitet das Franziskus so wichtige Dikasterium für Evangelisierung, zugleich ein immobilien-vermögendes Schwergewicht unter den Kurienbehörden.

Apropos: Ein begrenzender Faktor für die Kurienreform ist Geld. Die vom Papst gewünschte Internationalisierung, auch der Wunsch nach mehr Laien und besseren Fachkräfte kostet Geld. Doch der Vatikan steckt in einem strukturellen Defizit. Mittelfristig könnte dieses durchaus zu der von Enthüllungsjournalist Gianluigi Nuzzi behaupteten Insolvenz führen, sofern nicht Gegenmaßnahmen ergriffen werden.


Papst Franziskus und Mitglieder des Kardinalsrats / © Osservatore Romano (KNA)
Papst Franziskus und Mitglieder des Kardinalsrats / © Osservatore Romano ( KNA )
Quelle:
KNA
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