Jedes Kind erkennt sofort, dass hier etwas nicht stimmt: Der Elefant ist kleiner ist als die Maus und die Ente. Außerdem ist er blau und hat gelbe Zehennägel. Die Zielgruppe hat das nie gestört: Als der kleine blaue Elefant vor 50 Jahren zum ersten Mal in der "Sendung mit der Maus" auftauchte, haben ihn viele Kinder sofort in ihr Herz geschlossen. Kein Wunder: Im Gegensatz zur immer etwas altklug wirkenden Maus macht der Elefant einen eher gelassenen Eindruck. Er schläft gern, er isst gern und lebt seine Emotionen in erster Linie über den Körper aus.
Zu diesen Erkenntnissen ist jedenfalls die Medienwissenschaftlerin Maya Götz gekommen, die mit ihrem Team vom Internationalen Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen im Auftrag des WDR über 360 "Maus-Spots" analysiert hat. Das Trio Maus, Elefant und Ente, so ihr Resümee im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd), stehe für verschiedene Archetypen: Während die Maus "den planvollen, intellektuellen Menschen symbolisiert, ist der Elefant das 'freie Kind', das mit Neugier und Vertrauen durch die Welt stapft. Hier erkennen sich Kinder wieder, die nicht immer planvoll vorgehen, sondern mit Spontaneität und Neugier auf die Welt zugehen." Auf Erwachsene wiederum wirke der Elefant vor allem anrührend, vorausgesetzt, sie hätten sich ihr "freies Kind" bewahrt.
"Sendung mit dem Elefanten"
2007 hat der WDR den Elefanten zum Namenspatron eines eigenen Magazins gemacht. Die "Sendung mit dem Elefanten" richtet sich an Drei- bis Sechsjährige, also eine noch etwas jüngere Zielgruppe als die "Sendung mit der Maus", die ursprünglich für Vorschulkinder entwickelt worden, aber seit Jahrzehnten Familienfernsehen ist.
Heike Sistig, stellvertretende Leiterin der WDR-Programmgruppe Kinder und Familie sowie Redakteurin für die "Sendung mit dem Elefanten", erinnert sich im Gespräch mit dem epd an die Anfänge des Elefanten: "Seit dem Start der 'Sendung mit der Maus' 1971 gab es viele Abenteuer, die die Maus erlebt hatte, aber nun brauchte sie einen Spielkameraden, um neue Geschichten zu erzählen. Die soziale Komponente wurde damals immer wichtiger, und so kam 1975 der Elefant ins Spiel." Schon mit seinem ersten Auftritt am 5. Januar 1975 sorgte der kecke Rüsselträger für einen kleinen Eklat: Er trug ein Schild mit der Aufschrift "Die Sendung mit dem Elefanten".
Da ist es nicht verwunderlich, dass die Maus den neuen Gefährten zunächst als Störenfried empfunden hat; ein Gefühl, das viele Kinder kennen, wenn sie einen kleinen Bruder oder eine kleine Schwester bekommen. Das war natürlich kein Zufall, wie Sistig erläutert: "In der gemeinsamen Interaktion ist der Elefant 'das kleine Geschwisterkind'. Während die Maus von ihren kognitiven und motorischen Fähigkeiten her einem Grundschulkind entspricht, ist der Elefant im Kita-Alter. Das spiegelt sich auch im Charakter der beiden wider: Die Maus zeichnet sich eher durch Wissen aus, sie kommt fundiert zu Lösungen. Dem Elefanten dagegen passieren die Dinge, er hat nicht viel mit Logik am Hut, sondern probiert viel lieber alles aus und lernt dadurch, was funktioniert und was nicht."
Ein kleiner Elefant
Als "kleiner Bruder" muss der Elefant selbstverständlich auch von geringerer Größe sein. Aber, sagt Sistig, es sei der Redaktion auch wichtig gewesen, Klischees aufzubrechen und neue Perspektiven aufzuzeigen. Der Zeichentrickfilmer Friedrich Streich, der den Elefanten gestaltet hat, habe eine Umkehrung der gewohnten Tatsachen gewollt, und dieser Gedanke habe perfekt zur Philosophie gepasst: "Schließlich geht es bei der 'Sendung mit der Maus' auch häufig darum, kleine Dinge ganz groß und detailliert zu zeigen oder größere Prozesse zu verkleinern, damit Kinder sie verstehen können. Die Verdrehung der Verhältnisse von Groß und Klein in Maus und Elefant spiegelte somit auch symbolisch die ganze Sendung wider."
Kerngedanke der Sendung mit dem Elefanten sei ein neugieriger, offener Blick, der den Kindern die Welt zeigt und sie altersgerecht erklärt. Im Unterschied zur "Maus" animiere sie die Kinder immer wieder zum Mitmachen. Mit seinen vielen Bestandteilen sei das Magazin so konzipiert worden, "dass Kinder immer nur kleine, abgeschlossene Einheiten schauen können". Die Sendung besteht daher aus vielen kurzen Sequenzen: Es gibt Experimente, Bastelanleitungen, Serien, Sachgeschichten sowie eine "Quatschecke" mit Anke Engelke. Und die erfreut mit ihrem stellenweise dadaistisch anmutenden Nonsens auch die Erwachsenen.