Der Fall Kongo soll die Wirksamkeit des Strafgerichtshofs beweisen

Der erste Prozess des Weltgerichts

Jetzt kann Luis Moreno Ocampo endlich zeigen, was er kann. Die Richter haben grünes Licht gegeben für seinen ersten Prozess als Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag. Das Verfahren gegen den kongolesischen Rebellenführer Thomas Lubanga wegen Völkermords und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist der erste Fall des Weltgerichts, dessen Gesicht Moreno Ocampo seit 2003 prägt. Nach langem juristischen Tauziehen ist der Beginn der Hauptverhandlung gegen Lubanga für den 26. Januar angesetzt.

Autor/in:
Annette Birschel
 (DR)

Monatelang war es wegen Verfahrensfehlern und Problemen mit der Freigabe von Zeugenaussagen fraglich gewesen, ob der Prozess überhaupt zustande kommt. Dem Internationalen Gerichtshof und seinem ersten Chefankläger drohte eine schwere Niederlage. Moreno Ocampo, so sagen seine Kritiker, habe taktische Fehler gemacht. Der 56-jährige Argentinier sei nicht der Mann, der einen Fall akribisch vorbereitet. Die Vorwürfe fegt er mit einer lässigen Handbewegung zur Seite. "In Argentinien hatten wir im Prozess gegen die Junta auch keine Dokumente", und ein feines Lächeln umspielt den Mund in dem Dreitagebart.

Für das meiste Aufsehen sorgte Moreno Ocampo bisher, als er im Sommer Sudans Präsident Omar al-Baschir des Völkermords beschuldigte und einen internationalen Haftbefehl beantragte - der erste gegen einen amtierenden Staatschef. "Das Gesetz steht über der Politik", sagte Moreno Ocampo vor versammelten Richtern der internationalen Gerichte in Den Haag. Das kommt bei den höchsten Männern und Frauen des Gesetzes gut an. Seine Aufgabe sei es Gerechtigkeit zu erwirken. Darum will er Al-Baschir wegen der Gräuel in Darfur vor das Weltgericht bringen. "Wieviel Frauen müssen noch vergewaltigt werden, bevor ich ihm den Prozess machen kann?"

Moreno Ocampo genießt dramatische Auftritte und bringt in seinem stark spanisch gefärbten Englisch in knappen Sätzen das moralische Recht auf seine Seite. Doch vor Gericht zählen nur Beweise, und Politiker sorgen sich um den Frieden. In diesem Spannungsfeld bewegt sich der elegante Jurist. Noch haben die Richter nicht entschieden, ob sie seinem Antrag stattgeben und tatsächlich einen Haftbefehl gegen Al-Baschir ausfertigen. Das hängt davon ab, ob Ocampo genügend Beweise vorlegen kann.

Er bewegt sich im internationalen politischen Minenfeld
Seine Reputation als leidenschaftlicher Anwalt für Menschenrechte erwarb er sich als junger Vize-Staatsanwalt im Prozess gegen die Chefs der Militärjunta in Argentinien in den 80er Jahren. Später arbeitete er für die Weltbank, lehrte an der US-Eliteuniversität Harvard und verteidigte auch den umstrittenen argentinischen Fußballstar Diego Maradona.

Doch nun bewegt er sich im internationalen politischen Minenfeld. So fürchtet nicht zuletzt UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, dass eine Anklage gegen Al-Baschir dem Friedensprozess in Darfur schweren Schaden zufügen könnte. Davon lässt sich der charmante Jurist nicht beeindrucken. "Der Frieden ist nicht meine Verantwortung."

"Ocampo kämpft aus Überzeugung für Gerechtigkeit", sagt seine engste Mitarbeiterin Beatrice Le Fraper. Bis abends spät sitzt er ganz oben in dem weißen Turm des Gerichtsgebäudes, wenn er nicht zwischen den Hauptstädten der Welt hin und herjettet. Seine Familie blieb in Buenos Aires.

Sein Temperament bringt ihn auch in Probleme
Der Chefankläger verfolgt sein Ziel mit Leidenschaft. Doch sein südamerikanisches Temperament bringt ihn auch in Probleme. Mehrere Mitarbeiter verließen das Gericht, weil sie seinen autoritären Führungsstil und die Temperamentsaussbrüche nicht ertrugen. Dazu zuckt er nur mit den Achseln. "Angriffe gehörten nun einmal dazu". Doch sie haben inzwischen seinem Ansehen geschadet.

So hat er seinen Pressechef Christian Palme fristlos gefeuert, nachdem dieser die Beschwerde einer Frau wegen sexueller Belästigung weitergeleitet hatte. Ocampo wurde zwar von dem Vorwurf der Belästigung freigesprochen, doch die Kündigung war unrechtmäßig, urteilte die Internationale Arbeitsorganisation in Genf. Doch Menschenrechtsorganisationen rühmen ihn, weil er sich nicht von politischen Kalkül einschüchtern lässt und nun endlich die großen Fische verfolgt.