Der Geburtsort von Benedikt XVI. heute

"Früher besuchten uns 2.000, heute 150.000"

Die Zeiger der Kirchturm-Uhren von Sankt Oswald in Marktl am Inn zeigten 18.40 Uhr, als am 19. April vor fünf Jahren in Rom der Name des neuen Papstes verkündet wurde. Aus Joseph Ratzinger wurde Benedikt XVI. Das änderte auch in dem kleinen, oberbayerischen Marktflecken alles.

Autor/in:
Barbara Just
 (DR)

Plötzlich rückte die 2.700-Seelengemeinde in den Fokus des Weltgeschehens: "Einer von ihnen", der hier am 16. April 1927 geboren worden war und den sie 1997 zu ihrem Ehrenbürger gemacht hatten, war nun Oberhaupt der katholischen Kirche.

Seither können sich die Marktler über mangelnde Aufmerksamkeit nicht beklagen. "Kamen früher 2.000 Besucher im Jahr, so sind es heute 150.000", sagt Bürgermeister Hubert Gschwendtner (SPD). Die Gemeinde musste lernen, mit dem Ansturm zurechtzukommen. Neben den Touristen fielen in den Hochphasen die Journalisten mit Mikrofonen und Kameras ein. Sie suchten das Besondere in Ratzingers Geburtsort und fanden, erfunden von kreativen Köpfen, unter anderem "Papstbrot" und "Papstschnitten".

"Die Leute wollen als Erinnerung etwas mitnehmen", sagten die Geschäftsleute. Beinahe aber wäre ihnen ihre Tüchtigkeit zum Verhängnis geworden. Kein Geringerer als der damalige Münchner Erzbischof, Kardinal Friedrich Wetter, mokierte sich darüber. Schon ging die Angst um, der Papst werde bei seiner Reise nach Bayern im Herbst 2006 Marktl nicht besuchen, dann aber kam er doch.

Geburtshaus öffnet April 2007 seine Türen
Es war das persönliche Anliegen von Benedikt XVI., in seiner Taufkirche am 11. September zu beten und einen Blick auf die kurz zuvor errichtete Benediktsäule in der Ortsmitte zu werfen. Der Eggenfeldener Künstler Joseph Michael Neustifter und der Regensburger Philosoph Ulrich Hommes hatten die Idee zu dieser in Form einer Schriftrolle gestalteten Stele. Sie ist dem Ordensgründer Benedikt von Nursia und dem Heiligen Vater gewidmet. Sein Geburtshaus konnte der Papst an diesem Tag noch nicht betreten, das öffnete erst im April 2007 seine Türen.

Das ehemalige Kurfürstliche Maut- und Zollhaus von 1745 diente in den 1920-er Jahren als Sitz der Polizei. Vater Joseph Ratzinger war damals Gendarm und hatte in dem Gebäude seine Dienstwohnung. Nach der Jahrtausendwende wohnte eine Frau mit ihren Kindern darin. Genervt von den vielen Fremden, die nach der Papstwahl an ihrer Tür rüttelten, entschloss sie sich zum Verkauf. Eine kirchliche Stiftung, an der die bayerischen Diözesen und der Freistaat beteiligt sind, erwarb das Haus.

Heute wird es als Museum und Begegnungsstätte genutzt. 2009 kamen mehr als 30.000 Besucher, um sich über den Werdegang des Papstes zu informieren. Darunter sind Deutsche, aber auch Italiener und Polen. "Viele Kommunion- und Firmgruppen aus der Umgebung kommen ebenfalls", erzählt Pfarrer Josef Kaiser. Weil die Tour durch das Museum stets in der Kirche endet, wo sich auch der Taufstein befindet, über dem Joseph Ratzinger das Sakrament der Taufe empfing, ist der Seelsorger noch mehr gefragt als früher. "Meist aber bringen die Leute selber einen Geistlichen für eine Andacht mit", so Kaiser.

Mancher Laden mit Papst-Allerlei hat auch wieder zugemacht
Die vielen Gäste bedeuteten freilich auch, dass die Gemeinde die Infrastruktur verbessern musste. Der Freistaat half dabei. Manch länger geplantes Vorhaben konnte, dem Papst sei Dank, umgesetzt werden. Für rund 800.000 Euro entstanden etwa Stellplätze für PKWs und Busse. Hinweisschilder wurden gefertigt sowie die "Tourismus und Marktl GmbH" gegründet. Neben dem Rathaus findet sich ein modernes Besucherzentrum, die Homepage erhielt ebenfalls ein neues Gesicht.

Den Wunsch des Papsts, in Marktl eine würdige Begegnung mit dem Fragen des Glaubens zu ermöglichen, sind die Verantwortlichen nachgekommen. Inzwischen gibt es Städtepartnerschaften mit den Geburtsorten von Johannes XXIII. und Johannes Paul II. Der Austausch klappt. "In den Osterferien sind 30 junge Marktler ins polnische Wadowice gefahren", erzählt der Bürgermeister. Das Souvenir-Angebot hat sich längst auf ein normales Level eingependelt. Mancher Laden mit Papst-Allerlei hat auch wieder zugemacht. Wie jener gegenüber der Kirche. Dort ist inzwischen ein Bestatter eingezogen.