Corona beeinträchtigt laut Report Wohlbefinden junger Menschen

"Der Handlungsdruck ist groß"

Seit über einem Jahr leben die Menschen in Deutschland mit Corona. Die Pandemie beeinflusst auch Kinder und Jugendliche. Ein neuer Unicef-Report zeigt, was die Einschränkungen für sie bedeuten. Dabei werden große Unterschiede deutlich.

Autor/in:
Paula Konersmann
Typische Familiensituation in der Corona-Pandemie / © Prostock-studio (shutterstock)
Typische Familiensituation in der Corona-Pandemie / © Prostock-studio ( shutterstock )

Kindergeburtstag feiern, Sport mit Gleichaltrigen, abends ausgehen - das sind nur ein paar der Dinge, die Kindern und Jugendlichen seit einem Jahr fehlen.

Dieser Verzicht "lastet auf ihren Seelen", sagte die Schirmherrin von Unicef Deutschland, Elke Büdenbender, am Dienstag bei der Vorstellung des Unicef-Berichts zur Lage der Kinder. Viele junge Menschen trügen die Maßnahmen diszipliniert mit, viele Familien hätten "große Stärke" bewiesen, fügte die First Lady hinzu. Die Belastung sei jedoch hoch.

Wohlbefinden stark beeinträchtigt

Genau das zeigt der Report des UN-Kinderhilfswerks: Die Auswirkungen von Pandemie und Lockdown auf Kinder, Jugendliche und Familien zeichnen sich immer deutlicher ab. Schulschließungen und die Einschränkungen des öffentlichen und privaten Lebens beeinträchtigten das "gesamte Wohlbefinden" und die Zukunft junger Menschen, heißt es in dem Bericht, den Unicef in einer digitalen Pressekonferenz vorstellte.

Auch unabhängig von der Pandemie hätten nicht alle Kinder vergleichbare Entwicklungschancen.

Der Bericht basiert auf Daten, die der Familiensoziologe Hans Bertram analysiert hat. Er bezieht sich auf das Konzept des kindlichen Wohlbefindens, dessen Indikatoren laut UN-Kinderrechtskonvention sechs Dimensionen umfassen: das subjektive Wohlbefinden, die Beziehungen zu den Eltern, Bildung, Gesundheit, Verhalten und Risiken sowie materielles Wohlbefinden. Im internationalen Vergleich bewegten sich die befragten Kinder und Jugendlichen aus Deutschland im unteren Mittelfeld.

So seien die psychische Situation und die Zufriedenheit von Kindern in Deutschland schon vor Corona schlechter gewesen als in anderen Industrieländern. 21 Prozent der 15 Jahre alten Mädchen und 13 Prozent der gleichaltrigen Jungen erklärten demnach, mit ihrem Leben unzufrieden zu sein.

Höherer Stress für Familien

Zwar gaben 91 Prozent der befragten Jugendlichen an, ihre Eltern als unterstützend zu erleben. "Doch die durch Covid-19 bedingten Einschränkungen der öffentlichen Räume für Kinder verschärfen bestehende Ungleichheiten und erhöhen den Stress für Familien."

Zudem lege die Pandemie bestehende Defizite, etwa mangelhafte Ausstattung von Schulen, "schonungslos offen". In Folge der Beschränkungen drohten "weitere gravierende Verwerfungen", mahnte der Vorstandsvorsitzende von Unicef Deutschland, Georg Graf Waldersee.

Kinder aus Einwandererfamilien sowie Kinder von Alleinerziehenden hätten nach wie vor schlechtere Startchancen, hieß es. Mütter und Väter packten die aktuellen Herausforderungen offenbar gemeinsam an, erklärte Bertram. Wem jedoch ein unterstützendes Gegenüber fehle, der gerate schneller an die Grenze der Belastbarkeit. Auch die psychische Konstitution der Eltern spiele momentan eine größere Rolle für die Entwicklung ihrer Kinder.

Große Unterschiede beim Homeschooling

Beim Thema Homeschooling benennt die Studie ebenfalls große Unterschiede. Ältere Kinder kämen mit virtuellem Unterricht zurecht, wenn er gut gemacht sei, sagte Bertram. Bei Grundschulkindern gebe es dagegen eine Spreizung zwischen jenen, deren Elternhaus sie unterstütze, und den anderen, bei denen dies nicht möglich sei. Der Präsenzunterricht sei daher gerade für jüngere Kinder eine "zwingende Voraussetzung" für Chancengleichheit.

Insofern sollte stärker darüber debattiert werden, wie Schulen verantwortlich geöffnet bleiben könnten, forderte Bertram. Auch für die Integration von Kindern, die etwa 2015 nach Deutschland gekommen sind, seien Kontakte und soziale Einbindung entscheidend.

Zugleich betonte Waldersee, dass nicht Bildungserfolge allein gefährdet seien. Freiräume mit Gleichaltrigen bildeten für Jugendliche "eine entscheidende Brücke in die Selbstständigkeit". Junge Menschen bräuchten klare Strukturen und Perspektiven.

Insofern sei es an der Zeit, "dem Wohlergehen von Kindern bei den Maßnahmen zur Bewältigung der Pandemie und zur Neugestaltung unserer Welt nach Covid-19 Priorität einzuräumen", sagte Waldersee. Dafür erneuerte Unicef die Forderung nach einem eigenen Gipfel zur Bewältigung der Corona-Folgen für Kinder, Jugendliche und ihre Familien - mit einer eigenen Stimme für junge Menschen. "Sie brauchen Zuversicht", sagte Waldersee, "gerade in diesen Zeiten."


Quelle:
KNA