DOMRADIO.DE: Bei den großen Gottesdiensten und den Orgelkonzerten kommen die Querhausorgel und die Schwalbennestorgel sowie das Westwerk zum Einsatz. Das deutlich kleinere Instrument in der Marienkapelle ist längst nicht ganz so bekannt, wird aber täglich gespielt und soll bald durch eine neue Orgel ersetzt werden. Warum ist das nötig?
Prof. Dr. Winfried Bönig (Kölner Domorganist): Die Marienorgel steht buchstäblich etwas im Schatten, das kann man sagen. Sie ist aber die meist gespielte Orgel hier im Dom. Vielleicht ist sie sogar die meist gespielte im ganzen Erzbistum Köln, weil sie wirklich jeden Tag in fünf oder sechs Gottesdienste spielt. Das ist natürlich auch der Grund, warum sie jetzt erneuert werden muss.
Sie versieht seit den 1950er Jahren diesen Dienst in diesem Umfang. Dadurch sind einfach so viele Dinge zu reparieren. Es wäre aber einfach nicht mehr zu verantworten, immer wieder an demselben Instrument herumzubasteln, um es am Laufen zu halten. Wir haben immer wieder einige Reparaturen duchgeführt. Die Lösung mit einem neuen Instrument ist dagegen natürlich viel besser.
DOMRADIO.DE: Diese neue Lösung wird spektakulär, die Orgel kann hinauf- und heruntergefahren werden. Warum ist das notwendig?
Bönig: Ja, das wird wirklich spektakulär. Die Orgel wird um sieben Meter nach oben fahren können, um auch in den Binnenchor des Domes hinein zu spielen. Auch da hat sich in den letzten Jahren viel geändert im Dom.
Als ich vor 20 Jahren angefangen habe, fanden längst noch nicht so viele Gottesdienste im Binnenchor statt. Es kommen noch die Konzerte dazu. Oft hat die Orgel gefehlt und man hat mit der großen Orgel gespielt, die aber wie um die Ecke klingt, weil sie recht weit weg ist. Das ist klanglich nie so ganz befriedigend gewesen. Das heißt, die Aufgaben, die die neue Orgel dann in der Zukunft hat, die werden noch umfassener sein, sie wird eigentlich noch mehr spielen, als sie es bisher ohnehin schon getan hat.
DOMRADIO.DE: Sie wird auch fahrbar sein. Wie wird das funktionieren?
Bönig: Wenn es am Dreikönigenschrein im Bereich des Binnenchores Konzerte gibt, dann steht das Ensemble eben dort auf den Altarstufen vor dem Schrein. Da wird immer wieder eine Orgel gebraucht. Es gibt große Chorwerke, die eine große Orgel als eigenständiges Instrument benötigen, aber auch zur Begleitung. Wenn sie weiter vorne steht, weil sie fahrbar ist, vermischt sich das alles viel besser mit den Ensembles, mit den Chören. Das ist sicher eine große Bereicherung für den Dom!
DOMRADIO.DE: Nach außen hin wirkt die Orgel sehr modern. Wir kennen die klassischen Orgeln, bei denen man die Pfeifen sehen kann, bei dieser neuen Orgel ist das nicht der Fall. Warum wird sie nicht klassisch gebaut?
Bönig: Das ist immer die Frage: Was will der Denkmalschutz? Will er alles so konservieren, wie es ist? Oder will er in moderater Weise die Handschrift des jeweiligen Jahrhunderts hinzufügen? Wir haben ja schon das Richter-Fenster im Dom als ein Beispiel für ein deutliches Zeichen, dass dies unsere Zeit ist und auch die Orgel wird so werden. Sie wird ein Statement für unsere Zeit sein. Man wird die Pfeifen schon sehen können durch den Prospekt, wie man das nennt, also durch das äußere Gewand der Orgel. Aber es wird nicht so ein klassischer Prospekt sein. Das stimmt.
DOMRADIO.DE: Sie verantworten auch die Orgelkonzerte im Dom. Wird dann die Marienorgel bei diesen Konzerten auch eine ganz neue Rolle einnehmen, hören wir dann quasi alle Orgeln auf einmal als ein "Dolby Surround"-Erlebnis?
Bönig: Wir haben ja schon jetzt ziemlich viel Surround im Dom - mit der Langhaus- und der Querhausorgel und den Pfeifen im Westwerk. Es wird auf jeden Fall ein deutlicher Zuwachs an Klangfarben sein.
Es gibt im Orgelbau ein sogenanntes Fernwerk, das Pfeifen hat, die dann weit entfernt sind, manchmal auf dem Dachboden oder in einem Nebenraum. So einen Fernwerk-Effekt kann auch mit der Marienorgel erzeugt werden, denn sie kann auch von der großen Orgel im Querhaus aus gespielt werden.
DOMRADIO.DE: Jetzt haben wir über die vielen Vorteile dieser Orgel gesprochen. Worauf freuen Sie sich persönlich denn am meisten, wenn sie dann fertig ist?
Bönig: Ich freue mich darauf, dass bei den Gottesdiensten werktags die künstlerischen Möglichkeiten größer sein werden, dass man eben nicht nur die Lieder begleitet und schaut, wie man es mit diesem älteren Instrument hinbekommt, sondern dass es wirklich viele neue Klangfarben geben wird.
Und ich freue mich darauf, dass die Orgel im konzertanten Bereich für Veranstaltungen im Binnenchor vielmehr nutzbar sein wird und es mehr Klangfarben gibt. Das ist wie bei einem Maler: Auf meiner Palette sind dann noch ein paar mehr Farben für ein schönes Bild!
Das Interview führte Alexander Foxius.