Früherer SPD-Chef und Vizekanzler Müntefering wird 80

Der Mann mit dem "schönsten Amt" neben dem Papst

​Er ist der Mann mit den kurzen, aber wirkungsvollen Sätzen. Mit acht Jahren Volksschule hat es Franz Müntefering zum Vizekanzler und SPD-Vorsitzenden gebracht. Jetzt wird der Sauerländer 80 Jahre alt.

Autor/in:
Christoph Arens
Franz Müntefering wird 80 / © Bernd Thissen (dpa)
Franz Müntefering wird 80 / © Bernd Thissen ( dpa )

"Ich bin nicht mehr Mitglied des Bundestages, aber ich versinke nicht im Schaukelstuhl. Ich bin ansprechbar." Franz Müntefering ist einer derjenigen, die auch nach vier Jahrzehnten Politik-Karriere nicht aufhören wollen, sich zu engagieren. "Was ich Ihnen besonders ans Herz legen möchte: Mischen Sie sich ein. Politik macht Sinn und macht sogar Freude", rät der Mann, der den Deutschen die Rente mit 67 verpasste, vor allem den Senioren auf seiner Homepage. An diesem Donnerstag wird er 80 Jahre alt.

Bundesarbeitsminister, Vizekanzler, SPD-Parteivorsitzender und Generalsekretär: Der im westfälischen Arnsberg geborene schlanke Mann mit dem federnden Gang arbeitete sich zum Vizekanzler hoch. Ein Macher-Typ. Nur acht Jahre sei er zur Volksschule gegangen, dann kaufmännische Lehre und Arbeit als Industriekaufmann in einem mittelständischen Unternehmen. "Mit 17 war ich ausgelernt, an der Stelle."

Wahl 2009 ging daneben

Daneben absolvierte er die parteipolitische Ochsentour im katholischen, von der CDU dominierten Sauerland: Stadtrat in Sundern, Mitglied des Bundestags, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Arbeitsminister in Nordrhein-Westfalen, Verkehrsminister unter Gerhard Schröder - und dann Arbeitsminister und Vizekanzler in der großen Koalition.

Als Bundesgeschäftsführer, Generalsekretär und Parteivorsitzender organisierte der Mann, der sich selber als einen "Alleiner" beschreibt und Kumpelhaftigkeit ablehnt, für die SPD vier Bundestagswahlkämpfe, lenkte sie nach langen Kohl-Jahren in die rot-grüne Schröder-Regierung. Richtig daneben ging nur die Wahl 2009, danach musste er den Parteivorsitz abgeben - das "schönste Amt neben dem Papst", wie er sagte.

"Kurze Sätze" und Dialekt

"Ich kann nur kurze Sätze", kokettierte Müntefering mit der sprichwörtlichen Wortkargheit der Westfalen. Manchmal schlichen sich Dialekt-Wörter seiner Heimat wie "gezz" und "woll" ein. Und doch übte er mit seiner prägnanten Wortwahl Macht aus: Aus Hedgefonds machte er "Heuschrecken". Seiner Partei hämmerte er ein: "Opposition ist Mist."

Ein hohes Maß an Respekt erntete der Katholik auch beim politischen Gegner, weil er im November 2007 als Vizekanzler der großen Koalition zurücktrat, um seine krebskranke Frau Ankepetra bis zu ihrem Tod am 31. Juli 2008 zu pflegen. Seitdem engagiert er sich für die Hospizarbeit, Palliativmedizin und Sterbebegleitung und nimmt gegen aktive Sterbehilfe und Beihilfe zum Suizid Stellung.

"Es spielt keine Rolle, ob man das glaubt"

Den Glauben an ein Leben nach dem Tod hat er nach eigenen Angaben verloren. "Es spielt aber auch keine Rolle, ob man das glaubt", sagte er 2016 dem "Spiegel" unter Verweis auf das Sterben seiner Mutter. "Das beschäftigt im Sterben nicht sehr, glaube ich."

2009 ließ sich Müntefering noch einmal in den Bundestag wählen, heiratete die 40 Jahre jüngere Journalistin Michelle Schumann, die derzeit Staatsministerin im Auswärtigen Amt ist. "Eine Beziehung finden und heiraten zu können, das hieß für mich im Alter von 69 Jahren: Ich hab noch ein Stück Leben, ich kann noch mal anfangen", sagte er.

"Demokratie kennt keinen Schaukelstuhl"

Seit seinem Ausstieg aus dem Parlament 2013 engagiert Müntefering sich ehrenamtlich: als Präsident des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB), als Chef der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen und als Vortragsredner und Experte in Sachen Sterbebegleitung und alternde Gesellschaft. "Du musst das Leben nehmen wie es ist. Aber Du darfst es nicht so lassen", zitierte er gern einen alten Sozialdemokraten.

Das wichtigste für ein Altern in Würde sei, dass auch Senioren an der Gesellschaft teilhaben und teilnehmen könnten, sagte er in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Das größte Problem sei die Einsamkeit älterer Menschen und ihr Verlust an Lebenssinn.

"Sie müssen aktiv mitmischen können, Aufgaben und soziale Kontakte behalten, in der Familie, in Vereinen, in der Nachbarschaft oder in der Politik." Demokratie, so Müntefering, "kennt keinen Schaukelstuhl". So lange die Gesundheit mitmache und der Kopf klar bleibe, sei jeder mitverantwortlich für ihr Gelingen.


Quelle:
KNA
Mehr zum Thema