Der BDKJ diskutiert online weiter - unter anderem mit Bischof Franz-Josef Overbeck. Ein Interview über konstruktiven Dialog, Konflikte und Machtverteilung.
DOMRADIO.DE: Mit welchem Gefühl sind Sie gestern aus der Videokonferenz-Runde herausgegangen?
Franz-Josef Overbeck (Bischof im Bistum Essen): Es war eine lebendige Konferenz mit viel Austausch in verschiedenen Formaten. Nach einem Beginn, wo wir uns vorgestellt haben und Claudia Lücking-Michel für das Zentralkomitee der deutschen Katholiken und ich für die Bischofskonferenz ein paar Worte gesagt haben, gab es erstmal unterschiedliche Chats, wo wir uns in Gruppen von sechs bis zehn Leuten ausgetauscht und das dann wieder zusammengetragen haben.
Am Schluss hat allerdings nur eine Vertreterin des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) mit Frau Lücking-Michel und mir diskutiert. Die anderen - aus technischen Gründen und aus Zeitgründen - waren da nicht involviert, außer durch die Fragen, die sie schriftlich gestellt hatten.
DOMRADIO.DE: So viel zum Ablauf. Aber wie war Ihr Gefühl nach dieser Runde?
Overbeck: Das Gefühl nach der Runde war, dass es auf jeden Fall sinnvoll ist, digital voranzugehen. So kommen mehr Leute zusammen als sonst. Die Themen sind auf den Tisch des Hauses gekommen, in sehr unterschiedlicher Dichte. Ich selber hatte viel mit den Fragen nach Macht zu tun, im Blick auf Entscheidungsgewalt des Bischofs, aber auch des Pfarrers.
Es gab aber auch viele Runden, die sich mit dem Thema der Macht für Frauen und Macht für Männer in der Kirche beschäftigt haben. Und ich hatte den Eindruck, es gab ganz viele, die einfach sehr engagiert - gerade, weil ich auch sehr für junge Leute waren - sagen: Wir wollen uns einbringen und ernst genommen werden. Da wir in einer demokratisch gestimmten Gesellschaft leben, wollen wir das auch in der Kirche vorfinden.
DOMRADIO.DE: Sie sind da natürlich als Bischof auch mit viel Kritik konfrontiert. Wie gehen Sie damit um?
Overbeck: Das ist ja nichts Neues. Ich finde einfach wichtig, erstens mit den Perspektiven, die genannt werden, real umzugehen, auch kritisch. Dabei aber auch deutlich zu sagen, dass wir seit 2000 Jahren eine Erfahrung haben, die auch mit unserem Glauben, mit dem Evangelium, zu tun hat - auch deswegen mit der Rolle der Nachfolge der Bischöfe. Das betrifft mein eigenes Amt, das betrifft aber auch das Priesteramt. Und dass sich vieles darum herum sehr geschichtlich entwickelt hat, das können wir alle in den letzten 2000 Jahren ja sehr lebendig betrachten. Das sieht man ja auch in unseren Ortkirchen ganz praktisch.
Ich finde, dass wir an dieser Stelle in einem lebendigen Dialog bleiben müssen und habe auch gesagt, dass wir ja schon den letzten Jahren viele Formen von Beteiligungsstrukturen entwickelt haben, die wir früher für undenkbar gehalten haben. Und da einen nächsten Schritt zu tun, das ist jetzt angesagt. Der Missbrauchsskandal hat uns gezeigt: Eines der großen Probleme, die sich da zeigen, ist diese Form der Verteilung von Macht und damit auch von Einfluss.
DOMRADIO.DE: Sie fordern ja auch, dass die Kirche im Reformprozess kleiner und demütiger werden sollte, quasi einen Neuaufbruch. Weniger Arroganz in der Kirche, das ist zumindest herauszuhören. Warum ist Ihnen das so wichtig?
Overbeck: Ich glaube, dass der Missbrauchsskandal - der ja der Anlass, aber nicht die alleinige Ursache dessen war, was wir jetzt mit dem Synodalen Weg als Kirche in Deutschland tun - uns zeigt, dass wir sehr wachsam umgehen müssen mit der Würde des Menschen und dass das, was da passiert ist, so abgründig ist, dass wir alles tun müssen, um so etwas zu verhindern.
Dazu gehören verschiedene Formen von Machtstrukturen, viele Formen von Personalpolitik, aber auch von Pastoralplanungen. Und da wir so viel an Schuld auf uns geladen haben - nicht nur einzelne Personen, sondern auch wir als Kirche - ist eine Form, neue Glaubwürdigkeit zu gewinnen, demütig zu sein. Das aber durchaus auch mit einem guten Selbstbewusstsein, das zeigt: Wir wollen das auch im Glauben tun und mit vielen Menschen.
DOMRADIO.DE: Der Synodale Weg ist ja ein Werkzeug, um da jetzt etwas anzupacken. Dazu gehören eben auch Themen wie Zölibat, die Sexualmoral, Partnerschaft oder die Frage nach Frauenämtern in der Kirche. Alles Punkte, an denen sich ja zumindest recht wenig zu bewegen scheint. Sind Sie trotzdem optimistisch, dass der Synodale Weg auch da Änderungen bringt?
Overbeck: Als der Missbrauchsskandal begann, gab es schon einen Dialogprozess innerhalb der Kirche in Deutschland, der ein erster kleiner Schritt war. Jetzt gehen wir den nächsten Schritt. Ich sehe die Kirchenentwicklung in solchen Schritten, einen nach dem anderen, die nicht nur die Themen zeigen, von denen Sie ja gerade gesprochen haben, die viele Menschen bewegen, sondern die auch gleichzeitig uns auffordern, von innen in der Kirche zu gucken: Welche Themen gibt es noch? Und wie können wir einerseits von der Tradition her antworten? Wie können wir es aber auch nehmen als einen wirklichen Aufbruch in eine neue Zeit, weil sich hier ein Zeichen der Zeit zeigt, das es vorher so noch nicht gab?
Das ist immer auch eine Frage von Konflikten. Und mit Konflikten fair umzugehen und sie konstruktiv zu bewältigen, das ist jetzt unsere Aufgabe. Diesen Schritt zu tun, halte ich für einen ganz lebendigen Vorgang in einer wirklich lebendigen Kirche.
DOMRADIO.DE: Wie nehmen Sie denn die Stimmung in der Synodalversammlung wahr? Ist man sich einig, in welche Richtung es gehen soll, auch beim Thema Umstrukturierungen?
Overbeck: Bei der Synodalversammlung - die wir bisher nur einmal hatten, nämlich Anfang Februar, kurz vor Beginn der Corona-Pandemie - war eine ganz lebendige und wie ich fand, sehr ehrliche Stimmung. Gerade auch die jungen Leute haben deutlich gezeigt, dass sie da Stellung beziehen, aber auch mit offenem Visier für ihre Meinung kämpfen.
Das gibt es aber auch auf der anderen Seite von solchen, die ganz andere Positionen beziehen. Das gehört zur Wirklichkeit der Kirche, und das ist jetzt ein Teil, dass wir das auch öffentlich tun, um zu zeigen, dass wir die Kraft haben, uns auseinanderzusetzen.
DOMRADIO.DE: Mit dabei ist die Politikerin Claudia Lücking-Michel. Auch im Synodalforum arbeiten Sie mit ihr zusammen. Würden Sie sagen, Sie sind da auf einer Wellenlänge mit ihr?
Overbeck: Sagen wir mal so: Es gibt eine lebendige Spannung. Wir teilen den Glauben. Wir sind beide gleich kirchlich, wenn auch mit unterschiedlichen Akzenten. Und das ist eine gute Grundlage.