Der Papst auf den Spuren des Konzils

Reise in die eigene Vergangenheit

Benedikt XVI. wandelt auf den Spuren des Zweiten Vatikanischen Konzils: Am Montag besuchte er von seiner Sommerresidenz in Castel Gandolfo aus die Niederlassung der Steyler Missionare im nahe gelegenen Nemi. Hier war er schon einmal vor fast 50 Jahren.

Autor/in:
Thomas Jansen
 (DR)

Man muss ihn suchen. Er steht in der letzten Reihe, der Sechste von rechts, vor ihm sitzen und stehen rund zwei Dutzend Bischöfe und Ordensleute: Joseph Ratzinger, damals Professor für Fundamentaltheologie in Münster und Berater des Kölner Kardinals Josef Frings. Das schon leicht vergilbte Foto stammt aus dem Jahr 1965, aufgenommen in Nemi, einem malerischen Ort in den Albaner Bergen, vor der Niederlassung der Steyler Missionare.

Fast ein halbes Jahrhundert später kehrte der Papst am Montag zu einem kurzen Besuch hierher zurück. Vom 29. März bis zum 3. April 1965 wirkte er in Nemi am Entwurf für das "Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche" des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) mit. Es bedeutete den endgültigen Abschied vom weißen Mann, der armen Heidenkindern im Busch das Evangelium verkündet.

Der Besuch in Nemi war der erste päpstliche Ausflug seit sich Benedikt XVI. am Dienstag in seine Sommerresidenz nach Castel Gandolfo zurückgezogen hatte. Die Generalaudienzen und alle offiziellen Termine sind bis August ausgesetzt. Einfach mal für einen Tag völlig "abschalten" kann der Papst jedoch auch in den kommenden Wochen vermutlich nur selten. Denn es gibt nach wie vor viele "offene Baustellen" im Vatikan, angefangen von den Bemühungen um eine Einigung mit den Piusbrüdern über die Vatileaks-Affäre bis hin zur Kandidatensuche für den Chefsessel der Vatikanbank.

Während der Papst in Nemi persönliche Erinnerungen an das Konzil auffrischte, versammelten sich am Montag im schweizerischen Econe diejenigen, die das Konzil ablehnen: die Oberen der Piusbrüder. Sie beraten über ein Schreiben des Papstes zu ihrer Antwort an die Glaubenskongregation. Ob sie die Forderungen annehmen, bleibt abzuwarten. Nach der Ernennung des Regensburger Bischofs Gerhard Ludwig Müller zum neuen Präfekten der vatikanischen Glaubenskongregation hatten die Traditionalisten zuletzt schrille Töne von sich gegeben. Der italienische Zweig hielt Müller gar die Verbreitung von Irrlehren vor.

Eher still ist es hingegen in den vergangenen zwei Wochen um die Vatileaks-Affäre geworden. In den kommenden Tagen tritt der Fall des verhafteten päpstlichen Kammerdieners allerdings in ein entscheidendes Stadium: Der Untersuchungsrichter beendet offiziell die Vernehmung des seit Ende Mai inhaftierten Paolo Gabriele. Sollte er zu dem Ergebnis kommen, dass der Verdacht auf schweren Diebstahl hinreichend begründet ist, sähe das vatikanische Recht einen öffentlichen Prozess vor. Schon seit Wochen herrscht zudem Rätselraten darüber, was sich hinter der "Überraschung" verbirgt, die der Leiter der vom Papst eingesetzten Ermittlungskommission, Kardinal Julian Herranz, in Aussicht gestellt hat. Der Papst wird es wissen.

Auch das Sorgenkind "Vatikanbank" dürfte Benedikt XVI. in Castel Gandolfo zumindest nicht ganz loslassen. Der Papst verfolge die Ereignisse um die Bank aufmerksam, hatte der Vatikan zuletzt mitgeteilt. Mit der Ernennung eines Nachfolgers für den Ende Mai entlassenen Vatikanbankchef Ettore Gotti Tedeschi ist zwar nicht vor Herbst zu rechnen. Die Kandidatensuche dürfte jedoch auch in den Sommermonaten nicht vollkommen ruhen.

Und was ist mit der Erholung? Urlaub bedeutet für den einstigen Theologie-Professor bekanntlich vor allem Bücherschreiben und Lesen. Auf dem Programm stehen dürfte in diesem Jahr der dritte und abschließende Band seiner Jesus-Trilogie, der die Kindheit Jesu behandeln soll. Und in bewährter Manier wird auch der Bruder Georg den Papst Ende Juli wieder in Castel Gandolfo besuchen.

Eine musikalische Vorbereitung auf die nächste Auslandreise des Papstes in den Libanon Mitte September bildet am Mittwoch das Konzert des West-Eastern Divan Orchestras. Das Orchester aus israelischen und palästinensischen Musikern spielt zum Namenstag des Papstes die fünfte und sechste Symphonie von Ludwig van Beethoven. Der Dirigent ist Daniel Barenboim. Von ihm stammt auch das ungewöhnlichste Kompliment, das der Mann, der 1965 in der letzten Reihe stand, wohl in den vergangenen Monaten erhalten hat: Benedikt XVI. sei ein "richtiger Musiker".