DOMRADIO.DE: Viele sprechen von einer Ära, die da zu Ende geht. 26 Jahre waren Sie Präsident der Malteser. Sie haben sich mit so großer Leidenschaft für die Malteser eingesetzt, dass Sie ständig einen Mitgliedsantrag in der Tasche getragen haben. Stimmt das?
Constantin von Brandenstein-Zeppelin (war 26 Jahre Malteser-Präsident): Das stimmt vollkommen. Das werde ich in Zukunft auch weiter so halten.
DOMRADIO.DE: Es heißt, 1.100 Mitglieder haben Sie allein persönlich geworben. Dazu hat sich die Zahl der Fördermitglieder auf 900.000 nahezu verdoppelt. Darauf können Sie richtig stolz sein, oder?
von Brandenstein-Zeppelin: Auf unsere Fördermitglieder und 51.000 Aktive bin ich wirklich sehr stolz und auf die Arbeit, die die machen. Die einen helfen und die anderen unterstützen. So ein Mitgliedsantrag in der Tasche hat etwas mit der Haltung zu tun. Wir müssen als Malteser den Menschen immer ein Angebot machen, dass sie bei uns mithelfen können, dass sie bei uns Mitglied werden können. Wenn ich da keinen Antrag dabei hätte, könnte ich so etwas gar nicht in die Tat umsetzen.
DOMRADIO.DE: Für viele ist es nicht selbstverständlich, dass man das Persönliche, Private, Ehrenamtliche quasi Tag und Nacht mit sich herumträgt.
von Brandenstein-Zeppelin: Das ist nun mal meine Mentalität, auf Menschen zuzugehen und ihnen zu sagen, wenn ihr Lust habt, die Welt zum Positiven zu verändern, dann könnt ihr das zum Beispiel dadurch, dass ihr beitretet und dass ihr da mitmacht. Der liebe Gott mag Verbindlichkeiten. Sich auf eine Mitgliedschaft einzulassen, ist eine Verbindlichkeit.
DOMRADIO.DE: In ihrer Zeit wuchs die Zahl der ehrenamtlichen sozialen Dienste der Malteser enorm. Was bedeutet das denn für unsere Gesellschaft und auch für die Malteser?
von Brandenstein-Zeppelin: Eine unserer vier Leitlinien heißt: Aus Tradition modern. Bei den Maltesern heißt das – und zwar schon seit 900 Jahren, denn wir sind die älteste Hilfsorganisation der Welt –, dass wir helfen wollen, wo sonst keiner hilft. Das wird die Augen ganz weit aufmachen, um die modernen Nöte unserer Zeit zu sehen und zu erkennen. Früher waren das nur Krankheiten oder Unfälle. Heute ist das zum Beispiel die Einsamkeit oder die Demenz, mit großen Nöten für die Angehörigen. Schauen Sie die Sterbenden an, wo viele heute alleine sterben müssen. Deswegen sind wir heute Nummer 1 in der ambulanten Hospizarbeit mit unseren Besuchsdiensten und Begleitungsdiensten. Wir stehen für Einsame ein, die wir zuhause oder im Altenheim oder in einem unserer "Café Maltas" besuchen. Davon haben wir 58 in Deutschland, wo wir Demente betreuen, damit die Angehörigen entlastet werden. Oder schauen Sie so etwas an wie unseren Schulsanitätsdienst, wo die Schüler unglaublich bereit sind, selber die Ärmel hochzukrempeln und anderen zu helfen. Da muss man als Hilfsorganisation draufspringen und erkennen, wo Aufgaben sind, die wir leisten können, die ein Ehrenamtlicher leisten kann und dabei Freude hat.
DOMRADIO.DE: Das heißt, Sie schaffen es auch, viele junge Menschen zu motivieren? Es heißt ja häufig, die Jugend von heute werde immer egoistischer.
von Brandenstein-Zeppelin: Wir haben ein erklärtes Ziel. Wir wollen die attraktivste Ehrenamtsorganisation in Deutschland werden. Da ist es unsere Aufgabe, immer ganz attraktive, coole Angebote zu machen, wo die jungen Leute sagen, dass sie da mitmachen wollen. Wenn es Freude macht, dann machen sie auch mit.
DOMRADIO.DE: Mit 32.000 hauptamtlichen Mitarbeitern sind die Malteser einer der großen Arbeitgeber im Gesundheits- und Sozialwesen. Nun wird über das Gesundheits- und Sozialwesen ja viel diskutiert. Gerade in diesen Tagen besonders über den Pflegenotstand. Was wünschen Sie sich da für die Zukunft?
von Brandenstein-Zeppelin: Da wünsche ich mir, dass uns eines gelingt, nämlich dass wir auch einer der attraktivsten Arbeitgeber werden, damit wir zur Lösung dieses Problems beitragen können. Wir wollen, dass wir Menschen zum Helfen, zum Pflegen und solchen Aufgaben gewinnen, damit sie erkennen, was für eine wunderschöne Aufgabe es ist, anderen zu helfen.
DOMRADIO.DE: Die Malteser sind auch weiter im Ausland sehr aktiv. Sie leisten Nothilfe in Krisengebieten. Weltweit gibt es große Bewegungen, die das Nationale wieder mehr in den Vordergrund stellen wollen. Ist das denn in einer globalen, modernen Welt überhaupt möglich?
von Brandenstein-Zeppelin: Da läuft etwas in die falsche Richtung. Nationalismus ist das Gegenteil von Verantwortung. Die Malteser waren durch alle Jahrhunderte immer international. Bei uns gibt es keinen Nationalismus und ich selber habe mir vorgenommen, in der Zeit nach diesem Amt als Präsident vor allem international tätig zu werden. Wir haben in den letzten Jahrzehnten 30 Malteserhilfsdienste in verschiedenen Ländern gegründet. Ich selber bin in Japan aktiv. Wir haben gerade eine kleine Gruppe, die wir in Griechenland aufbauen. Wir haben Anfragen aus Australien. Gerade letzte Woche habe ich eine aus New York bekommen. Da wird es mir nicht langweilig, gerade weltweit Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Wir sind eine Organisation, die gut ist im Aufbau von Strukturen. In ganz Osteuropa gibt es fast überall Malteserhilfsdienste, wo die Menschen selber dazu beitragen, ihre Probleme zu lösen.
DOMRADIO.DE: Am Wochenende treten Sie nun zurück. Da wird auch ein neuer Nachfolger gewählt. Was wünschen Sie Ihrem Nachfolger?
von Brandenstein-Zeppelin: Ich wünsche ihm, dass er genauso viel Freude an dieser Aufgabe hat, die mit seinen Helfern der schönste Job der Welt ist, und dazu beitragen kann, dass ein bisschen mehr Licht in diese Welt kommt.
DOMRADIO.DE: In einem Pontifikalamt werden Sie dann auch von Kardinal Woelki gesegnet. Ihr Nachfolger natürlich auch. Was bedeutet Ihnen und den Maltesern denn der katholische Markenkern? Welche Bedeutung hat das für die Arbeit der Malteser, dass sie katholisch sind?
von Brandenstein-Zeppelin: Die Malteser haben seit 900 Jahren eine Leitlinie und die heißt: Glauben und helfen. Und diese Kombination von beidem ist ein wunderbares Modell gerade für die heutige Zeit. Jede Hilfe, die unsere Malteser irgendwo leisten, zündet ein kleines Licht an, das das Licht Jesu Christi ist, das diese Welt ein bisschen heller macht, die an vielen Stellen ganz, ganz dunkel ist. In den neuen Bundesländern haben 80 Prozent der Menschen kein christliches Bekenntnis. Da ist man mit frommen Sprüchen fehl am Platz. Aber wenn man auf die Menschen zugeht und ihnen als erstes hilft und wenn man erklärt, dass man das tut, weil man Christ ist – mit einem Malteserkreuz auf dem Ärmel unserer Dienstbekleidung – dann hat man eine wunderschöne Botschaft und ist glaubwürdig. Als Christen müssen wir glaubwürdig sein und dazu beizutragen, dass diese Welt wirklich ein bisschen heller wird.
Das Interview führte Johannes Schröer.
Information zu Dr. Constantin von Brandenstein-Zeppelin
Dr. Constantin von Brandenstein wurde 1953 in Biberach/Riß geboren. Nach seinem Jura- und Betriebwirtschaftsstudium in Wien und München sowie seiner betriebswirtschaftlichen Promotion nahm er 1990 seine Tätigkeit als selbständiger Unternehmensberater in Frankfurt a.M. auf. Gleichzeitig übernahm er 1990 die Stelle des Diözesanleiter des Malteser Hilfsdienst e.V. im Bistum Fulda bevor er zwei Jahre später zum Präsidenten des Malteser Hilfsdienstes gewählt wurde.