Der Wahlkampf auf den Philippinen ist geprägt von Misstrauen

Gewalt, Betrug und Korruption

Mehr als 50 Millionen Wahlberechtigte sind am Montag auf den Philippinen dazu aufgerufen, einen neuen Präsidenten und ein neues Parlament zu wählen. Misstrauen beherrschte den Wahlkampf. Ein katholischer Priester hungert aus Protest - gegen einen Erzbischof.

Autor/in:
Michael Lenz
 (DR)

Normalerweise läuft Robert Reyes längere Distanzen, wenn er gegen soziale Ungerechtigkeit und Umweltzerstörung protestiert. Zum Ende des Wahlkampfs auf den Philippinen hat der katholische Priester und Bürgerrechtsaktivist, den die philippinischen Medien den "Rennenden Priester" getauft haben, jetzt eine neue Protestform gewählt: Hungerstreik. Bis zum Wahltag am 10. Mai will Reyes aus Protest gegen den Erzbischof von Manila, Kardinal Gaudencio Rosales, den er als Erfüllungsgehilfen der unpopulären Staatspräsidentin Gloria Arroyo sieht, keine Nahrung zu sich nehmen. Auf den Philippinen hält sich hartnäckig der Verdacht, Arroyo wolle die Wahlen manipulieren oder scheitern lassen, um sich weiter an der Macht zu halten.

Der Kardinal hatte in der vergangenen Woche Rufe nach einem Volksaufstand im Falle des Scheiterns oder einer massiven Manipulation der Präsidentschafts- und Parlamentswahlen als "unverantwortlich" bezeichnet. Die Situation heute sei nicht mit 1986 vergleichen, als Massenproteste unter der Führung von Kardinal Jaime Sin und Cory Aquino den Diktator Ferdinand Marcos zu Fall brachten. Rosales reagierte so auf die Ankündigung von Präsidentschaftskandidat Benigno "Noynoy" Aquino, im Falle des Wahlbetrugs seine Anhänger zu Massenprotesten aufzurufen.

"Die Philippinen haben eine lange Tradition der Wahlfälschungen"
Die Debatte über Proteste gegen das Ergebnis einer Wahl, bevor sie überhaupt stattgefunden hat, versteht Heiko Meinhardt gut. "Die Philippinen haben eine lange Tradition der Wahlfälschungen", sagt der Leiter des siebenköpfigen deutschen Wahlbeobachterteams des Evangelischen Entwicklungsdienstes (EED) in Manila. Der Urnengang in diesem Jahr ist schon durch eine Maßnahme in Misskredit geraten, die Wahlmanipulationen eigentlich ausschließen sollte: die Automatisierung der Wahlen. In Testläufen haben die 76.000 Wahlmaschinen wegen fehlerhafter Programme auf den Speicherkarten versagt. Die Wahlkommission versichert, bis zum Wahltag seien die Probleme behoben. Meinhardt hält das für möglich, sagt jedoch: "Durch das Fiasko mit den Speicherkarten haben die Filipinos das Vertrauen in die Wahlen verloren."

Jüngsten Umfragen zufolge hat Präsidentschaftskandidat Aquino, 50-jähriger Sohn der im vergangenen Jahr verstorbenen Volksheldin Cory Aquino, Vorsprung vor seinen Gegnern Senator Manuel Villar sowie dem ehemaligen Präsidenten Joseph Estrada. Wer auch immer das Rennen macht, wird ein schwieriges Erbe antreten: Die Wirtschaft des größten katholischen Landes Asiens ist einigermaßen in Ordnung - in völliger Unordnung aber sind die Demokratie und ihre Institutionen.

Durch die Vorwürfe der Korruption und Wahlfälschung gegen Arroyo wurden sie noch weiter beschädigt. Zudem muss sich die neue Regierung einer Reihe ungelöster innenpolitischer Konflikte stellen: auf Mindanao kämpfen muslimische Rebellen für Autonomie, einige Inseln in der Sulusee sind Hochburgen der Terrorgruppe Abu Sajaf, im Süden der Philippinen führt die kommunistische "Neue Volksarmee" einen Krieg gegen die Regierung in Manila.

Auch politische Gewalt hat Tradition
Aquino hatte seine Kandidatur kurz nach dem Tod seiner Mutter im vergangenen Jahr bekanntgegeben - auch auf Drängen der katholischen Kirche. Inzwischen aber hat sie sich jedoch von Aquino distanziert. Sein Programm stehe in vielen Punkten gegen die "Perspektiven der Kirche", teilte Ende April die Bischofskonferenz mit. Anstoß nehmen die Bischöfe wie auch einige protestantische Kirchen vor allem daran, dass Aquino ein Gesetzespaket über "reproduktive Gesundheit" unterstützt, das die Sexualaufklärung und den Zugang zu empfängnisverhütenden Mitteln für Jugendliche zum Ziel hat.

Auch politische Gewalt hat Tradition auf den Philippinen. Jeder dritte Ort wird von der philippinischen Polizei als "election hotspot" angesehen, an dem es am Wahltag zu Gewalttaten kommen könnte. Das EED-Team wird an Orten eingesetzt, in denen Gewalt erwartet wird, auf den Visayas und in Maguindanao auf der Insel Mindanao. Maguindanao war erst kürzlich in den Schlagzeilen - als im November über 30 Journalisten und die Familie eines Kandidaten ermordet wurden.