Altern ist eine Zumutung, hat Loriot gesagt. US-Autor Philip Roth formulierte es drastischer: "Das Alter ist ein Massaker." Negative Einstellungen zur letzten Lebensphase gibt es viele: Doch es gibt auch positive Altersbilder: Die zweite Lebensphase wird bunter und vielfältiger, haben deutsche Wissenschaftler festgestellt. Ältere Menschen in Deutschland seien aktiver und zuversichtlicher, betonte etwa das Deutsche Zentrum für Altersfragen in Berlin am Donnerstag mit Blick auf den heutigen "Internationalen Tag der älteren Generation". Allerdings müssten sie auch länger arbeiten und mehr Familienarbeit leisten.
Zufrieden alt werden
Fest steht: Die Deutschen leben in einer Gesellschaft des langen Lebens - doch Recht und Gewohnheiten hinken noch hinterher. Neugeborene Mädchen haben derzeit eine Lebenserwartung von 83, Jungen von 78 Jahren. Die Frage ist, ob das positiv oder negativ bewertet wird. Der im Juni veröffentlichte Deutsche Alterssurvey scheint zu belegen, dass die Lebenszufriedenheit steigt. Zwar sind etwa zwei Drittel (64,8 Prozent) der Menschen in der zweiten Lebenshälfte der Ansicht, dass das Älterwerden mit körperlichen Verlusten einhergeht. Fast drei Viertel (73,1 Prozent) allerdings verbinden das eigene Älterwerden mit persönlicher Weiterentwicklung.
Die zweite Lebensphase wandle sich stark, so Bundesseniorenministerin Manuela Schwesig (SPD). Allerdings bestünden weiter erhebliche Unterschiede - etwa zwischen Männern und Frauen, höher und weniger Gebildeten, Migranten und Einheimischen. "Wir müssen dafür sorgen, dass alle Menschen faire Chancen für ein gutes und aktives Leben im Alter bekommen."
Auch der Leiter des Deutschen Zentrums für Altersfragen, Clemens Tesch-Römer, unterstreicht, in den vergangenen 20 Jahren habe sich in der zweiten Lebenshälfte vieles zum Besseren gewandelt. Ältere Menschen engagierten sich häufiger ehrenamtlich, trieben mehr Sport und seien länger erwerbstätig. "Leider haben aber nicht alle teil an diesem positiven Wandel."
Gefährdeter Ruhestand?
Rechtliche Schutzlücken für ältere Menschen sieht die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) - etwa im Bereich der Pflege und beim Diskriminierungsschutz. Sie sprach sich in Bonn für die Ausarbeitung einer UN-Konvention zum Schutz der Rechte älterer Menschen aus. Mit Blick auf Deutschland wandte sie sich insbesondere gegen starre Altersgrenzen für bestimmte Berufe und Ehrenämter sowie den Ausschluss Älterer von manchen Finanzdienstleistungen.
Laut Alterssurvey, der seit Mitte der 1990er Jahre alle sechs Jahre erhoben wird, arbeitet die ältere Generation länger als früher - teilweise freiwillig, aber vielfach auch gezwungenermaßen. So hat der Erwerbstätigen-Anteil im Alter von 54 bis 65 Jahren seit 1996 deutlich zugenommen. Auch im Ruhestand geht jeder Zehnte einer Arbeit nach. Der nahtlose Übergang in die Altersrente gelingt jedoch immer weniger Älteren; immer mehr sind kurz vor dem Ruhestand arbeitslos.
Trotz vermehrter Berufstätigkeit leisten die Bürger in der zweiten Lebenshälfte mehr Familienarbeit für Enkel und alte Eltern, besonders die Frauen. Das Verhältnis der Generationen zueinander beschreibt die Studie als ziemlich konfliktfrei. Der Anteil der Eltern, die ihre Kinder finanziell unterstützen, hat deutlich zugenommen. Zugleich gaben die 55- bis 69-jährigen Großeltern fast doppelt so häufig Geld- und Sachgeschenke an ihre Enkelkinder als noch 1996.
Gemeinsam den Lebensabend genießen
Auch um die soziale Eingebundenheit der älteren Generation steht es laut Survey gut. Während sich etwa 10 Prozent im Alter von 40 bis 69 Jahren einsam fühlt, sind es bei den 70- bis 85-Jährigen nur 7 Prozent. Auch wenn traditionelle Formen wie die Ehe abnehmen, teilen die meisten ihr Leben mit einem Partner. 2014 waren weit weniger Menschen im Alter zwischen 70 und 85 Jahren verwitwet (24,0 Prozent) als 1996 (39,1 Prozent).
Zwar ist der Trend zu größer werdenden Wohnentfernungen zwischen Eltern und ihren erwachsenen Kindern ungebrochen. Dennoch hat dies offensichtlich keinerlei Auswirkungen darauf, wie häufig Eltern und Kinder miteinander in Kontakt stehen. Allerdings werden Hilfen im Alltag, die Ältere von jüngeren Familienmitgliedern erhalten, seltener. Stattdessen werde das soziale Netzwerk gestärkt. "Der Begriff des Angehörigen verändert sich", so Tesch-Römer. So zählten auch Freunde, Nachbarn und Bekannte dazu.
Christoph Arens