Für die weltweite Ökumene ist er schon heute eine Schlüsselfigur: Der südafrikanische Theologe Jerry Pillay wurde im Sommer zum Generalsekretär des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) gewählt. Derzeit ist der Südafrikaner, Dekan der Fakultät für Theologie und Religion an der Universität Pretoria, noch nicht im Amt. Die Vollversammlung des ÖRK, die in der kommenden Woche in Karlsruhe beginnt, organisiert noch Pillays Vorgänger Ioan Sauca.
Doch schon als Präsident der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen war Pillay prägend. Und viel spricht dafür, dass er auch in Karlsruhe manchen Faden im Hintergrund ziehen wird.
Von Erfahrungen des südafrikanischen Apartheidregimes geprägt
Persönlich und theologisch ist der aus einer indischen Familie stammende Pillay von den Erfahrungen des südafrikanischen Apartheidregimes geprägt. "In diesen dunklen Tagen ging ich in die Townships, und ich war tief inspiriert, aber manchmal auch beunruhigt von der Tatsache, dass ich Menschen lachen sah und beten, frohlocken und auf der Straße tanzen", sagte Pillay auf einer Pressekonferenz nach seiner Wahl. "Und ich fragte mich, wie kannst du das bloß tun in diesem Leiden? Und dann erkannte ich sehr schnell die Spiritualität in diesem Leid." Zu Zeiten der Apartheid spielte der Weltkirchenrat eine wichtige Rolle im Kampf gegen die Politik der Rassentrennung.
Für den neuen Generalsekretär erwächst daraus eine Verpflichtung: "Wir stehen den Unterdrückten bei, auch in anderen Teilen der Welt."
Das freilich kann auch schief gehen. Deutliche Kritik zog sich Pillay zu, als er nach einer Reise nach Israel und in die palästinensischen Gebiete 2016 einen Text veröffentlichte, in dem er die Situation in Israel und Palästina mit der Apartheid in Südafrika verglich. In einem Interview mit dem "Religion News Service" versuchte Pillay nach seiner Wahl zum Generalsekretär, das zurecht zu rücken. Der Text von
2016 sei lediglich ein akademischer Aufsatz gewesen, der versucht habe, die Erfahrungen der Israelreise aufzunehmen und zu kontextualisieren. "Die Zitate und der Vergleich zwischen Israel und der Apartheid in Südafrika waren keine Worte aus meinem eigenen Mund, es waren akademische Zitate", sagt Pillay. So habe er beispielsweise die Vereinten Nationen und deren Äußerungen zu Israel zitiert.
Bricht Kontroverse erneut auf?
Es ist gut möglich, dass diese Kontroverse in Karlsruhe erneut aufbricht. "Konkret liegen solche Anträge noch nicht vor, aber man muss sich darauf einstellen", sagt die Auslandsbischöfin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Petra Bosse-Huber auf Nachfrage.
"In solch einer Debatte würde sich dann auch die Delegation der EKD zu Wort melden und deutlich widersprechen." Denn "im Konflikt zwischen dem jüdischen Volk im Staat Israel und dem palästinensischen Volk" gehe es nicht um rassische Gegensätze, "sondern um Land, Freiheit und nationale Selbstbestimmung zweier Völker", so die Bischöfin.
Pillay selbst will eigentlich andere Schwerpunkte für seine Arbeit im Weltkirchenrat setzen. Seine wichtigste Aufgabe sei, die Kirchen zusammenzubringen, sagt Pillay. Dazu müsse der ÖRK die wichtigsten globalen Themen adressieren: Armut, HIV und AIDS, die Corona-Pandemie, Fragen von Krieg und Konflikten. Zudem müsse es weiter um Gerechtigkeit gehen: "Wo werden Menschen unterdrückt und benachteiligt?" Egal, ob dies durch politische, wirtschaftliche oder religiöse Strukturen geschehe: Der ÖRK stehe an ihrer Seite.