Deutsche Bischöfe empfehlen Reform der katholischen Ehelehre

Kölner WJT als Blaupause

Die deutschsprachige Synodengruppe schlägt einstimmig eine Erneuerung der katholischen Ehe-Theologie vor. Ein Priester solle im Beichtgespräch mit wiederverheirateten Geschiedenen einen möglichen Zugang zu Sakramenten klären.

Die Kardinäle Müller und Koch / © Andrea Krogmann (KNA)
Die Kardinäle Müller und Koch / © Andrea Krogmann ( KNA )

In dem am Mittwoch veröffentlichten Abschlussbericht der Gruppe heißt es wörtlich: "Wie empfehlen ein vertieftes Studium dieser Fragen mit dem Ziel einer lehramtlichen Neubewertung und einer größeren Kohärenz der dogmatischen, moraltheologischen und kirchenrechtlichen Aussagen zur Ehe mit der pastoralen Praxis." Zur deutschen Sprachgruppe bei der aktuellen Versammlung der Weltbischofssynode in Rom zählen unter anderem die Kardinäle Walter Kasper, Reinhard Marx, Gerhard Ludwig Müller und Christoph Schönborn.

Für wiederverheiratete Geschiedene schlägt die Gruppe vor, dass künftig ein Priester als Beichtvater im Gespräch mit dem jeweils Betroffenen klären soll, ob nach der Schließung einer weiteren Zivilehe "ein Zugang zu den Sakramenten möglich ist". In diesem Gespräch müsse die "objektive Situation" betrachtet werden. Dazu gehöre auch die Frage, wie es um den verlassenen Partner steht, und ob die neue Partnerschaft in der weiteren Familie oder in der Gemeinde Verletzungen oder Ärgernisse verursacht. Eine solche "ehrliche Besinnung" könne "das Vertrauen in die Barmherzigkeit Gottes stärken, die niemandem verweigert wird, der sein Versagen und seine Not vor Gott bringt".

Erzbischof Koch: kein fauler Kompromiss

Die überraschende Verständigung auf eine gemeinsame Position zum Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen ist laut Erzbischof Heiner Koch kein "fauler Kompromiss". Sie sei vielmehr das Ergebnis einer "sachlichen und fachlichen Diskussion", sagte Koch am Mittwoch Radio Vatikan. Die Gruppe sei "aus dem Ringen heraus zu einem Ergebnis gekommen".

Dass alle Änderungsvorschläge des Gesprächskreises zum Arbeitspapier der Synode einstimmig angenommen würden, hätte er zuvor für "unmöglich" gehalten, sagte Koch weiter. Zugleich betonte er, dass es nicht das oberste Ziel sei, Einstimmigkeit zu erzielen.

Erfahrungen beim Kölner WJT waren Blaupausen

Es habe vieler Gespräche mit einzelnen Mitgliedern in den Pausen bedurft, um Möglichkeiten einer Einigung auszuloten, berichtete Koch.

Er habe darin jedoch auf seinen Erfahrungen beim Weltjugendtag in Köln im Jahr 2005 zurückgreifen können. Damals habe er den Päpstlichen Rat für die Laien, die Deutsche Bischofskonferenz, Kardinal Joachim Meisner und die katholischen Jugendverbände zusammenbringen müssen.

Der österreichische Kardinal Christoph Schönborn trug offenbar erheblich zu einem Lösungsweg in der Geschiedenenfrage bei. Ein deutscher Teilnehmer der Gruppe, der namentlich nicht genannt werden wollte, sagte am Mittwoch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), ohne die besonderen diplomatischen und sprachlichen Fähigkeiten des Wiener Erzbischofs wäre eine Einigung zwischen den Positionen der Kardinäle Walter Kasper und Gerhard Ludwig Müller wahrscheinlich nicht zustande gekommen. Das Klima in der deutschsprachigen Gruppe bezeichnete der Teilnehmer als streckenweise ausgesprochen kontrovers, aber stets sachlich.

Kardinal Marx über Aquin-Lektüre

Kardinal Reinhard Marx betonte die einstimmig beschlossene Entscheidung in der Geschiedenenfrage in einer Pressekonferenz im Vatikan. In der Debatte der Gruppe habe die Lektüre eines Kapitels aus der Summa Theologiae (um 1270) von Thomas von Aquin eine wichtige Rolle gespielt. Darin hatte der Kirchenvater argumentiert, dass die praktische Anwendung einer allgemeinen Norm auch stets Klugheit erfordere und diese die konkrete Situation und den Sinn der Norm zu beachten habe. "Übers Wochenende haben viele von uns Thomas von Aquin studiert, und am Ende haben wir gesehen, ja, das ist wirklich das, was er lehrt", sagte Marx.

Er betonte zudem, es sei nicht Aufgabe der Synode, die kirchliche Lehre fortzuentwickeln. Dies sei dem Papst und den Konzilien vorbehalten. Die Synode könne aber sehr wohl einen Beitrag zur Weiterentwicklung theologischer Positionen leisten. Es sei nicht richtig, wenn man Seelsorge und Lehre der Kirche als Gegensatz begreife. Marx sagte, er habe mit Kardinal Müller darüber gesprochen, dass es bislang keine widerspruchsfreie lehramtliche Zusammenfassung der katholischen Ehelehre gebe. Aus der Historie gebe es in dieser Lehre manches, was heute unverständlich sei. Als Beispiel verwies er auf eine katholische kirchenrechtliche Bestimmung, wonach eine Zivilehe zwischen zwei protestantischen Christen von der katholischen Kirche als sakramentale Ehe im katholischen Sinn gewertet wird.

Bischöfe legten Schuldbekenntnis ab

Zu Beginn ihres Berichts legen die Bischöfe und Kardinäle der Gruppe ein Schuldbekenntnis ab und beklagen, dass die Seelsorge durch "harte und unbarmherzige Haltungen" oft Leid über Menschen gebracht habe.

Dazu zählten "insbesondere ledige Mütter und unehelich geborene Kinder, Menschen in vorehelichen und nichtehelichen Lebensgemeinschaften, homosexuelle Menschen sowie Geschiedene und Wiederverheiratete." Die Bischöfe bitten in ihrem Bericht die Betroffenen um Verzeihung.

Bischöfe zu Gender-Ideologie

Mit Blick auf die "Gender-Theorie" erklärten die Bischöfe, die Unterscheidung zwischen biologischer Geschlechtlichkeit und soziologischer Geschlechterrolle sei zwar möglich. Eine Theorie, die das Geschlecht des Menschen als nachträgliches Konstrukt ansehe, sei aber als Ideologie abzulehnen.

Ferner kritisieren die Bischöfe mit ungewohnter Schärfe "öffentliche Äußerungen einzelner Synodenväter zu Personen, Inhalt und Verlauf der Synode". Ohne einzelne Vorgänge beim Namen zu nenne, schreiben die Bischöfe: "Die gebrauchten Bilder und Vergleiche sind nicht nur undifferenziert und falsch, sondern verletzend. Wir distanzieren uns entschieden." Beobachter vermuten, dass die Gruppe damit auf Polemiken einzelner Bischöfe reagierte, die von einem manipulierten Verlauf der Synode gesprochen und insbesondere den deutschen Bischöfen kirchenspalterische Absichten unterstellt hatten. Im Lauf der Debatte hatte zudem der afrikanische Kurienkardinal Robert Sarah postmoderne Sexualtheorien mit Nationalsozialismus und Stalinismus verglichen.

Insgesamte Synode uneins bei wiederverheirateten Geschiedenen

Die Arbeitsgruppen kamen zu unterschiedlichen Empfehlungen im Umgang mit wiederverheiratet Geschiedenen. Drei der 13 Gruppen sprachen sich ausdrücklich für eine Beibehaltung der derzeitigen offiziellen Praxis aus. Sie schließt Geschiedene, die eine zweite zivile Ehe eingegangen sind vom Kommunionempfang aus. Diese Position wird von zwei englischsprachigen und einer französischsprachigen Gruppe vertreten. Vier Gruppen fordern jeweils eine sorgfältige Prüfung des Einzelfalls unter Aufsicht des Ortsbischofs oder Beichtvaters und schließen eine Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion dann nicht grundsätzlich aus. Hierzu zählt die deutschsprachige Gruppe sowie eine italienische und französischsprachige Gruppe. Die betreffende italienische Gruppe sowie zwei weitere Gesprächszirkel sprechen sich für eine weitere Sondierung des Problems und eine anschließende Entscheidung des Papstes aus. Eine Gruppe ist geteilter Meinung. Die drei übrigen äußern sich nur allgemein oder gar nicht zu diesem Thema.

Eine Einschätzung der Mehrheitsverhältnisse in dieser Frage ist schwierig, weil aus den Stellungnahmen der Arbeitsgruppen nicht immer klar hervorgeht, ob diese einstimmig beschlossen wurden. Erforderlich ist nur eine absolute Mehrheit.

Die erste Bischofssynode über Ehe und Familie im vorigen Herbst hatte sich nicht auf eine einheitliche Linie im Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen verständigen können. Der Abschnitt im Abschlussdokument, der eine weitere Sondierung der Frage vorsah, fand nicht die nötige Zweidrittelmehrheit. Auf Wunsch des Papstes wurde er jedoch dennoch in das Arbeitspapier für die jetzige Synode aufgenommen.


Deutsche Synodenteilnehmer: Ehepaar Buch und Erzbischof Koch (m.) / © Andrea Krogmann (KNA)
Deutsche Synodenteilnehmer: Ehepaar Buch und Erzbischof Koch (m.) / © Andrea Krogmann ( KNA )
Quelle:
KNA