Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, hat die Menschen dazu aufgerufen, Gott stärker zu suchen. "Wem es ernst damit ist, der kann Antwort finden: heute, im Kreuz, am helllichten Tag", sagte Bätzing in seiner Karfreitagspredigt in Limburg laut Manuskript. Nicht wenigen Zeitgenossen erscheine dies jedoch müßig oder suspekt. "Wer sucht denn noch nach Gott?", fragte der Limburger Bischof.
Nach Gott und den Menschen fragen
In der Kreuzigung und im Sterben Jesu werde letztlich Gott offenbar. Geschildert werde Jesu Passion im Johannesevangelium als ein "Tagewerk höchster Aktion, in der Gott den menschlichen Menschen und der Mensch Jesus die Liebe Gottes offenbart". Doch Bätzing fragte auch: Wer leiste sich "den Luxus, in einer Zeit der Polykrisen, in der pragmatisch wirksame Strategien relevant und überlebensnotwendig geworden sind, gründlich nach dem wirklichen, menschlichen Menschen zu suchen?"
Der Bischof riet dazu, die Antwort in den Evangelien und in den Ostergottesdiensten zu suchen: "Wer dennoch nicht davon ablässt, nach Gott und Mensch zu fragen, den führt die gläubige Feier vom Leiden und Sterben des Herrn auf die Spur, und das am helllichten Tag."
Liebe ohne Waffen
Aus dem Tod Jesu am Kreuz ergibt sich nach Aussage des Münsteraner Bischofs Felix Genn auch "ein geradezu politisches Programm". Dies bestehe darin, "niemals mit Waffen zu versuchen, Recht zu bekommen, Land zu erben", sagte Genn in seiner Karfreitagspredigt in Münster. "Es ist das Programm einer gewaltlosen Liebe, ein Programm für den einzustehen, der ungerecht angegriffen und verfolgt wird, selbst wenn es mich in den Konflikt hineinführt", so der Bischof laut vorab veröffentlichtem Redemanuskript.
Dies gelte auch für den Krieg gegen die Ukraine, in dem die westliche Welt stehe. "Für mich jedenfalls ist das eine Zerreißprobe, wenn wir darüber diskutieren, wie wir der Ukraine helfen können und damit auch unsere Freiheit verteidigen", so Genn weiter.
Die letzten Worte Jesu am Kreuz, "es ist vollbracht", beziehen sich laut Genn darauf, "das Böse nicht zu vergelten, die Beleidigungen und Beschuldigungen zu widerlegen, durchzuhalten mit der Liebe". Damit habe Jesus alles verkündet, was "gewaltlose Liebe als die einzige Macht, die Leben gewinnen kann, dieser Welt zu sagen hat".
Wer sich als Christ diesem Kreuz aussetze, müsse sich auch fragen, ob er Gott diese Liebe abnimmt: "Kann er Gott sein und bleiben und gleichzeitig all das aushalten, um so den Tod und seine Mächte von innen her auszuhöhlen?" Dies glauben zu können, sei die Herausforderung des Karfreitags.
Was ist Wahrheit?
Der Aachener Bischof Helmut Dieser warnt vor einer Verwechselung der Wahrheit mit Macht. "Sie geschieht in nicht enden wollender Weise in der Ukraine: Russland will mit seiner Macht sein Geschichtsbild durchsetzen", schreibt er im Manuskript seiner Karfreitagspredigt. "Wessen Macht siegt, auf dessen Seite ist die Wahrheit, so der bittere, mörderische Fehler."
Wahrheit verträgt sich laut Dieser nicht mit Fehlern und Irrtümern. "Das wissen und spüren und das erleiden alle, die auf der schwächeren Seite stehen, die noch mutig protestieren und doch alles verlieren: die Weggesperrten in den Gefängnissen und Folterkellern, die in Schauprozessen Verurteilten, die als hinzunehmende Opfer ums Leben Gekommenen in Gaza oder die willkürlich in Terrororgien Ermordeten in Israel oder zuletzt im Konzertsaal in Moskau."
Dieser nimmt in seiner Predigt Bezug auf die Frage "Was ist Wahrheit?" des römischen Statthalters Pontius Pilatus. Er hat sie laut Johannes-Evangelium an Jesus bei dessen Verurteilung zum Tode gerichtet.
Auf "die Mitleidenschaft" Jesu hoffen
Die Geschichte von der Kreuzigung Jesu erinnere die Menschen daran, dass sie selbst verletzlich seien, sagte der hannoversche Landesbischof Ralf Meister am Freitag in der Stiftskirche zu Loccum nach vorab verbreiteten Redetext. Sie dürften aber auf "die Mitleidenschaft" Jesu hoffen. Meister ist auch Leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), der rund 7,8 Millionen Protestanten angehören.
Der Lutherische Weltbund (LWB) räumte ein, dass viele Menschen aufgrund traumatischer Erfahrungen, etwa Gewalt oder schwere Krankheiten, Gottes Abwesenheit und Schweigen beklagen. "Klagegebete sind zugleich Hilfeschreie und Glaubenszeugnis", erklärte die isländische Pfarrerin und LWB-Vizepräsidentin für die Region Nordische Länder, Arnfridur Gudmundsdottir.
Wer Gott um Hilfe bitte, könne jedoch Worte für das erfahrene Leid finden. Der LWB ist ein Dachverband von fast 80 Millionen lutherischen Christen in 99 Ländern.
Viele Menschen sehen Religionen nicht mehr als Werkzeuge des Friedens
Viele Menschen sehen Religionen laut dem Münchner Erzbischof Reinhard Marx nicht mehr als Werkzeuge des Friedens. Sie sähen sie vielmehr "als Aggressionsverstärker und Polarisierer, die Menschen voneinander trennen", sagt der Kardinal am Karfreitag im Münchner Liebfrauendom laut vorab verbreiteter Mitteilung.
"Es ist ein Skandal, wenn Religionen zum Unfrieden beitragen." Religionen dürften in politischen Konflikten weltweit nicht weiter instrumentalisiert werden.
Augen und Ohren öffnen
Zu Karfreitag ruft die badische Landesbischöfin Heike Springhart dazu auf, Augen und Ohren zu öffnen angesichts der Gewalt in der Welt und dem Leid der Menschen. Karfreitag nötige dazu hinzusehen:
"Es ist der Tag des Schreis der Menschen im Gaza-Streifen und im Westjordanland, die um ihr Leben fürchten und Hunger leiden; es ist der Tag des Schreis der Menschen in Israel, die immer noch um ihre Lieben bangen, die als Geiseln festgehalten werden." Der Sohn Gottes teile diesen Schrei.
Berliner Erzbischof verteidigt Karfreitag als "stillen Feiertag"
Der Berliner Erzbischof Heiner Koch verteidigte die Einstufung des Karfreitags als "stillen Feiertag". In seiner regelmäßigen "B.Z."-Kolumne nannte Koch dies am Donnerstag "gut und richtig".
Koch fügte hinzu: "Ich weiß, dass viele Menschen, die dem christlichen Bekenntnis nicht mehr nahestehen, dies als eine Einschränkung und Verbot verstehen." Er werbe aber dafür, die Chance zu sehen, die darin steckt: "Schweigen ist eine eindrucksvolle Antwort auf Leiden und Not."
Overbeck erklärt Hoffnung gibt Kraft zu Veränderung
Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck hat an Karfreitag an die Bedeutung des Leidens und Sterbens Jesu am Kreuz erinnert. Jesus sei bereit gewesen, für die Wahrheit Gottes Zeugnis abzulegen und "für seine Überzeugung zu sterben, weil er so in größter Eindringlichkeit seine Einheit mit Gott sichtbar macht", sagte Overbeck beim traditionellen Karfreitags-Kreuzweg auf der Halde Haniel in Bottrop.
"Damit aber auch die Größe seiner Liebe, die auf die Welt ausstrahlt, um diese und alle Menschen zu retten." Jesu Wahrheit und Macht habe nichts mit wirtschaftlicher, ökonomischer oder militärischer Potenz zu tun, betonte der Essener Bischof laut Redetext.
"Sie verdankt sich nicht den Motiven weltlichen Machtstrebens und dem Willen, über andere Menschen zu herrschen, noch dem Drang, die eigenen Interessen auf Kosten anderer durchzusetzen."
Die Wahrheit und die Macht Jesu beruhe vielmehr darauf, "dass er konsequent die Sache Gottes vertritt, kompromisslos, umfassend, ausnahmslos, um das zu sagen, was Gott ihm zu verkündigen aufgetragen hat".
Die Wahrheit, die von Gott ausgehe, habe auch nichts mit Objektivität und Irrtumslosigkeit im Kontrast zu Falschheit, Irrtum und Fehler zu tun, unterstrich Overbeck. "Es geht im Gegensatz zu Sünde, zum Bösen, zum Morden und zur Lüge um die Wahrheit als Licht und schöpferische Macht." Diese Wahrheit gebe Anteil an der Liebe Gottes.
Für diese Wahrheit heute öffentlich einzutreten, heiße für Christen, "Verantwortung wahrzunehmen, heißt, so zu leben, dass wir für Gerechtigkeit, Frieden und Versöhnung einstehen", sagte der Essener Bischof. Es heiße, sich von Unrecht berühren lassen und Widerstand gegen unmenschliche Praktiken und Ideologien zu leisten. "Wer hofft, hat eben die Kraft, Veränderungen mitzugestalten."