Deutscher Jesuit geht als Weihbischof nach Novosibirsk

"Kontakt mit den Orthodoxen halten"

Der deutsche Jesuit Stephan Lipke ist ernannter Weihbischof in Russland. Sein Bistum erstreckt sich über Sibirien. Er spricht über seine Reisepläne und Herausforderungen seiner neuen Aufgabe in der Diaspora.

Römisch-katholische Kathedrale von Nowosibirsk / © LIDERO (shutterstock)
Römisch-katholische Kathedrale von Nowosibirsk / © LIDERO ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Wie kam es dazu, dass Sie als Weihbischof für das Bistum mit Sitz in Nowosibirsk berufen wurden?

Stephan Lipke SJ (Sekretär der russischen Bischofskonferenz und ernannter Weihbischof des Bistums der Verklärung von Nowosibirsk): Das müssen Sie den Papst fragen, den Nuntius vielleicht oder den Diözesanbischof Josef Werth. Es hat sich abgezeichnet, dass Bischof Josef Werth auf der Suche nach Hilfe. Es ist kein Geheimnis, dass er nicht mehr der Jüngste ist. Er wird 72 und möchte nicht mehr so viel reisen, denke ich und möchte sehen, dass er noch stabil ein paar Dinge weiterbringen kann. 

Stephan Lipke SJ / © Oxana Pimenowa/Russische Bischofskonferenz
Stephan Lipke SJ / © Oxana Pimenowa/Russische Bischofskonferenz

Ich könnte mich für die Aufgabe eignen, weil ich gerne Dinge in Angriff nehmen und voranbringe. Die größere Herausforderung ist aber, als Bischof Seelsorger für die Leute zu sein und nicht zuletzt Seelsorger für die Seelsorgerinnen und Seelsorger, für die Priester, für die Ordensleute zu sein. Das wird für mich auch eine große Herausforderung.

Aber ich werde gerne versuchen, Zeit für die Leute, für Gespräche zu haben, viel herum zu reisen und auf diese Weise die Aufgaben in Angriff zu nehmen.

DOMRADIO.DE: Man kann so ein Bistum in Sibirien schlecht mit Deutschland vergleichen. Das sind unfassbare Entfernungen, die es da zurückzulegen gilt. Gleichzeitig kennen Sie die Region bereits, weil Sie schon vorher in Nowosibirsk gearbeitet haben. Wie wird da Ihr Alltag aussehen? Können Sie das jetzt schon absehen?

Lipke: Ganz absehen kann ich es noch nicht. Ein Teil der Arbeit in Nowosibirsk wird natürlich am Schreibtisch stattfinden oder auch in Onlinekonferenzen. Ich werde dann auch eher etwas häufiger ins Ausland reisen müssen, als es jetzt der Fall ist. Ein großer Teil der Arbeit wird aber sich auch darin bestehen, dass ich Pfarreien besuchen werde. Ich habe jetzt schon drei Einladungen bekommen. 

Stephan Lipke

"In diesen Städten gibt es große, junge und aktive katholische Gemeinden."

Das ganze Bistum ist ein bisschen zweigeteilt, kann man sagen. Da gibt es einige große Städte und Pfarreien, die an der Transsibirischen Eisenbahn und der Autobahn liegen. Das ist sozusagen die Südhälfte des Bistums, an der Grenze zu Kasachstan und im Osten die kurze Grenze mit der Mongolei und mit China. Da kann man viele Strecken mit dem Zug zurücklegen. 

Und dann gibt es aber auch Städte, die hoch oben im Norden liegen, da, wo Öl und Gas gebohrt werden. In diesen Städten gibt es interessanterweise verhältnismäßig große, junge und aktive katholische Gemeinden. Da war ich bis jetzt noch nie. Da habe ich schon die erste Einladung bekommen, in eine Stadt namens Surgut zu fahren. Da kann man nur mit dem Flugzeug hinkommen und natürlich nicht bei jedem Wetter. Wenn es neblig ist, dann geht es auch nicht.

DOMRADIO.DE: Der erste Weihbischof für Russland wurde im Jahr 2020 berufen. Was hat das für ein Hintergrund? Warum gibt es so eine relativ neue Entwicklung bei Ihnen?

Lipke: Das war vorher nicht unbedingt nötig. Von der Katholikenzahl her sind es nur wenige und wenige Geistliche. In dem Sinne braucht man vielleicht keine Weihbischöfe. Nun ist in Moskau, wo der erste Weihbischof ernannte wurde, die Situation anders. Das Erzbistum wurde territorial zweigeteilt. 

Der Weihbischof wohnt in Sankt Petersburg und ist für Petersburg und für Kaliningrad zuständig, also im Westen und Nordwesten des Bistums. Und der Erzbischof bleibt selber für das Gebiet zuständig, was man Zentralrussland nennen könnte, also Moskau und Umgebung. 

In Nowosibirsk ist die Situation ein bisschen anders. Da gab es auch nie einen Weihbischof. Nun wird der Diözesanbischof 72 Jahre alt, ist seit über 30 Jahren im Amt und hat sich vor einiger Zeit Unterstützung gewünscht. Diese Rolle soll ich einnehmen. Ich werde, das haben wir schon fest vereinbart, mit dem Bischof zusammen neben der Kathedrale wohnen.

Römisch-katholische Kathedrale von Nowosibirsk / © laksena (shutterstock)
Römisch-katholische Kathedrale von Nowosibirsk / © laksena ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Ich habe bewusst die Formulierung "das Bistum mit Sitz in Nowosibirsk" und nicht "das Bistum Nowosibirsk" verwendet. Aus Respekt vor der orthodoxen Kirche bekommen die Bistümer nämlich andere Namen, die nicht an die Orte gebunden sind. Wie sieht es denn mit dem Miteinander mit den orthodoxen Brüdern und Schwestern aus?

Lipke: Das Bistum nennt sich "Bistum der Verklärung des Herrn" in Nowosibirsk, wie Sie gesagt haben, aus Respekt vor dem Orthodoxen. Es gibt drei katholische Gemeinden in nebeneinander liegenden Bezirken. Meistens ist eine katholische Gemeinde in der Hauptstadt eines jeden Bezirks, auf Russisch heißt es Oblast. Die Oblast-Hauptstadt ist meistens Sitz eines Pfarrers. 

Stephan Lipke

"Es ist insgesamt nicht einfacher geworden."

Diese drei Hauptorte sind Tomsk, Nowosibirsk und Kemerowo. Früher war in Nowosibirsk ein orthodoxer Bischof, der den Katholiken gegenüber sehr kritisch eingestellt war. In Kemerowo aber er war einer, der aufgeschlossen war und auch immer noch ist. Der orthodoxe Erzbischof in Tomsk ist Diplomat. Das ist das ganze Spektrum, was man haben kann. Davon hängt sehr stark ab, welche Beziehungen die Katholiken vor Ort mit den Orthodoxen haben. 

Die Situation hat sich ein wenig geändert, aber es ist insgesamt auch nicht einfacher geworden. Aber wir schauen, dass wir zusammenarbeiten, dass wir Kontakt mit den Orthodoxen halten, aber auch mit den gar nicht so wenigen Protestanten. Zum Beispiel gibt es sehr aktive, große Pfingstkirchen in vielen Orten. Wir sehen auch zu, dass wir mit den jüdischen und muslimischen Gemeinden Kontakt haben, soweit das machbar ist. Aber die Kernfrage ist schon unsere Beziehung zu den Orthodoxen.

Stephan Lipke

"Ich soll Kontakte mit verschiedenen Leuten aufrechterhalten. Das braucht unser Bistum."

DOMRADIO.DE: Sie wurden 2002 in Köln zum Priester geweiht. Sie sind dann in den Jesuitenorden eingetreten. Gibt es etwas, das Sie sich aus dieser Zeit für Ihre jetzige Arbeit und für Ihre neue Aufgabe mitnehmen?

Lipke: Kontakte habe ich noch einige. Vor allem aus den zwei Jahren, in denen ich als Kaplan und eine zeitlang auch als Pfarrverwalter in Benrath und Urdenbach im Süden von Düsseldorf eingesetzt war. Ich habe Kontakte, wenn auch durchaus wenige, in meinem Heimatort Hilden bei Düsseldorf. 

Diese Kontakte, auch mit einigen Priestern in Köln, werde ich auf jeden Fall aufrechterhalten. Dann habe ich Kontakte zu den Jesuiten in Köln. Diese Kontakte werde ich jetzt wieder ein bisschen aktiver pflegen, als das in den letzten Jahren der Fall war.

Ich habe heute mit meinem künftigen Chef gesprochen. Der hat mich in meinen Reiseplänen bestärkt, denn ich soll ja Kontakte mit verschiedenen Leuten aufrechterhalten. Das braucht unser Bistum.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

Russisch-orthodoxe Kirche

Die russisch-orthodoxe Kirche ist mit rund 150 Millionen Gläubigen die mit Abstand größte orthodoxe Nationalkirche. In Russland bekennen sich gut zwei Drittel der Bevölkerung zu ihr - etwa 100 Millionen Menschen. Fast alle übrigen früheren Sowjetrepubliken zählt das Moskauer Patriarchat ebenfalls zu seinem kanonischen Territorium.

Russisch-orthodoxe Kirche mit Baugerüst (Archiv) / © Balakate (shutterstock)
Russisch-orthodoxe Kirche mit Baugerüst (Archiv) / © Balakate ( shutterstock )
Quelle:
DR