Priester in Russland hätten deshalb keinerlei Möglichkeit, in Predigten oder seelsorglichen Gesprächen kritische Bemerkungen zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu äußern, sagte der seit 20 Jahren im westsibirischen Kuibyschew tätige Pfarrer im Interview der Nachrichtenagentur Kathpress (Dienstag).
Mit jeglicher Andeutung in diese Richtung verschließe man die Türen sogar bei den eigenen Gläubigen, berichtete der aus Süddeutschland stammende Geistliche.
Auch Katholiken heißen Angriff auf Ukraine gut
Seifferts Pfarrgebiet, das mit 80.000 Quadratkilometern eine Fläche der Größe Österreichs hat, umfasst offiziell nur 320 registrierte Katholiken. Dass selbst diese Gruppe den Angriff auf die Ukraine mehrheitlich gutheiße, sei ein Ergebnis russischer Regierungspropaganda. Diese stelle die "Spezialoperation" als "Befreiung der unterdrückten Ukraine von feindlichen Mächten" dar, mit Kriegsverbrechen allein auf ukrainischer Seite; von einem "Krieg" zu reden, ist in Russland unter Strafandrohung verboten.
Verstärkend sei auch eine Mentalität, die jegliches Infragestellen der eigenen Regierung ablehne und der von der russisch-orthodoxen Kirche geförderten Deutung als "heiliger Krieg gegen den dekadenten Westen, der die Genderideologie gutheißt", zustimme. Dies werde in Russland als "Bedrohung der eigenen Identität" wahrgenommen und mehrheitlich abgelehnt.
Auf Seelsorge konzentrieren
Vor diesem Hintergrund verzichte er auf jeglichen politischen Kommentar und konzentriere sich ganz auf die Seelsorge, erklärte der Missionspriester. Wichtig sei dabei besonders das gemeinsame Gebet für den Frieden, der für die russische Bevölkerung sehr wohl ein wichtiges Anliegen darstelle: "Viele beten und fasten sogar dafür." Die katholische Kirche arbeite darauf hin, unter "Friede" nicht nur den Erfolg der "Spezialoperation" zu verstehen.
Skeptisch äußerte sich Seiffert zu Hoffnungen, der für Mitte September angesetzte Besuch von Papst Franziskus in Kasachstan könne den Dialog der Kirchen in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion verbessern oder zum Frieden in der Ukraine beitragen. In Russland sei der Dialog zwischen der Orthodoxie und der katholischen Kirche nicht erst seit Februar schwierig, bemerkte er. Auch verstehe man unter "Ökumene" etwas ganz anderes als im Westen, nämlich "dass jeder seine Sachen macht und man sich nicht gegenseitig ins Gehege kommt".
Allgemein werde die katholische Kirche in Russland mehr schlecht als recht geduldet, so der Eindruck des Priesters: "Die orthodoxe Kirche hätte wohl am liebsten, wenn wir Katholiken ausreisen, da sie Russland als ihr kanonisches Territorium betrachtet, vergleichbar mit dem, was der Vatikan für die katholische Kirche ist."