Mit Blick auf den Weltdiabetestag am 14. November plädieren Verbraucherschützer und Ärzteorganisationen für eine Steuer auf Gezuckertes - um den Konsum von Süßem zu lenken und vor allem zu senken. Abwegig findet das so mancher Ernährungswissenschaftler und auch der Bundesverbraucherminister Christian Schmidt (CSU). Der Evangelische Pressedienst (epd) erläutert die wichtigsten Argumente:
Pro
Nur eine Sondersteuer kann Hersteller dazu bringen, ihre Produkte weniger stark zu zuckern - davon ist Oliver Huizinga von der Verbraucherorganisation Foodwatch überzeugt: "Der Staat hat hier eine
Für- und Vorsorgepflicht." Insbesondere Limos, Eistee und Cola seien "völlig überzuckert". Schon der Inhalt einer Dose enthalte die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlene Tagesdosis an Zucker. So bestehe ein erhöhtes Risiko, an Diabetes zu erkranken und starkes Übergewicht zu entwickeln. "Bei flüssigem Zucker ist das sogar noch besonders ausgeprägt, denn das sind zusätzliche Kalorien, die nicht satt machen", sagt Huizinga. Zu den flüssigen Kalorien kämen weitere hinzu, die mit dem Essen aufgenommen würden.
Vor den Folgen von zu viel Zucker warnen seit Jahren auch Medizinerverbände wie die Deutsche Diabetesgesellschaft (DGG) und der Verband der Kinder- und Jugendärzte in Köln, die sich wie Foodwatch vehement für eine Zuckersteuer einsetzen. Mehr als sechs Millionen Menschen in Deutschland sind an Diabetes erkrankt. Laut DGG kommen jedes Jahr rund 300.000 hinzu. Als adipös - stark übergewichtig - gilt fast ein Viertel der Erwachsenen, ebenfalls mit steigender Tendenz.
Zucker ist überall
Der Zucker stecke "überall, auch in herzhaften Fertiggerichten oder Soßen, wo Konsumenten ihn nicht vermuten", sagt Huizinga. "Zucker regt den Appetit an und zudem ist er ein billiger Rohstoff, das macht ihn für die Industrie natürlich attraktiv", sagt der Verbraucherschützer. Die Nährwerttabellen auf der Rückseite der Verpackung informierten die Konsumenten nicht ausreichend. Außerdem richte sich die Werbung für stark Gezuckertes gezielt an Kinder und Jugendliche, die eben noch nicht selbst richtig beurteilen könnten, wie schädlich zu viel Zucker sei.
Empfohlen hat die Steuer aktuell auch die WHO - und zwar in spürbarer Höhe, so dass ein überzuckertes Produkt um 20 Prozent teurer werden soll. Mit der Abgabe will die WHO den Konsum der Bevölkerung lenken - über höhere Preise. Vor allem aber will man die Hersteller zwingen, die Rezepte der Produkte zu verändern. Dass das mit Hilfe einer Sondersteuer möglich ist, bestätigen laut einer aktuellen Analyse auch die Ökonomen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung.
Contra
Der Frankfurter Ernährungswissenschaftler und Buchautor Uwe Knop hält nichts von einer Zuckersteuer: "Es gibt gar keinen gesicherten Beweis dafür, dass Zucker und zuckerhaltige Produkte krank und dick machen." Die Studienlage sei nicht eindeutig, sagt Knop: "Das ist auch kein Wunder: Über den Gesundheitszustand eines Menschen entscheiden sehr viel mehr Faktoren als ein einzelner Inhaltsstoff im Essen." Es gebe auch Studien, die zeigten, dass Jugendliche, die viele Süßigkeiten essen, selten Übergewicht hätten.
Generell zu viel zu essen - "was auch immer" - sei selbstverständlich ungesund. "Zucker zu dämonisieren, macht aus ernährungswissenschaftlicher Perspektive keinen Sinn." Und damit auch keine Steuer, um den Konsum zu lenken, findet Knop. "Das gängelt die Menschen." Jeder könne sich über den Zuckergehalt in den Nährwerttabellen auf der Packung informieren - der Konsument habe die Freiheit, zu wählen.
Auch Bundesernährungsminister Schmidt ist gegen "Strafsteuern". Sie hätten "in der Regel keinen Einfluss auf das Ernährungsverhalten der Menschen", sagte er dem Evangelischen Pressedienst. Deshalb sei die Fettsteuer in Dänemark auch wieder abgeschafft worden. Stattdessen wolle er von einem gesunden Lebensstil überzeugen.
Schmidt setzt darauf, Kinder und Jugendliche zu informieren und ihre Kompetenz zum guten Essen zu fördern - "am besten als eigenes Schulfach".